Lukas Rietzschel auf "Buchbesuch"

"So wie wir jetzt über die DDR reden, haben wir es noch nie gemacht"

54:14 Minuten
Porträt von Lukas Rietzschel, der auf einem Hausdach neben einem Schornstein posiert.
Seit Lukas Rietzschel seinen Debütroman "Mit der Faust in die Welt schlagen" veröffentlichte, findet er sich immer wieder in der Rolle des "Erklärers" des Osten. © picture alliance / dpa / Matthias Rietschel
Lukas Rietzschel im Gespräch mit Miriam Zeh · 19.09.2021
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Wie prägt die DDR heute noch Nachwendekinder? Wie kann Georg Baselitz beim Verstehen der Großeltern-Generation helfen? Bei Käsebrot und Kuchen erzählt Autor Lukas Rietzschel von überwältigenden Recherchen, Wessi-Witzen und seinem neuen Roman „Raumfahrer“.
Nach den Ausschreitungen in Chemnitz 2018 wurde Lukas Rietzschel immer wieder nach Erklärungen gefragt: Woher kommen all die wütenden Männer? Woher all ihr Hass auf eingewanderte und geflüchtete Menschen?
Von dem 1994 in Räckelwitz geborenen Autor wollte man Antworten. Schließlich hatte er gerade seinen Debütroman veröffentlicht: "Mit der Faust in die Welt schlagen" erzählte von zwei Brüdern in Ostsachsen – und davon, wie sie aufwuchsen und sich radikalisierten.
In der Kölner Küche von Literaturredakteurin Miriam Zeh seufzt Lukas Rietzschel über seine Rolle als "Erklärer" des Ostens. Er berichtet von brüskierten Bürgermeistern, die sich auf seinen Lesungen zu Wort melden, und gibt Einblicke in die Recherche zu seinem neuen Roman "Raumfahrer".

Ein Roman nach wahren Begebenheiten

Darin erzählt Rietzschel von Menschen, die richtungslos durch politische Umbrüche treiben. Ihr stummer Schmerz prägt auch das Leben von Jan Nowak, obwohl er selbst – 1989 in Kamenz geboren – keine Erinnerungen an die DDR hat.
Als Jans Familie endlich ihr Schweigen bricht, offenbaren sich spektakuläre Zusammenhänge. Sie führen direkt zum weltberühmten Maler Georg Baselitz, der im Kamenz der Nachkriegszeit aufwuchs. Mit ihm konnte Lukas Rietzschel zwar nicht sprechen. Aber von Baselitz‘ Bruder Günter Kern ging der Autor mit einem ganzen Beutel voller Dokumente nach Hause.
"Raumfahrer" basiert auf vielen wahren Begebenheiten und einer Recherche, die zunächst nicht zu bewältigen schien.

Was die junge Generation über die DDR erzählt

Bei Käsebrot und Kuchen erzählt Lukas Rietzschel, welche Pluralität DDR-Erzählungen bis heute fehlt und warum ausgerechnet seine Generation sie herstellen kann. Auch treffen sich in dieser Ausgabe des Literaturpodcasts "Buchbesuch" zwei Nachwendekinder.
Aufgewachsen in unterschiedlichen Teilen der jungen Bundesrepublik stellen sie bald fest, dass die Arbeitsbiografien ihrer Eltern sich unterscheiden. Manche Erfahrungen aber ähneln sich.

Lukas Rietzschel: "Raumfahrer"
dtv, München 2021
288 Seiten, 22 Euro

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