Kritik am Kunstfonds

Unlautere Vergabeverfahren und Lobbyismus?

08:59 Minuten
Auf einem dunklen Hintergrund strahlt in Leuchtschrift ein NO
Nein, so nicht: Schon länger gibt es Kritik an der Vergabepraxis von Stipendien durch den Kunstfonds. Nun hat die Künstlerin Anahita Razmi diese nochmals bekräftigt. © Getty Images / Carol Yepes
Zoe Claire Miller im Gespräch mit Ramona Westhof · 15.12.2022
Audio herunterladen
In einem offenen Brief lehnt die Künstlerin Anahita Razmi ihr Stipendium der Stiftung Kunstfonds ab und kritisiert die Vergabepraxis der Stipendien scharf. Sie spricht von drohendem Lobbyismus, unlauteren Vergabeverfahren und fehlender Diversität.
"Ich lehne das NeustartPlus-Stipendium über 18.000 Euro, das mir die Stiftung Kunstfonds zugesprochen hat, ab", schreibt die Künstlerin Anahita Razmi in einem offenen Brief an die Stiftung Kunstfonds, eine der wichtigsten Institutionen der Kunstförderung in Deutschland.
Razmi lehnt die Förderung nicht ab, weil sie das Geld nicht gut gebrauchen könnte, sondern begründet den Verzicht mit der Kritik an der Vergabepraxis der Stipendien und bezieht sich dabei unter anderem auf Recherchen von Deutschlandfunk Kultur.
Razmi schreibt von drohendem Lobbyismus, unlauteren Vergabeverfahren und von fehlender Diversität in den Vergabegremien – und davon, dass die Kritik keineswegs neu sei, es bisher aber keine entsprechenden Veränderungen gab. „Ich lehne das Stipendium ab, bis sich dies endlich ändert und es strukturelle Reformen in der Stiftung Kunstfonds gibt“, schreibt die Künstlerin.

"Eine bemerkenswerte Geste"

Zoe Claire Miller, Künstlerin und Sprecherin des Berufsverbandes Bildender Künstler*innen Berlin, lobt die Entscheidung Razmis als bemerkenswerte Geste. „Es ist wichtig, darauf aufmerksam zu machen, was schiefläuft, und das ist eine auffällige, beeindruckende Möglichkeit gewesen, das zu tun.“
Auch bekräftigt Miller die Kritik Razmis – beispielsweise an dem Vergabegremium: Schaue man sich die Namen der Jurymitglieder an, falle auf, dass über lange Zeit immer wieder die gleichen Namen vorkommen. „Laut Satzung soll eigentlich nach drei Jahren gewechselt werden, spätestens nach sechs, aber man sieht, dass durchaus dieselben Personen über diese sehr beträchtlichen Mittel über längere Zeiträume hinweg entschieden.“
Außerdem gebe es sehr wenig Diversität in dem Gremium. Selbst das föderale Deutschland spiegele sich in der Jury nicht wider. Überwiegend sei es mit Personen aus Westdeutschland besetzt. Das habe Einfluss auf die Vergabe der Fördermittel.

"Resonanz ist ausgeblieben"

Das Förderprogramm Neustart Kultur wurde während der Coronapandemie ins Leben gerufen und soll der notleidenden Branche in der Krise helfen. Geholfen hat es anscheinend eher einigen wenigen: Es sei zu „eklatanten Mehrfachförderungen“ gekommen, sagt Miller. „Von denen, die die erste Runde von Neustart-Kultur-Stipendien für Künstler*innen erhalten haben, haben 40 Prozent dann auch die zweite Runde bekommen.“
Die Kritik an der Vergabepraxis wird von Seiten vieler Künstler und Künstlerinnen schon lange geäußert. Die Resonanz sei aber ausgeblieben, sagt Miller. „Es wurde nicht auf die Kritik eingegangen.“
(lkn)
Mehr zum Thema