Geplantes Bürgergeld

Wie die Politik psychisch kranke Langzeitarbeitslose ignoriert

06:58 Minuten
Die Silhouette einer Frau, die vor einer beleuchteten Scheibe sitzt und auf ihr Smartphone schaut.
Wer psychisch krank oder eingeschränkt ist, bekommt mit dem Bürgergeld auch nicht mehr Unterstützung, sagt Ulrike Winkelmann. © imago /Imaginechina-Tuchong
Ulrike Winkelmann im Gespräch mit Jana Münkel · 22.07.2022
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Am 1. Januar soll das Bürgergeld Hartz IV ablösen und mehr gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Langzeitarbeitslosen mit psychischen Erkrankungen helfe das kaum, kritisiert taz-Chefredakteurin Ulrike Winkelmann. Es gehe um Hunderttausende Menschen.
Das im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP verankerte Bürgergeld soll zum 1. Januar 2023 in Kraft treten. Das hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigt. Damit würde das so genannte Arbeitslosengeld II, auch bekannt unter dem Begriff Hartz IV, der Vergangenheit angehören.
Die Ampel verspricht unter anderem, das Bürgergeld werde die Würde jedes einzelnen Menschen achten und ihn zu gesellschaftlicher Teilhabe befähigen.

Besondere Unterstützung nötig

Dieses Versprechen sieht die taz-Chefredakteurin Ulrike Winkelmann mit dem vorliegenden Gesetzentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium nicht eingelöst. Zumindest nicht bei Langzeitarbeitslosen mit psychischen Problemen, die einer besonderen Unterstützung bedürfen. Für sie ändere sich kaum etwas:

"Die werden für arbeitsfähig gehalten, also gestempelt auch im engeren Sinne, wenn sie drei Stunden am Tag arbeiten können. Das hilft aber vielen Leuten, die psychisch beeinträchtigt sind, überhaupt nicht. Deswegen werden die mit noch so vielen Jobvermittlungen keine sichere Position in einem Arbeitsmarkt erwerben, wenn sie nicht auch medizinisch unterstützt werden."

Ulrike Winkelmann, taz

Darauf habe allerdings "der deutsche Apparat, so ausgefeilt er ist, keine Antwort – solange da nicht Krankenkassen und Arbeitsverwaltung miteinander kooperieren", betont Winkelmann. "Das ist bisher fast gar nicht vorgesehen.“

Hilfsprojekte nur für einige Dutzend Menschen

Winkelmann bezieht sich auf eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, wonach mindestens jeder dritte Bezieher von Hartz IV psychisch krank sei. Zwar gebe es einzelne Hilfsprojekte für „ein paar Dutzend“ Menschen. Doch es gehe hier um „Hunderttausende“, die beispielsweise an Depressionen leiden oder die nie diagnostiziert oder behandelt wurden.
Die Einschätzung, dass sich mit dem Bürgergeld generell nicht viel ändere, teilt auch Ralph Bollmann von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung . Es handele sich lediglich um einen neuen Namen für Hartz IV, das er selbst allerdings "nie so katastrophal fand, wie es teilweise dargestellt" worden sei.
(bth)

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