Marcel Atze, Tanja Gausterer (Hrsg.): "Im Schatten von Bambi. Felix Salten entdeckt die Wiener Moderne. Leben und Werk"
Residenz Verlag, Salzburg und Wien 2020
495 Seiten, 34 Euro
Eine schillernde intellektuelle Figur
06:45 Minuten
"Bambi" war ursprünglich nicht als Kinderbuch gedacht und Felix Salten weitaus mehr als nur der Erfinder der von Disney verfilmten Tiergeschichte. Ein umfangreicher Band würdigt den österreichisch-ungarischen Schriftsteller und Feuilletonisten.
Wenn man ihn kennt, dann vermutlich im Zusammenhang mit einem Walt-Disney-Film: Als 1942 "Bambi" in den USA in die Kinos kam, lebte der Schöpfer der Geschichte eines kleinen Rehs im Schweizer Exil. Felix Salten war da Anfang Siebzig und hatte nur noch wenige Jahre zu leben.
Anlässlich seines 75. Todestages wurde Salten in diesem Jahr mit einer großen Ausstellung im Wiener Rathaus geehrt. Der dazu erschienene Begleitband ist eine umfangreiche und beeindruckende Materialsammlung zu Werk und Leben des Autors: Zeitdokumente, Faksimiles, Fotografien, Plakate, Tagebuchauszüge und Handschriften sind hier versammelt, aus Privatbesitz, Beständen der Wiener Museen, Institutionen wie dem Literaturarchiv Marbach oder dem Österreichischen Staatsarchiv.
Anlässlich seines 75. Todestages wurde Salten in diesem Jahr mit einer großen Ausstellung im Wiener Rathaus geehrt. Der dazu erschienene Begleitband ist eine umfangreiche und beeindruckende Materialsammlung zu Werk und Leben des Autors: Zeitdokumente, Faksimiles, Fotografien, Plakate, Tagebuchauszüge und Handschriften sind hier versammelt, aus Privatbesitz, Beständen der Wiener Museen, Institutionen wie dem Literaturarchiv Marbach oder dem Österreichischen Staatsarchiv.
Mit zahlreichen Aufsätzen verschiedener Wissenschaftler zu Saltens Biografie, seinen unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern und seinem Einfluss auf Kunst und Kultur seiner Zeit ist "Im Schatten von Bambi" eine fünfhundertseitige Würdigung und Neuentdeckung dieser Persönlichkeit, die bislang überwiegend "im Schatten Bambis" wahrgenommen wurde.
Chefredakteur in Berlin
Natürlich war "Bambi" wichtig, nicht zuletzt, weil der Autor, dessen Bücher von den Nazis in den 1930er-Jahren verboten wurden, im Schweizer Exil sein Dasein mit Tantiemen der Übersetzungen und der Verfilmung fristete. Schon Anfang der 1920er-Jahre war das Buch erschienen. Weltruhm brachte es seinem Autor aber erst einige Jahre später, als er zum Zsolnay Verlag wechselte und die Übersetzung dieses Klassikers, der keineswegs als Kinderbuch gedacht war, in den USA erschien.
Anthropomorphisierende Tierbücher waren ein Markenzeichen des Autors. Salten, der vom Schreiben lebte, war Feuilletonist. Er schrieb vor allem für Wiener Blätter, bevor er 1906 als Chefredakteur zu Ullstein nach Berlin wechselte und für die "BZ am Mittag" und die "Morgenpost" verantwortlich war. Aber Wien, die Stadt seiner Kindheit, Kapitale der Habsburgermonarchie, war ihm näher als die preußische Metropole. In Wien hatte er sein künstlerisches Netzwerk, dort fand er das intellektuelle Klima, in dem er über Theaterpremieren und Kultur schrieb.
Pornographische Novelle
Er ohrfeigte Karl Krauss, als dieser seine Affäre mit der Burgschauspielerin Ottilie Metzl – Saltens zukünftiger Ehefrau – publik machte. Doch er war auch ein "Moderner", der in kollegialer Konkurrenz mit Hermann Bahr im Rahmen der Gruppe "Jung Wien" und der Zeitschrift "Die Zeit" an einer Neuorientierung der Kunst zum Ende des 19. Jahrhunderts arbeitete. In Wien gründete Salten selbst ein Theater, er verfasste Stücke, später Drehbücher. Und eine große Anzahl Novellen und Erzählungen.
Die Salten zugeschriebene Verfasserschaft der "Josefine Mutzenbacher" wird in diesem Band noch einmal genau untersucht – und letztlich nicht bestätigt. Quasi zur Entschädigung ist aber eine in der Handschriftensammlung der Wienbibliothek aufgefundene pornographische Novelle erstmals abgedruckt. Und so verbindet dieser Band schön und anregend Bekanntes, Geglaubtes und Neues. Er zeigt Felix Salten als schillernde Figur seiner Zeit, deren Strömungen und Konflikte sich in Werk und Leben des Autors brechen.