"Der größte Star seines Jahrhunderts"

Von Blanka Weber · 21.03.2011
Der aus Ungarn stammende Komponist Franz Liszt, dessen 200. Geburtstag 2011 gefeiert wird, hat seine letzten Lebensjahre in der ehemaligen Hofgärtnerei in Weimar verbracht. Nun ist das Haus nach neunmonatiger Sanierung wiederöffnet worden.
Per mobilem Klavier – einem Instrument auf Rädern mit fahrendem Pianisten zieht eine Menschenmenge durch den Park an der Ilm. Die erste Frühlingssonne verblasst, der Abend beginnt zu dämmern. Nur bei Liszt - in seiner ehemaligen kleinen Sommervilla - gehen jetzt die Lichter an.
Für Wolfram Huschke den Spiritus Rektor des Liszt-Jahres ein besonderer Tag:

"Heute ist nicht nur Frühlingsanfang oder der 326. Geburtstag von Johann Sebastian Bach, sondern ordentlich organisiert, wie man das so macht in so einem Lisztjahr, eben auch ein hervorragender Tag. Vor allen Dingen wird seine späte Bleibe, das Liszt-Haus, in einem sehr, sehr guten, restaurierten Zustand nach neunmonatigem Bauen, der Öffentlichkeit wieder zugänglich. Jetzt gleich, da finden hinter uns schon die Reden statt."

Geredet wird viel - über Liszt und über Weimar. Der Rektor der Bauhaus-Universität lobt die gute Nachbarschaft, denn das heutige kleine Liszt-Häuschen ist eingebettet zwischen Mensa, Parkhöhlen und dem Van de Velde-Bau der Universität. Früher war es die ehemalige Hofgärtnerei am Rande des Ilm-Parkes, umgeben von wuchtigen Bäumen. Ein lauschiger Ort. Ein Rückzug für einen, der 1869 wieder kam nach Weimar, erklärt Gert-Dieter Ulferts von der Klassik Stiftung Weimar.

"Vorher hat er ja ein sehr hektisches, unruhiges Leben geführt. In all‘ den Jahren ist er durch Europa gereist und hat an vielen Orten Konzerte gegeben, hier kommt eine neue Lebensphase in Weimar."

Während der Sommermonate hat er hier gerne unterrichtet und sonntags zu Matineen geladen.

"Diese Wohnung wurde ihm eingerichtet vom Großherzogshaus, offenbar hat sich auch Großherzogin Sophie sehr engagiert. Also ihm wurde hier etwas bereitet, wenn man so möchte."

Sein letzter Flügel steht noch immer hier. Denn bereits ein Jahr nach Liszt’s Tod, 1886, wurde das kleine Haus ein Museum. Auf 140 Quadratmetern kann der Gast nun Salon-, Speise- , Diener- und Schlafzimmer bewundern. Vor allem aber eine neue Farbigkeit, dezenter und eleganter. Gerade die vergangenen Jahre waren ein eher farbintensives Konvolut von Liszt-Mobiliar, Utensilien und Kunstgegenständen. Zu kitschig und wenig ästhetisch. Nicht nur Nike Wagner, die Ur-Urenkelin, rümpfte die Nase darüber. Auch Gert-Dieter Ulferts:

"Das war manchmal ein bisschen zu stark aufgetragen, möchte ich sagen. Es war auch nicht immer in der Wahl der Materialen so konsequent. Es war möglicherweise auch die Mangelsituation der 70er Jahre, und ich meine, heute können wir da anders verfahren. Und wenn Sie fragen, worauf wir stolz sind, dann ist das sicherlich der Gesamteindruck."

Die meterhohen, in üppige Falten gelegten schweren Vorhänge dominieren den ersten Blick. Ihre dunkelroten und grünen Streifen, abgesetzt mit Ornamenten - sind eine Hommage an die ungarische Heimat von Franz Liszt.

Die Wände des Salons sind grau, goldfarbene Wandleisten zieren Türrahmen und Zimmerecken. Durch die wuchtigen Stoffe und dunklen Möbel wirkt der Raum klein, doch nicht beengend. Das Schlafzimmer ist in einen erdigen Ocker-Ton gehüllt, auch hier sollen die Farben der Stoffe weitgehend so sein wie das Original war, sagt Gert-Dieter Ulferts.

"Und wir haben eben auf der Grundlage der Inventare, die erstellt worden sind, bald nachdem Liszt verstarb, 1886, eine ziemlich genaue Beschreibung, wie die Qualität dieser Stoffe war."

Doch wer war der Mensch, der hier lebte und komponierte?

"Er war der größte Star seines Jahrhunderts und lebte wirklich wie ein Mönch, ohne persönliche Bedürfnisse, und wenn er Zigarren rauchte und Cognac trank, dann waren das mit Gewissheit immer Geschenke."

Sagt Hellmut Seemann, Präsident der Klassik Stiftung. Liszt - ein Europäer in Thüringen - wie viel europäische Wurzeln verträgt das Land?

"Ich finde, Thüringen hat es immer nötig auf seine große europäische Tradition zurück zu kommen. Vor zwei Jahren haben wir das mit der Heiligen Elisabeth gemacht, in diesem Jahr machen wir es mit Liszt und in zwei Jahren werden wir es mit van de Velde machen. Das sind alles Europäer im Grunde, in unterschiedlichen Jahrhunderten."

Heute Abend also ein großer Auftritt für Liszt. Touristiker erhoffen sich demnächst gezielt Besucher, vor allem aus Ungarn. Und die Studenten von nebenan? Sie haben sich mit fliegenden Liszt-Partituren beschäftigt und überdimensionale, gewellte Kunststoffplatten kurzerhand an Drahtseilen hoch oben in den uralten Bäumen befestigt:

"Wir haben uns vorgestellt, dass der Franz Liszt eine Partitur geschrieben hat, die er zum Trocken auf den Fenstersims gelegt hat und dann kam ein Windstoß und hat die Blätter sozusagen in den Park hinein geweht."

Musiziert wird auch wieder bei Liszt, meist montags bei Matineen an seinem letzten Flügel.
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