Claudia Roth ein Jahr im Amt

Staatsministerin für Symbolpolitik

05:01 Minuten
Claudia Roth. Eine ältere Frau mit kurzen hellen Haaren und Brille steht an einem Pult und hält eine Rede.
Claudia Roth am 15. November im Ausstellungshaus für Gegenwartskunst Hamburger Bahnhof in Berlin. Jürgen König findet, die Grünen-Politikerin sei eine gute Rednerin. Zugleich wirft er die Frage auf, was jenseits der Festreden geschieht. Denn zu tun gebe es genug. © picture alliance / dpa / Annette Riedl
Von Jürgen König · 28.11.2022
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Ein Jahr ist Claudia Roth nun Staatsministerin für Kultur und Demokratie. Unser Kultur-Korrespondent im Hauptstadtstudio zieht eine sehr gemischte Bilanz: Sie mache vor allem Symbolpolitik, Wichtigeres bleibe liegen, kommentiert Jürgen König.
Kulturpolitik sei Gesellschaftspolitik, sagte Claudia Roth im Februar in einem Interview mit dem Berliner „Tagesspiegel“, sprach von einem „Aufbruch in die Wirklichkeit unserer Einwanderungsgesellschaft“.
Ihr Amt wolle sie ausrichten als „Staatsministerin für Kultur und Demokratie“, beides gehöre für sie zusammen. Wer wollte dem widersprechen!

Gute Stichworte einer guten Rednerin

Wie ernst es ihr damit war, zeigte sich nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, als Claudia Roth schnell reagierte, Hilfen zusagte und ukrainische und russische Künstlerinnen und Künstler ins Kanzleramt einlud.
Auch in ihren Reden brachte die Staatsministerin für Kultur und Medien viele gute Stichworte: zur Erinnerungskultur einer Einwanderungsgesellschaft, zu den Erinnerungskulturen Ost und West, die zusammenzuführen seien, zur Dekolonisierung; zu Nachhaltigkeit und Green Culture, zu Geschlechtergerechtigkeit, Teilhabe und Diversität, zur Kunstfreiheit, die sie „wie eine Löwin verteidigen“ wolle.
Claudia Roth ist eine gute Rednerin, spricht oft frei, wenig staatstragend – das hat etwas Erfrischendes. Allein: Jenseits der Festreden war von Claudia Roth oft genug wenig zu sehen und zu hören.

Jenseits der Festreden wenig

Zur documenta-Debatte etwa tauchte sie ab, gerade hier hätte man sich eine „Große Rede“, die Klarheit schafft, gewünscht.
Mit den Corona-Hilfen für Kulturschaffende und Kreative setzte Claudia Roth fort, was ihre Amtsvorgängerin Monika Grütters auf den Weg gebracht hatte, doch wirklich ehrgeizig wirkte – etwa bei der Entwicklung neuer Finanzhilfen zum Ausgleich von Inflation und Energiekrise – vor allem Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil, nicht Claudia Roth.
Erst im Oktober wurde mit Michael Kellner ein Ansprechpartner für die Kultur- und Kreativwirtschaft benannt. Die angekündigte Anlaufstelle „Green Culture“ für einen ökologischen Umbau der Kultur- und Medieneinrichtungen lässt auf sich warten, soll nun im nächsten Jahr geschaffen werden.

Kein Plan beim Kulturpass

Der „Kulturpass“ für 18-Jährige wurde mit großem Bohei vorgestellt: Doch weil die Kulturstaatsministerin keinen Plan vorlegen konnte, wie das Projekt konkret umgesetzt werden soll, hat der Haushaltsausschuss des Bundestages die dafür vorgesehenen 100 Millionen Euro erst mal gesperrt.
Notwendige Energiesparmaßnahmen beim Neubau des „Museums des 20. Jahrhunderts“ in Berlin hatte der Bundesrechnungshof schon im März 2021 angemahnt. Während die Architekten über Lösungsmöglichkeiten nachdachten, trat im Dezember des Jahres Claudia Roth ihr Amt an – doch erst vor zwei Wochen kündigte sie an, zehn Millionen Euro für die erforderlichen Energiesparmaßnahmen bereitzustellen; die konkreten Pläne dazu sollen erst im Frühjahr vorgestellt werden – was mit großer Wahrscheinlichkeit heißt, dass der Bau nicht wie vorgesehen 2026 fertig sein wird und die geplanten 364 Millionen Euro für den Bau nie und nimmer reichen werden.

Konzeptlosigkeit im Handeln

Die Konzeptlosigkeit ihres kulturpolitischen Handelns ist die große Schwäche der Staatsministerin Claudia Roth. Nach einem Jahr im Amt zeigt sich, dass viele der großen Themen bislang nicht angegangen wurden: 
Grundzüge einer Neuausrichtung von Kino- und Filmförderung wurden verschoben; über die Frage des Bibel-Texts auf der Kuppel des Humboldt Forums stieß Claudia Roth eine intensive Debatte an – als ob Deutschland derzeit nicht Wichtigeres zu diskutieren hätte –, doch über die Verwaltungsstruktur des Hauses gibt es nur die vage Idee.
Die Stiftung Humboldt Forum, die den Betrieb, die Veranstaltungen und die Wechselausstellungen des Hauses organisiert, soll in die Stiftung Preußischer Kulturbesitz integriert werden – dabei hatte ein Gutachten des Wissenschaftsrates 2020 deren Auflösung empfohlen; Monika Grütters war der Empfehlung nicht gefolgt, berief ein Gremium, das eine Verwaltungsreform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz erarbeiten soll.
Doch Claudia Roth kehrte erst mal zu symbolischen Grundsatzfragen, etwa über den Namen der Preußen-Stiftung, zurück. In der Diskussion über eine größere Autonomie der in der Stiftung zusammengefassten Museen, über deren Finanzierung und Personalausstattung gab es keine Fortschritte: nur Stillstand.
So fällt die Bilanz mager aus: viele Überschriften, wenig Konkretes. Aus der „Staatsministerin für Kultur und Demokratie“ muss dringend eine für praktiziertes Verwaltungshandeln werden: Sonst bleibt sie nur eine Staatsministerin für Symbolpolitik.

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