Martin Kordić: "Jahre mit Martha"

Liebe und Diskriminierung

14:46 Minuten
Autor Martin Kordić blickt in die Kamera
Für seinen Debütroman "Wie ich mir das Glück vorstelle" erhielt Martin Kordić den Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis sowie die Alfred-Döblin-Medaille. Nun erscheint sein neues Werk. © Peter Hassiepen
Martin Kordić im Gespräch mit Frank Meyer · 19.09.2022
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In Martin Kordićs Roman "Jahre mit Martha" verliebt sich ein 15-Jähriger aus einer Einwandererfamilie in eine Professorin aus Heidelberg. Sie gibt ihm, was er sucht, seine Welt weitet sich. Doch wo verläuft die Grenze zwischen Begehren und Ausbeutung?
Željkos Eltern kamen aus Bosnien-Herzegowina nach Deutschland. Hier wird er von allen Jimmy genannt, das ist einfacher. Die Familie lebt zu fünft in einer Zweizimmerwohnung in Ludwigshafen, der Vater arbeitet unter der Woche auf Montage, die Mutter ist Putzfrau.
Željko wird immer wieder in der Schule und anderswo mit einer Botschaft konfrontiert: "Du gehörst hier nicht hin." In Martin Kordićs neuem Roman "Jahre mit Martha" geht es um die Klassengesellschaft und um Menschen mit Migrationshintergrund. Der Autor spricht über eine Szene im Roman:
"Das ist ein Dialog mit seinem Bruder. Željko will ein gutes Abitur machen und es an eine Universität schaffen. Als er seinem Bruder davon erzählt, haben sie eine Auseinandersetzung und der Bruder sagt ihm: 'Das ist nichts für Kinder wie uns.' Die Tatsache, dass gesellschaftliche Ressentiments so sehr in die Familie eingedrungen sind, macht Željko wütend."

Balanceakt einer verbotenen Liebe

Als Željko 15 Jahre alt ist, verliebt er sich. Martha ist 20 Jahre älter als er und Hochschulprofessorin, er jobbt bei ihr. "Das war ganz schwierig, beim Schreiben die Balance zu halten", sagt Kordić. "Was ich immer wieder versucht habe, ist ganz nah bei Željko zu bleiben. Von Martha selbst erfährt man gar nicht so viel. Über nahezu jeder Szene zwischen den beiden steht die Frage: Tut sie ihm eigentlich gut oder nicht?"
Über die Jahre hinweg wird Željko immer wieder diskriminiert, wie von dem Berufsberater am Gymnasium, der ihm trotz guter Noten empfiehlt, Gärtner zu werden. Trotzdem bleibt "Jahre mit Martha" ein Roman, der ohne viel Wut über die Ungerechtigkeiten der Gesellschaft auskommt. Denn Kordić erzählt von einer Figur, die schließlich mit sich und der eigenen gesellschaftlichen Position zufrieden ist.

Martin Kordić: "Jahre mit Martha"
S. Fischer, Frankfurt am Main
288 Seiten, 24 Euro

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