Journalism Trust Initiative

Ein Gütesiegel für den Journalismus

16:50 Minuten
Illustration: Kameramann und Journalistin mit Mikrofon in der Hand im schwarzen Scheerenschnitt. Dazwischen eine weiße Sprechblase
Mit einer Art TÜV für publizistische Angebote können Medienhäuser für mehr Transparenz sorgen und sich selbst als Quelle für glaubwürdigen Journalismus profilieren.  © imago / Ikon Images / Gary Waters
Stephan Weichert im Gespräch mit Teresa Sickert und Marcus Richter · 11.12.2021
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Wie sollen wir mit falschen und tendenziösen Informationen umgehen? Die Organisation Reporter ohne Grenzen will Journalismus dafür mit einem Qualitätssiegel ausstatten. Bisher machen nur wenige deutsche Medien mit. Doch die Idee hat Potenzial.
Der Journalismus ist in der Krise, heißt es immer wieder. Alte Geschäftsmodelle brechen weg und neue Mitbewerber fluten den Markt. Mehr Vielfalt ist nicht schlecht, doch unter den seriösen Journalismus mischen sich Quellen, die Desinformation verbreiten oder mit Clickbait Geld machen wollen. Dadurch wird es immer schwieriger, vertrauenswürdige Nachrichtenquellen zu identifizieren. 
Unter der Regie der Organisation Reporter ohne Grenzen soll sich das nun ändern: durch die „Journalism Trust Initiative“, eine Initiative für vertrauenswürdigen Journalismus. Mit einer Art TÜV für publizistische Angebote können Medienhäuser für mehr Transparenz sorgen und sich selbst als Quelle für glaubwürdigen Journalismus profilieren. 

Zertifizierung in drei Stufen

„Die Journalism Trust Initiative schaut ausschließlich auf Eigentümerschaft, Finanzierungsquellen etc. sowie auf Redaktionsprozesse: Wie mit Korrekturen umgegangen wird, werden Nachrichten und Meinungen getrennt?“, erklärt Olaf Steenfadt von Reporter ohne Grenzen. Die Prüfkriterien wurden mit Partnern auf der ganzen Welt erarbeitet, unter anderem mit Facebook und Google.
Die Zertifizierung erfolgt in drei Stufen. Zuerst beantworten die Medien einen Fragenkatalog: „Verfügt ihr Medium über klar definierte Grundsätze oder redaktionelle Werte?“ Oder: „Welche Einnahmen erzielt das Medium?“ Im zweiten Schritt veröffentlichen die Medien ihre Antworten.

Bisher sind nur wenige deutsche Redaktionen dabei

In einem dritten Schritt werden die Angaben durch Wirtschaftsprüfer kontrolliert. Bei kleineren Unternehmen sind dafür um die 3000 Euro fällig. Schwergewichte zahlen wesentlich mehr. Wenn alles gut läuft, darf sich das jeweilige Medium nach dem Test “vertrauenswürdige Quelle” nennen. 
Das geschützte Zertifizierungssiegel soll sich auch finanziell lohnen, so wird es zumindest versprochen: Werbetreibende können so sichergehen, dass sie in ethischen Journalismus investieren und ihre Reklame nicht neben Verschwörungstheorien landet. 
Einhundert europäische Medienhäuser machen bisher mit. In Deutschland ist ein dreiviertel Jahr nach dem Start der Initiative nur der "Spiegel" als großes deutsches Medienhaus dabei sowie die Redaktion der Onlineportale "web.de", "gmx" und "1&1".

Warum sollten die Medien dafür zahlen?

„Das ist ein ganz normaler Verzögerungseffekt. Das liegt sicherlich nicht an der Qualität der Initiative selbst“, sagt der Kommunikationswissenschaftler Stephan Weichert. „Die Frage ist allerdings, ob die 'Süddeutsche Zeitung' oder der 'Norddeutsche Rundfunk' es für nötig erachten, sich einen solchen Stempel von einer allgemeinen Zertifizierungsstelle abzuholen."
"Wahrscheinlich würde jedes dieser genannten Medien sagen: 'Brauchen wir nicht, denn unser Name steht für sich selbst.' Aber es wäre sicherlich – in die Zukunft gesehen – sinnvoll, dass, je mehr Medien da teilnehmen, dieses Bündnis umso stärker wird“, sagt Weichert.
Für den Kommunikationswissenschaftler stellt sich allerdings die Frage, warum die teilnehmenden Medien für die Zertifizierung bezahlt müssen, wo doch die EU ein Geldgeber der Stiftung ist. Auch sonst fehle es der Initiative an Transparenz:
„Wenn man auf die Website geht und versucht, zu verstehen, was die eigentlich machen, braucht man erst mal eine halbe Stunde, bis man das verstanden hat. Da scheitert man ein bisschen an seinem eigenen Anspruch, finde ich, dass klar ersichtlich sein muss: Was machen die denn eigentlich?“

Seriösen Journalismus leichter erkennen

Eine weitere wichtige Frage: Erreicht so ein Gütesiegel auch die Nutzenden? „Es ist nicht damit getan, die Leute mit Medienkompetenz umerziehen zu wollen. Das ist ein sehr langer und aufwendiger Prozess. Das wird auch ein Gütesiegel für Medien nicht lösen“, so Weichert.
Doch könne das Gütesiegel zur Aufklärung beitragen: "In den sozialen Medien Qualitätsinhalte auszuflaggen und deutlicher kenntlich zu machen, als das bisher der Fall ist, dazu wird es zunutze sein. Davon werden die Nutzer profitieren: Kenntlichkeit für journalistische Inhalte in den sozialen Medien zu erhalten.“
(Matthias Finger, nog)

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