Martha Wells: "Tagebuch eines Killerbots"

Auch Roboter können langweilig sein

05:42 Minuten
Cover "Tagebuch eines Killerbots" von Martha Wells.
Wirklich problematisch ist die Redundanz der deutschen Ausgabe, meint unser Kritiker. © Deutschlandradio/ Heyne
Von Marten Hahn |
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Martha Wells wurde für "Tagebuch eines Killerbots" vielfach ausgezeichnet. Der Roman erzählt von einem Roboter, der sich in einen Menschen verwandelt. Die neue Freiheit nutzt er, um TV-Serien zu schauen. Leider ist das Ganze erstaunlich humorfrei.
Erwartungsmanagement ist alles. Im Leben wie beim Lesen. Aber wenn Bücher bereits hochdekoriert auf dem deutschen Buchmarkt landen, fällt das schwer. Mit dem ersten Teil ihrer Serie "Murderbot Diaries" gewann Martha Wells vor einigen Jahren sowohl den Hugo- als auch den Nebula-Award. Es folgten drei weitere Büchlein über die Abenteuer eines "freidrehenden Killerbot[s]". Heyne hat nun alle vier Kurzromane in ein Buch gepackt - und sich, den Lesern und der Autorin damit wider Erwarten keinen Gefallen getan.
Dabei ist Wells' Idee so genial wie einfach. Wir begleiten einen humanoiden Sicherheitsroboter bei der Menschwerdung. Die "SecUnit" gehört eigentlich einem Konzern, hat aber ihr "Chef-Modul" gehackt und sich damit selbst befreit. Davon erzählt sie niemandem etwas. Stattdessen nutzt sie ihre neugewonnene Freiheit, um TV-Serien zu bingen. So weit, so menschlich.

Ein gelangweilter Supercomputer

Die Maschine nennt sich selbst liebevoll "Killerbot", hat auf Dauer aber wenig Lust, Menschen vor sich selbst oder außerirdischer Fauna zu schützen. Sie ist schüchtern und introvertiert. Der emotionale Umgang mit Menschen fällt ihr schwer. Als sie nach einer Mission von gutmeinenden Wissenschaftlern aus den Fängen des Konzerns befreit wird, nimmt Killerbot Reißaus, boarded das nächstbeste Raumschiff und macht sich daran, die eigene blutige Vergangenheit aufzuarbeiten.
Die Autorin ignoriert, dass Roboter noch sehr lange, sehr wenig intelligent bleiben werden. Fern der wissenschaftlichen Realität schafft Wells so einen Raum, um zu erkunden: Werden wir die ersten wirklich intelligenten Maschinen als solche erkennen? Ist es moralisch, autonom handelnde Roboter wie Besitz zu behandeln? Und sind Maschinen nur Menschen zweiter Klasse?
Höhepunkte der vier Geschichten sind Killerbots Interaktionen mit anderen Maschinen. In Teil zwei freundet sich die SecUnit mit einem gelangweilten Supercomputer an, der ein Frachtschiff steuert. Die Künstliche Intelligenz wird zu einer Art Sidekick, der aus der Ferne sabotierte Shuttles rettet und digitale Unterschriften fälscht. Es macht großen Spaß, den beiden bei der Arbeit zuzusehen. Killerbot und KI - Superhelden ohne Superkräfte. Abgesehen vom Vorsprung durch Technik.

Ach-Du-Kacke-Momente

Doch dann hört der Lesegenuss schnell auf. Martha Wells erzählt zu dicht und trotz aller Bemühungen erstaunlich humorfrei. Die Übersetzung rettet wenig. Das "Govenor-Module" im Original klingt cooler als das deutsche "Chef-Modul". Und auch sonst klingt der Killerbot im Deutschen wie ein rhetorisch wenig begabter Teenager. Es gibt jede Menge "Ach-Du-Kacke-Momente". Aber all das ist Geschmackssache.
Wirklich problematisch ist die Redundanz der deutschen Ausgabe. Die Romane sind als Einzelwerke konzipiert. Die Autorin versucht deswegen, wenig subtil, immer wieder Informationen aus vorangegangenen Abenteuern einzustreuen. Was beim Lesen erst zu Irritation und dann zu Langeweile führt. Die Wiederholungen geben der bereits kunstlosen Prosa den Rest. Auch im Literaturbetrieb gilt: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

Martha Wells: "Tagebuch eines Killerbots"
Heyne Verlag, München 2019
576 Seiten, 15,99 Euro

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