Gesa Ufer liest Silvester-Songs

Vom "Final Countdown" zum Kondom im Fondue

Von Gesa Ufer · 31.12.2015
Das Fest der Liebe liegt hinter uns - und damit auch der akustische Terror, der jedes Jahr auf Weihnachtsmärkten und in Einkaufszentren verbreitet wird. Und jetzt? Gibt es eigentlich auch Silvester-Ohrwürmer? Gesa Ufer hat sich auf die Suche gemacht.
Ach, die glücklichen Österreicher, die haben ihren Walzer, und heute Nacht pünktlich um 0.00 Uhr wird die ganze Nation, vom Säugling bis zur Großmutter, wieder im ¾-Takt ins neue Jahr schwofen.
Hierzulande gilt als wohl erfolgreichste Silvesterweise – das weitgehend sinnfreie "Final Countdown" der skandinavischen Hardrock-Band Europe. Wahrscheinlich wegen des hymnischen Synthesizers und der Raketen-Metapher, zu der vornehmlich Besucher von Großraum-Partys gerne steil gehen.
Bei den Silvester-Klassikern dominiert überraschend Endzeitstimmung
Bei anderen Silvester-Klassikern überwiegt überraschend häufig Kater- oder sogar Endzeitstimmung. Abba besingen 1980 in "Happy New Year" nicht nur das Ende einer Party, sondern auch das einer Utopie. Wer nicht mehr zu träumen wagt, singen die Schweden, kann sich eigentlich gleich hinlegen und sterben.
No more champagne
And the fireworks are through
Here we are, me and you
Feeling lost and feeling blue
It's the end of the party
And the morning seems so grey
So unlike yesterday
Now's the time for us to say ...
Happy new year
Happy new year
May we all have a vision now and then
Of a world where every neighbour is a friend
Happy new year
Happy new year
May we all have our hopes, our will to try
If we don't we might as well lay down and die
You and I
So wie Abba in ihrem Song die Frage umtreibt, was wohl in zehn Jahren – in diesem Fall also 1989 – sein wird, so produzierte Prince 1982 einen Endzeit-Partyhit, in dem er tut, als wär´s das Jahr 1999 und das letzte Stündlein hätte geschlagen. Im Angesicht des Wettrüstens und einer nuklearen Apokalypse fordert er zum letzten wilden Tanz auf.
Yeah, everybody's got a bomb
We could all die any day
But before I'll let that happen
I'll dance my life away
They say two thousand zero, zero, party over,
Oops, out of time!
(We're runnin' outta time)
So tonight we're gonna party like it's 1999!
Auch beim Silvester-Thema agiert Rainald Grebe gewohnt schonungslos
Durch und durch optimistische Party-Stimmung fehlt im klassischen Silvester-Song. Da machen deutsche Bands keine Ausnahme:
Die Hamburger Band Tocotronic zum Beispiel zitiert in "Dieses Jahr" Neil Youngs Ode an die Rockmusik. Doch während der sich wünscht, der Rock´n Roll möge nie sterben, liefern Tocotronic schlecht gelaunt DAS Jahres-Resümee für alle Vollblut-Defaitisten und Silvesterhasser:
Hey, hey my my
Manchmal wünschte ich mir, dieser Quatsch wär' längst vorbei
Und es kommt mir so vor, als wenn dieses Jahr länger als zwölf Monate war.
Unvergessen auch die ebenfalls aus Hamburg stammende Band Stella mit ihrem wütenden Jahresabgesang in lupenreinem Pidgin-Englisch:
So keep your translaters away from me
"Let´s forget all about this year"
Und um Mitternacht sind wir wieder am Gleis
Ich wünsch den Deutschen alles Schlechte
Wir befinden uns in einem Zug Richtung Norden
Wenn Ihr mehr wissen wollt, kauf die Rechte!
Noch gehört diese Geschichte mir ...
Let´s forget all this year – Let´s ...
Gewohnt schonungslos nimmt sich auch der Kabarettist Rainald Grebe der Silvester-Sitten und –gebräuche an:
Erster Januar, sechs Uhr früh – da liegt ein Kondom im Fondue. War´n schönes Silvester ...
Wir halten fest: Der durch und durch optimistisch-gutgelaunte Song zum Jahreswechsel muss noch geschrieben werden.
Möge sich Rainald Grebes Orakel möge trotzdem bewahrheiten:
Schönes, neues Jahr! Hier spricht Ihr Glückskeks
es wird wunder, wunder, wunder, wunder, wunderbar.
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