Krieg in der Ukraine

Das Zeitalter der Zeitenwenden: Was ist noch richtig?

36:37 Minuten
Grafik von übereinander gelagerten Pfeilen, die in unterschiedliche Richtungen zeigen
Wohin? Woher? Mit dem Krieg vor unserer Haustür geraten viele unserer Überzeugungen ins Wanken. © Getty Images / Jorg Greuel
Von Christine Watty und Johannes Nichelmann |
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Krieg und Tod in Osteuropa: Wer hätte sich das bis vor Kurzem vorstellen können? Wer hätte gedacht, dass sich unsere Haltung zu bestimmten Fragen so schnell ändert? Was ist noch richtig, was falsch? Wir sprechen mit der Journalistin Katja Garmasch und dem Soziologen Armin Nassehi.
Das Pandemie-Gespräch auf dem Flur oder in der U-Bahn scheint nun vollständig abgelöst worden zu sein vom „Das-hätte-ich-mir-neulich-noch-nicht-vorstellen-können“-Gespräch.
Neulich noch hätte man sich nicht vorstellen können, dass in Europa wieder ein Angriffskrieg stattfindet, sagen viele; dass Bekannte davon sprechen, dass sie auch zu den Waffen greifen würden; und dass der deutsche Wirtschaftsminister in Katar über Erdgaslieferungen verhandelt.
Neulich noch haben nicht besonders viele Menschen in Deutschland darüber nachgedacht, im Wohnzimmer zu übernachten, damit eine geflüchtete Familie mit in die Wohnung passt. Und kaum einer hätte vorausgesehen, dass Kinder in der Schule Friedenstauben basteln.

Was ist eine Zeitenwende?

Vielleicht ist diese Neusortierung der Gedanken auch ein Teil der "Zeitenwende", von der Bundeskanzler Olaf Scholz und andere sprechen. Dazu gehört auch, eigene Überzeugungen zu hinterfragen, sich nochmal genau zu überlegen, ob man wirklich Pazifist ist, was eine Flugverbotszone eigentlich ist – und ob man sich in seinem deutschen Wohnzimmer überhaupt in alle Debatten einmischen kann, nur weil man die Social Media-Kanäle quergelesen hat.
Wohin am Ende mit all den Emotionen?
Wir sprechen mit der Journalistin Katja Garmasch über ihre persönliche „Zeitenwende“: Sie hat russisch-ukrainische Wurzeln und bekommt jetzt Aufträge für Reportagen über die Ankunft von Geflüchteten. Privat organisiert sie Hilfe für die Angekommenen, dazwischen führt sie politische Diskussionen auf Facebook.

Moralisches Dilemma – aber für wen?

Wir befragen außerdem den Soziologen Armin Nassehi, der sich mit den moralischen Dilemmata beschäftigt hat, die diese Zeitenwende der Gesellschaft beschert. Und dem Wunsch, darauf zu reagieren und wieder Ordnung in die eigene Weltsicht zu bringen.
Dazu müssen wir natürlich analysieren, wessen moralische Fragen wir da überhaupt verhandeln: Ist das eine klassische Gesellschaftsfrage in einer Extremsituation? Oder schon wieder ein westliches Privileg?
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