Michael Feichtenbeiner

Wie ein Deutscher die Fußballer von Myanmar trainiert

08:22 Minuten
Der Deutsche Michal Feichtenbeiner trainiert Myanmars Fußballer.
Der Deutsche Michal Feichtenbeiner ist seit März Fußballnationaltrainer in Myanmar. © dpa / picture alliance / Long Lei
Von Felix Lill |
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Seit zweieinhalb Jahren herrscht in Myanmar Bürgerkrieg. Mitten in dieser Zeit trat der Deutsche Michael Feichtenbeiner dort den Posten des Fußballnationaltrainers an. Kritikern gilt er als Kollaborateur, andere loben ihn als Entwicklungshelfer.
Vor einem Dreivierteljahr erfüllte sich Michael Feichtenbeiner einen Karrieretraum:

„Noch mal eine A-Nationalmannschaft zu trainieren. Von daher war ich sehr aufgeschlossen.“

Erinnert sich der 63-jährige gebürtige Stuttgarter. Als damaliger Trainer vom malaysischen Erstligisten Selangor FC hatte er einen Anruf vom Fußballverband Myanmars erhalten, ob er die dortige Auswahl leiten wolle. Und ganz leicht sei die Entscheidung nicht gewesen.

Manche haben ihm abgeraten

„Manche haben mir auch abgeraten, den Job anzunehmen. Ich habe mich aber von Leuten, die ich gut kenne, die in Myanmar waren, beraten lassen …“
 
Und dann hat die Neugier überwogen. Michael Feichtenbeiner - zwischen 2015 und 2019 Trainer mehrerer deutscher DFB-Jugendnationalmannschaften und seit einigen Jahren auch in Südostasien aktiv - ist nun Nationaltrainer von Myanmar.

Ein besonderer Posten

Es ist ein besonderer Posten. Denn viele im Land haben heutzutage andere Probleme als Fußball.
 
Seit zweieinhalb Jahren herrscht praktisch Bürgerkrieg. Im Februar 2021 setzte sich eine Junta aus Generalen an die Macht und nahm mehrere der kurz zuvor demokratisch gewählten Politiker fest. Das Militär rechtfertigte seinen Schritt mit Wahlbetrug, blieb aber Belege hierfür schuldig.

Mit dem Putsch wurde nicht nur eine erst rund ein Jahrzehnt zuvor zaghaft eingeführte Demokratie um Jahrzehnte zurückgeworfen. Als Antwort auf anfangs friedliche Proteste im ganzen Land rollten bald auch Panzer. Noch mitten in der Pandemie griff das Militär sogar Krankenhäuser und Schulen an.

Laut der myanmarischen Hilfsorganisation für politische Gefangene sind bis jetzt rund 25.000 Menschen festgenommen und mehr als 4.100 durch das Militär getötet worden.

Kein Ende des Konflikts in Sicht

Im ethnisch höchst diversen Land hat sich nicht nur die Demokratiebewegung längst selbst bewaffnet, sondern auch mehrere ethnische Minderheiten, die schon in den Jahrzehnten zuvor immer wieder um Autonomie gekämpft hatten.

Das Land droht zu zerfallen. Ein Ende des Konflikts zeichnet sich nicht ab. Michael Feichtenbeiner bewegt sich in einem Spannungsfeld: Unterstützt er mit seinem Engagement indirekt das brutale Militär? Er selbst sieht das nicht so:

Erst mal bin ich als Nationaltrainer angestellt, und insofern freue ich mich, die ganzen 60 Millionen Myanmaris zu vertreten - und nicht die Regierung. Der Sport sollte der Sport sein. Und nicht zu sehr in die Politik reinspielen. Ich habe in meiner Mannschaft auch Spieler, die Leid erfahren haben und trotzdem für die Nationalmannschaft spielen. Weil wir für die Nation spielen und nicht nur für die Regierung. Es gibt sicherlich auch Leute, die sagen: Ihr repräsentiert die Regierung. Aber so sehe ich es nicht."

Michael Feichtenbeiner

Mehrere prominente Sportler in Myanmar - auch Fußballer - haben erklärt, nicht mehr für das Land anzutreten, solange sich das Militär an die Macht klammert.

Auch andere deutsche Trainer waren in Diktaturen

Aber beim Versuch, Politik und Sport voneinander zu trennen, ist Michael Feichtenbeiner nicht der Erste. Auf ähnliche Engagements haben sich schon mehrere deutsche Trainer eingelassen.
So hat Bernd Stange, einst DDR-Nationaltrainer, ab 2002 für zwei Jahre die Nationalmannschaft von Irak und ab 2018 jene von Syrien trainiert. Zur Frage, welche Probleme er dabei sehe, sagte Stange vor Kurzem im Podcast des singapurischen Ex-Profis Sasikumar Ramu:

„Ich habe Saddam Hussein nie getroffen. Aber wissen Sie, ich wurde oft von Journalisten gefragt, was ich tun würde, wenn ich eine Einladung erhalten würde. Und ich habe immer gesagt: natürlich! Es ist doch mein Vorteil, wenn ich ihn treffen und ich ihm erzählen kann, was ich von seinem Land halte. Ein Journalist hätte nie die Gelegenheit dazu. Aber vielleicht sähe es bei mir anders aus. Es ist so ähnlich mit Bashar Al Assad in Syrien. Ich habe ihn nie getroffen. Aber wenn das Team eingeladen wäre, das tut man? Es ist immer schwierig, wenn im Fußball Politik steckt.“

Andersen war nordkoreanischer Nationalcoach

Ähnlich war es wohl für Jörn Andersen. Nach seiner Karriere als Bundesligaspieler unter anderem für Eintracht Frankfurt und den Hamburger SV war er ab 2016 zwei Jahre lang Trainer von Nordkorea – ebenfalls eine Diktatur mit schweren Menschenrechtsverletzungen.

Andersen verstand sein Engagement kaum als politisch, wie er im Podcast des Hamburger Abendblatts erklärt hat:

"Ich habe lange mit meiner Frau diskutiert - und wir sagten uns: Warum sollen wir das nicht versuchen? Es ist ein spezielles Land. Ich habe mich nicht so viel beschäftigt mit der Politik. Ich habe das schon mitgekriegt, wie das Land ist, wie die dort leben. Aber als ich da war, habe ich gelebt wie ein König. Du kommst dahin, für dich wird alles gemacht. Weil du von außen kommst, weil du dem Land helfen möchtest. Und weil du den Sport weiterbringen sollst. Ich will das nicht missen.“
Jörn Andersen (links) in seiner Zeit als norkoreanischer Fußballnationaltrainer
Jörn Andersen (links) in seiner Zeit als nordkoreanischer Fußballnationaltrainer© Imago / Gu yan


Auch Michael Feichtenbeiner will sich zu politischen Fragen an seinem neuen Wohnort nicht äußern:

„Ich bin Angestellter vom Verband, der einen Fachmann will, der Myanmar wieder auf bessere Beine bringt.“ 

In dieser Sache hat es Michael Feichtenbeiner allerdings nicht leicht. Nachts ist in Myanmar Ausgangssperre.

Erste Liga spielt in Myanmar im Blockmodus

Und weil die Lage in einigen Regionen höchst unstabil ist, wird die erste Liga derzeit in einem Blockmodus in der Wirtschaftsmetropole Yangon ausgetragen, wo Feichtenbeiner in einem Hotel wohnt.

Dem Nationaltrainer fällt so das Scouting leichter. Aber den Spielern fehlt über weite Strecken des Jahres Spielpraxis. Hinzu kommen noch ganz andere Probleme durch die Krise:

„Wirtschaftlich, aber auch politisch, ist die Situation eher unruhig im Moment hier. Viele ziehen sich aus dem Land zurück. Dadurch geht auch wirtschaftlich Geld verloren. Und der Fußball ist natürlich auch auf eine gute Wirtschaft angewiesen.“

Feichtenbeiners Erfolge in Myanmar

Erfolg hat Feichtenbeiner aber trotzdem. Im Oktober überstand Myanmar bei den Asian Games, einer Art Olympischer Spiele für Asien, zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert die Gruppenphase. Ein halbes Jahr zuvor hatte Feichtenbeiner bei den Südostasienspielen überraschend das Halbfinale erreicht.

So ist er heute zumindest bei denen beliebt, die den Verband oder die Nationalmannschaft unterstützen.
Und wenn sich Michael Feichtenbeiner an den Empfang bei der Rückkehr von den Südostasienspielen im Mai erinnert, dann sei der Rückhalt groß, sagt er:

„In Pracht uniformierte Herren waren da. Leute vom Sportministerium waren da. Olympisches Komitee. Und dann so 700 bis 800 Menschen - mit Spalier. Ich hätte das nie erwartet. Was wäre passiert, wenn wir Erster geworden wären? Die Bedeutung vom Sport ist riesig. Für mich ist das auch ein Antrieb, diese Freude den Menschen zu geben.“

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