Jodeln als Weltkulturerbe
Bitte laut und kräftig: Zunächst allein Männern vorbehalten, sind mittlerweile immer mehr Frauen beim Jodeln dabei © picture alliance / Keystone / Jean-Christophe Bott
Holleri di Dudel jö!

Du dödel di oder Dö dudel dö? Nicht so wichtig. Das Jodeln ist nicht immer festgelegtes Liedgut in Tracht. Der Alpengesang zeigt sich zwar oft traditionell, doch es gibt auch Wildjodler, Verbindungen zu Jazz oder Techno – und Jodelgruppen in Berlin.
Der Sound der Alpen: Jodeln gehört zu den akustischen Vorstellungen über die europäische Bergwelt wie Kuhglocken auf den Almen. Nun soll das Schweizer Jodeln in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen werden. Darüber entscheidet ein Ausschuss der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) bei einer Sitzung in Neu-Delhi. Die Entscheidung fällt bis zum 13. Dezember.
Diese Auszeichnung soll das öffentliche Bewusstsein für Kunst, Handwerk, Rituale, Wissen und Traditionen stärken, die über Generationen hinweg weitergegeben werden.
Dabei zeigt sich das Jodeln erstaunlich vielfältig – und ist bereits in Regionen vorgedrungen, wo es niemand vermuten würde.
Was ist Jodeln?
Jodeln ist ein Gesang ohne Text und Worte, bei dem zwischen tiefer Brust- und hoher Falsettstimme gewechselt wird. Einst sollen sich Hirten zwischen weit entfernten Bergweiden so verständigt haben – ein Kommunikationsmittel aus besonders weit hörbaren Lauten.
Zunächst bestand das Jodeln aus Gesängen mit Melodien, aber ohne Text: das sogenannte Naturjodeln. Mittlerweile hat sich auch das Jodellied ausgebildet, mit Strophen und einem Refrain.
Wo wird gejodelt?
Das Jodeln wird meist mit dem europäischen Alpenraum verbunden – gejodelt wird nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Österreich und in Bayern.
Der Stil unterscheidet sich von Region zu Region: Beispielsweise ist Schweizer Naturjodel meist getragen, während aus Österreich fetzig-fröhliches Jodeln kommt. Und auch in Bayern klingt das Jodeln wieder ganz anders.
Doch auch in Simbabwe und Georgien wird kräftig gejodelt – beide Gesangsformen stehen bereits auf der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes.
In den USA wiederum ist das Blue Yodeling bekannt – Songs, in denen alte Western-Sounds mit Elementen des Jodelns gemischt werden.

Jodeln geht überall wie hier bei "Urban Yodeling" in Berlin Spandau (aber zumindest ein Hügel wär schon gut)© picture alliance / dpa / Stephanie Pilick
Tatsächlich lässt sich überall jodeln, eine bergreiche Umgebung ist keine notwendige Voraussetzung. Ein wichtiger Aspekt ist jedoch, dass es ein Echo gibt, das den Ruf zurückspiegelt. Jodeln – das geht im Wald oder auch am Meer, sagt die Jodellehrerin Doreen Kutzke. Sie unterrichtet Jodeln in Kreuzberg – ein kleiner Hügel, kein Berg. Wer in der eigenen Wohnung jodeln will, bräuchte jedoch sehr tolerante Nachbarn, betont Kutzke.
Jodeln mal anders: Country, wild oder politisch
Verbreitet hat sich das Jodeln schon früh. In Comedyshows in den USA wird bereits Mitte des 19. Jahrhunderts gejodelt. Vor allem Minstrels, geschminkte Varietésänger, experimentieren damit. Angeregt werden sie womöglich von Volksmusikern aus Tirol, die in dieser Zeit durch die USA touren.
In den 1920er- und 1930er-Jahren entsteht in den USA das Blue Yodeling – benannt nach dem 1927 erstmals in Camden, New Jersey, aufgenommenen Song „Blue Yodel“ von Jimmie Rodgers. Die Mischung aus seiner geschmeidigen Stimme, afroamerikanischem Blues und europäischer Folklore mit eingeworfenen Jodlern wird ein Hit – und die 1930er-Jahre zur Hochzeit des Blue Yodeling.
Heute jodelt es vielfältig und überall
Und heute? Nachwuchsprobleme hat das Jodeln in der Schweiz keine. Allein im Eidgenössischen Jodlerverband sind rund 12.000 Aktive, dazu gibt es viele freie Jodlergruppen. Der Verband hat für Wettbewerbe jedoch klare Regeln: So müssen vorher Liedpartituren eingereicht werden, und „korrekte Tracht“ ist vorgeschrieben.
Neben diesen traditionellen Formen des Jodelns hat sich aber auch eine vielfältige neue Szene ausgebildet. Da gibt es Wildjodler, die frei improvisieren und aus dem Stand neue Jodellieder schaffen. Andere verbinden das Jodeln mit Blues oder Jazz, mit Techno, Rock oder Rap.
Jodelgruppen wie „Esels Albtraum“ brechen nicht nur mit vielen Traditionen, sondern stellen sich auch politisch auf: Sie jodeln „antifaschistisch“ und „antikapitalistisch“.
Und auch die KI (Künstliche Intelligenz) hat das Jodeln entdeckt: Beim Urner Festival Alpentöne in der Schweiz generierte ein Computer Jodelstücke. Die Software ist das Produkt eines Forschungsprojekts der Hochschule Luzern. Die Reaktion des Publikums fiel gemischt aus: Es klinge, „als würde man Teller durch die Küche werfen“, meinten einige.
Jodeln ist auch Improvisation und Klang und nicht immer festgelegtes Liedgut, erklärt Jodellehrerin Doreen Kutzke. Dafür brauche es auch keine Tracht – allein im völlig unalpenländischen Berlin gebe es mittlerweile viele Jodelgruppen, zum Beispiel in Kreuzberg, Schöneberg oder Charlottenburg.
Das Jodeldiplom lebt: Jeder kann jodeln!
Jodeln lernen? Da denken wohl viele erst einmal an den legendären Loriot-Sketch von 1978, in dem Frau Hoppenstedt (Evelyn Hamann) einen Jodelkurs macht, um „etwas Eigenes“ zu haben. Im Kurs werden die „Grundmotive des Erzherzog-Johann-Jodlers“ erarbeitet: „Holleri du dödl di, diri diri dudel dö“.
Doch tatsächlich lässt sich das Jodeln lernen. Die Hochschule Luzern (HSLU) bietet sogar einen Masterabschluss im Jodeln. Vor sieben Jahren startete sie als erste Schweizer Universität einen entsprechenden Studiengang.
Doch warum sollte man das „unartikulierte Singen aus der Gurgel“ überhaupt lernen, wie das Jodeln in einem Reisebericht von 1810 genannt wird?
Jodeln stärkt die Stimme, ist Ausdruck von Lebendigkeit, sagt Doreen Kutzke. Und abseits aller Klischees geht es beim Jodeln um viel Spaß und Lebensfreude.
Aus diesem Grund sieht Kutzke den Antrag zum Jodeln auch positiv: Denn mit einer Auszeichnung als immaterielles UNESCO-Welterbe könnte das Jodeln aus seiner Nische geholt werden, in der es für viele Menschen schwer zugänglich sei. Jodeln könnte besser gefördert werden – beispielsweise mit niedrigschwelligen Angeboten.
In jedem Fall: Lust aufs Jodeln zu haben, sei die beste Voraussetzung um es zu lernen – danach müssen die Neu-Jodlerinnen und -Jodler einfach nur noch versuchen, ein bisschen laut zu sein.
csh

























