Last und Lust des Umziehens (4)

Mietminderung

Verrosteter Duschkopf an einer gefliesten Wand
Neben undichten Duschkabinen gibt es für Mieter noch weitere Gründe zur Klage. © imago / suedraumfoto
Von Franziska Gerstenberg · 19.02.2015
Für die Lesart-Reihe "Originalton" hat die Autorin Franziska Gerstenberg Minidramen verfasst, in denen sie mit ihrem Lebensgefährten anschaulich macht, was einem widerfährt, wenn man umziehen will. Heute: Wie man zu einer Mietminderung kommt.
F(rau): Sag mal, war der Vermieter heute da?

M(ann): Ja.

F: Hast du ihn wegen des Treppenhauses gefragt? Wegen der Jungs, die dort immer sitzen und rauchen und ihre Kippen dalassen und ihre Bierflaschen dalassen und niemanden durchlassen?

M: Ja.

F: Und was hat er gesagt?

M: Er war ganz begeistert. (sächsisch) Nu, mein Gudsder, die müssense wegjagen. Da orbeidn mer alle zusammn! Immer wegjagen. Alle weg!

F: Also aber nett ist er ja eigentlich. Der Vermieter.

M: Ja.

Fail-Geräusch

M: Sag mal, war der Vermieter heute da?

F: Ja.

M: Hast du ihn wegen der Duschkabine gefragt?

F: Ja.

M: Und was hat er gesagt?

F: Ich habe ihm gezeigt, wo das Wasser raus läuft. Da. Und dort. Er war ganz begeistert. Hat eine Riesentube Silikon geholt und dicke Würste in die Ecken gedrückt.

M: Oh.

F: Leider hatte er nur weißes Silikon da. Kein farbloses.

M: Oh. Ich seh' schon.

F: Ja. Meine Shampooflasche kann ich da jetzt nicht mehr hinstellen. Alles voll mit Silikonwürsten. Meine Shampooflasche fällt da jetzt um.

M: Und hat es wenigstens geholfen?

F: Nein. Das Wasser läuft immer noch raus. Kein bisschen weniger. Da. Läuft es. Siehst du? Und dort.

Fail-Geräusch

F: Sag mal, war der Vermieter heute da?

M: Ja. Heute ist Mittwoch. Der Vermieter kommt jeden Mittwoch ins Haus.

F: Hast du ihn wegen der Fenster gefragt?

M: Ja.

F: Und was hat er gesagt?

M: Ich habe gesagt, dass die Fenster zur Straße hin immer komplett beschlagen. Bis zum späten Nachmittag sind sie beschlagen. Dass da was mit den Fenstern nicht stimmt, habe ich gesagt.

F: Und er …

M: War begeistert. (sächsisch) Nor das is im ganzen Haus so. Schon seid saniert worden is. Seit zwanzisch Jahrn. Weil das nämlisch Dobbelfensder sin. Bei Dobbelfensdern is das so, wissense?

F: Aber das ist nicht richtig, ich habe früher schon mit Doppelfenstern gewohnt. Die waren nie beschlagen.

M: Weiß ich ja. Man kann doch aber überhaupt nicht hinausschauen, habe ich zum Vermieter gesagt. Es ist dann bis nachmittags dunkel in den Räumen, und danach ist es sowieso dunkel.

F: Und er hat gesagt …

M: (sächsisch) Nor dass wir doch zu der andern Seide rausguggen gönnen, schließlich ham wir ja auch nach hinden Fensder.

F: Und du …

M: … na, ich hab gesagt, dass ich aber eine Wohnung mit Fenstern zu beiden Seiten gemietet habe. Eine Wohnung, bei der man aus allen Zimmern hinaussehen kann.

F: Und er …

M: (sächsisch) Nor wenn das son Problem für Sie is, dann zahlense im Winter halt fünfzsch Euro weniger.

Kassenklingeln.

F: Also nett ist er ja. Der Vermieter.

M: Ja, sehr. Ich hab ihm dann gleich noch das Doppelfenster gezeigt, das sich nicht öffnen lässt und innen schon schimmelt.

F: Weil ja die Scheibe beschlägt. Und er …

M: Sehr begeistert. Hat mit einem ganz stolzen Ton gesagt: (sächsisch) Nor nee, das könnse nich öffnen – das is vorzogen!

Fail-Geräusch.

F: Als würde er etwas ganz Besonderes präsentieren …

M: …ja! Stuck, Eichenparkett, Jugendstileinbauschrank … und der Höhepunkt: ein verzogenes Fenster!

F: Aber nett ist er, der Vermieter.

M: Immer gute Laune, ja.

F: Sehr. Das ist auch was wert.

Lauter Schrei.

Franziska Gerstenberg wurde 1979 in Dresden geboren. Nach dem Abitur arbeitete sie an einer Schule für geistig behinderte Jugendliche. Von 1998 bis 2002 studierte sie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig die Fächer Prosa, Lyrik und Dramatik/Neue Medien, danach war sie zwei Jahre lang Mitherausgeberin der Literaturzeitschrift "EDIT – Papier für neue Texte". Für die beiden Erzählbände "Wie viel Vögel" (2004) und "Solche Geschenke" (2007) erhielt Franziska Gerstenberg zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem ein Stipendium der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart. 2012 erschien der erste Roman mit dem Titel "Spiel mit ihr". Dafür wurde ihr 2013 der Förderpreis zum Lessing-Preis des Freistaates Sachsen verliehen. Die Autorin leitet Schreibseminare und lektoriert.

Für den "Originalton" hat sie kleine Minidramen verfasst, in denen sie mit ihrem Lebensgefährten sehr anschaulich macht, was einem alles widerfährt, wenn man einfach nur umziehen will.

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