Fußball in der Nachkriegszeit

Die Schmuggler von Mützenich

Der Schmuggler, dieses Denkmal erinnert an die Zeit des Kaffeeschmuggels von 1945-1953 an der deutsch-belgischen Grenze *** The smuggler, this monument commemorates the time of coffee smuggling in 1945 1953 at the German-Belgian border
Der Schmuggler, dieses Denkmal erinnert an die Zeit des Kaffeeschmuggels von 1945-1953 an der deutsch-belgischen Grenze. © imago images / Olaf Döring / Olaf Döring via www.imago-images.de
Von Heinz Schindler |
Wegen der hohen Steuer wurde nach dem Krieg Kaffee aus Belgien eingeschmuggelt. Fußballer des TuS Mützenich mussten ins Gefängnis und der Verein stieg ab.
Rudi Claaßen, Jahrgang 1946 und gebürtiger Mützenicher, nimmt uns mit in die Vergangenheit des Dorfes im Venn. Mützenich, dünn besiedelt und heute landwirtschaftlich und touristisch geprägt, ist eine von fünf deutschen Exklaven in der Region. Sie ist umgeben von belgischem Gebiet. Nach Osten zur Stadt Monschau hin getrennt von der ehemaligen Trasse der Vennbahn, nach Westen hin führt die Straße ins ostbelgische Eupen aus Mützenich hinaus. In der Straßenmitte stand das Häuschen mit den Zollbeamten beider Länder.
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Die Kirche von Monschau-Mützenich. Mützenich ist eine Exklave und komplett von Belgien umschlossen. © picture alliance / Rainer Hackenberg / Rainer Hackenberg
Zwischen Mützenich und Eupen liegt kilometerweit Wald, mitunter unwegsames Gelände. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war hier die sogenannte „Aachener Kaffeefront“. Weil die Kaffeesteuer in der Bundesrepublik weitaus höher als in Belgien war, wurde der Kaffee über die Grenze geschmuggelt. Er war die Basis für den Wiederaufbau in Mützenich. Auch Rudi Claaßen war als Kind im Einsatz. Mit seinem Vater fuhr er damals regelmäßig nach Belgien, um eine Tante in Elsenborn zu besuchen.

Und dann wurde immer ein Kind mitgenommen. Und das konnte man dann rundherum mit Kaffee einpacken unter dem Pullover, unter der Jacke. Einen Anorak oder so etwas kannte man damals noch gar nicht. Das hielt warm und Kinder wurden nicht kontrolliert.

Rudi Claaßen

Abstieg nach Verhaftungswelle
Bis 1953 die Kaffeesteuer in Westdeutschland abgesenkt wurde, nahm der Schmuggel große Dimensionen an. Nicht immer blieb es bei einem geschulterten Sack Kaffee und einer Flucht zu Fuß. Die große Verhaftungswelle 1952 ging auch am TuS Mützenich nicht vorbei. 40 Schmuggler aus dem Ort saßen in Köln im Gefängnis Klingelpütz und der Pfarrer von Mützenich reiste nach Köln, um sie frei zu bekommen, damit ein Fußballspiel stattfinden konnte. Am Ende der Saison aber stieg der TuS Mützenich ab. Während der Ermittlungen zum Prozess waren zu viele Spieler zu lange „unabkömmlich“, wie es die örtliche Tageszeitung nannte. Rudi Claaßen bekam von all dem nichts mit.
Justizvollzugsanstalt in Köln Ossendorf. Köln, 30.10.2018
Auch Spieler des TuS Mützenich, die Kaffee geschmuggelt hatten, saßen im Klingelpütz ein. Hier eine Aufnahme des Neubaus der Justizvollzugsanstalt in Köln-Ossendorf. © picture alliance / Geisler-Fotopress / Christoph Hardt / Geisler-Fotopress

Schaden in Millionenhöhe

Und nachdem die Strafen abgesessen waren und sich der Kaffee-Schmuggel nicht mehr rentiert hatte, spielten Schmuggler und Zollbeamte wieder in bester Kameradschaft zusammen – außerdienstlich natürlich! Kein Schmuggler leugnete, aber alle bestritten, dass sie Reichtümer erworben hätten. Die Anklage sprach jedoch von einem Schaden, der weit über eine Million (D- Mark) betragen haben soll.

Große Nachwuchsorgen

Rudi Claaßen, eines der Urgesteine des Vereins, trat dem TuS Mützenich erst 1959, nach diesen bewegten Zeiten bei. „Wenn wir Jugendlichen da nicht mitgespielt hätten, dann hätte der TuS Mützenich gar keine Jugendmannschaft gehabt. Jugend waren da alle bis achtzehn Jahre."
Zu wenige Jugendliche, das ist auch aktuell das Problem des TuS Mützenich und anderer Vereine in der Stadt Monschau. Aktuell spielt der Verein, der 400 Mitglieder hat und im 2000-Einwohner-Ort der zweitgrößte Verein ist, mit seiner einzigen Mannschaft in der Kreisliga B, das ist die zehnthöchste Spielklasse. Immer wieder wird darüber nachgedacht, mit anderen zu fusionieren. Doch in einer Spielgemeinschaft wäre die Identität des TuS Mützenich in Gefahr und die bewegte Vereinsgeschichte würde vielleicht noch schneller verblassen.
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