Johanna Adorján: "Ciao"

Komik für die verbissenen Debatten der Zeit

10:39 Minuten
Johanna Adorján hält einen Regenschirm über sich.
Liebenswert und zugleich lächerlich: Das seien alle ihre Figuren in "Ciao", sagt Johanna Adorján. © picture alliance / TT NEWS AGENCY / DPR / Anders Wiklund
Johanna Adorján im Gespräch mit Frank Meyer · 07.07.2021
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Alter weißer Mann schreibt über junge Feministin: Mit dieser Grundkonstellation nimmt Johanna Adorján in ihrem Roman „Ciao“ aktuelle Debatten um Gender und Identität aufs Korn. In diese wolle sie mehr Leichtigkeit bringen, sagt die Autorin.
Ein älterer Journalist, eine sogenannte Edelfeder im Feuilleton, will ein Porträt über eine junge Feministin schreiben. Doch bei dieser Konstellation lauern einige Fallstricke: älterer Mann, junge Frau, Feminismus, zumal der Journalist nicht so ganz auf der Höhe der aktuellen Debatten ist.
Um diesen Hans Benedek geht es im neuen Roman "Ciao" der Journalistin und viel gelesenen Schriftstellerin Johanna Adorján. "Ist der Untergang des alten weißen Mannes beschlossene Sache oder sollte man mit dieser Spezies doch gnädig sein?", heißt es im Klappentext der Gesellschaftssatire.
Neben Hans Benedek gibt es auch zwei Frauen, eine in ihren 20ern, die anderen in ihren 40ern, beide Feministinnen, doch mit ihnen prallen auch sehr verschiedene Vorstellungen aufeinander.
"Ich glaube, dass wir in der größten gesellschaftlichen Umwälzung seit 1968 leben", sagt Adorján. Das zeige sich beispielsweise beim Gendern, aber auch daran, dass Minderheiten zu Wort kommen oder überhaupt gehört werden.
In ihrem Buch gehe es vor allem um diese Veränderung der Gesellschaft und um Menschen, die da nicht mehr mitkommen. Die ältere Feministin Henriette Benedek versucht, sich anzupassen. Doch dem erfolgsverwöhnten Hans Benedek falle das ein bisschen schwerer.

Zugleich liebenswerte und lächerliche Figuren

Das Buch ist geprägt von einem ironischen Blick auf alle Figuren. Sie finde alle Figuren in dem Buch liebenswert und zugleich lächerlich, sagt Johanna Adorján. Im wahren Leben sei es doch genauso: "Wir sind doch alle lächerlich in unseren Versuchen, uns einigermaßen anständig alles zurecht zu reden, dass wir schon alles richtig machen, genauso wie wir es machen."
Diese Debatten heute seien alle "sehr, sehr, sehr ernst und aufgeheizt". Es sei insgesamt eine sehr ernste und humorlose Zeit. "Man ist immer entweder böse oder gut oder für etwas oder gegen etwas."
Es sei ihr wichtig gewesen, da für sie selbst mal ein bisschen Komik und Leichtigkeit reinzubringen. Das habe sie in dem Zusammenhang bisher noch nicht gelesen.

Darf ein Mann über eine Frau schreiben?

In der Figur des Hans Benedek dreht Johanna Adorján reale Debatten, etwa die, wer einen Text übersetzen darf, noch weiter. Er darf keinesfalls alleine über die junge Feministin schreiben, entscheidet die Redaktionskonferenz seiner Zeitung, es müsse mindestens eine Co-Autorin dabei sein. Das sei das einzige Science-Fiction-Element in dem Buch. Aber es werde auf jeden Fall Realität werden.
"Wer darf über wen reden, ist ja eine große Frage der Zeit." In der Logik des Buches erschien es ihr plausibel, "dass einem berühmten feuilletonistischen Mann nicht mehr erlaubt wird, über eine junge Frau zu schreiben. Weil: Warum – mit einem Männerblick?" Aber momentan sei das noch Zukunftsmusik.
(abr)

Johanna Adorján: Ciao
Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2021
272 Seiten

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