Gesa Ufer liest Musik

Die Zeit der Späßchen ist vorbei

Tarek Ebéné, Sänger der Band K.I.Z., auf dem Hurricane Festival.
Tarek Ebéné, Sänger der Band K.I.Z., auf dem Hurricane Festival. © dpa / picture alliance / Daniel Reinhardt
Von Gesa Ufer · 16.07.2015
Die Partyrapper von K.I.Z. sind für ihre ironisch-satirischen Texte bekannt. Den Spaß lassen sie nun hinter sich - und werden politisch. Gesa Ufer hat den gleichnamigen Titelsong des Albums "Hurra, die Welt geht unter" gehört und gelesen.
Ihr Markenzeichen ist – mehr pubertärer Humor geht kaum – der "Notenständer": ein erigierter Penis mit Notenschlüssel, der als Provokation bestenfalls auf irgendwelchen Schulklos funktioniert. Albumtitel wie "Sexismus gegen Rechts" oder "Böhse Enkelz" lassen K.I.Z. mit ihrem neuen Album "Hurra, die Welt geht unter" Späßchen, Ironie und Satire weitgehend hinter sich. Im Gegenteil: Die Partyrapper gehen mit überraschend großem politischen Ernst ans Werk.
"Kleidung ist gegen Gott, wir tragen Feigenblatt
Schwingen an Lianen über'n Heinrichplatz
Und die Alten erzählen vom Häuserkampf
Beim Barbecue in den Ruinen der Deutschen Bank."
K.I.Z. führen uns in diesem Song in ein Berlin nach einer atomaren Katastrophe. Die allerdings sorgt für ähnlich reinen Tisch wie einst die Sintflut. Einer Art Sintflut, die die Menschen für immer von ihren politischen Sünden reingewaschen hat: Sexismus, Nationalismus, Kapitalismus, Religion. Das alles ist verschwunden wie ein böser Spuk. Die befreiten Überlebenden können aufatmen und feiern.
"Und wir singen im Atomschutzbunker
Hurra, diese Welt geht unter!
Hurra, diese Welt geht unter!
Hurra, diese Welt geht unter!"
K.I.Z.s Vision erinnert an Gerhard Seyfrieds Sponti-Comic "Invasionen aus dem Alltag", einem Kultbuch aus dem Jahr 1981, das von der Detonation einer Anarchie-Bombe erzählt, die den Planeten Erde unregierbar gemacht hat und damit für paradiesische Zustände sorgt.
"Unsere Haustüre müssen keine Schlösser mehr haben
Geld wurde zu Konfetti und wir haben besser geschlafen
Ein Goldbarren ist für uns das gleiche wie ein Ziegelstein
Der Kamin geht aus, wirf noch 'ne Bibel rein
Die Kids gruseln sich , denn ich erzähle vom Papst
Dieses Leben ist so schön, wer braucht ein Leben danach?"
Vorbote einer Revolution
Ist die bei K.I.Z. besungene Utopie tatsächlich, wie manche sagen, der Vorbote einer Revolution, eines kommenden Aufstands – so wie ihn das unsichtbare Komitee, die anarchistische, anonym gebliebene Gruppe aus Frankreich vor einiges Jahren in ihrem Manifest vorausgesagt hat?
"Weißt du noch als wir in die Tische ritzten in den Schulen
'Bitte Herr vergib Ihnen nicht, denn sie wissen was sie tun'
Unter den Pflastersteinen wartet der Sandstrand
Wenn nicht mit Rap, dann mit Pumpgun."
Immerhin zitieren die sonst ideologiescheuen K.I.Z. in ihrem Text fast wörtlich die französischen Situationisten, singen vom Paradies, das aus Trümmern erwächst und dem oft beschworenen Strand unterm Asphalt. Ihn freizulegen, dazu brauche es heute die gleichen Strategien wie ehedem: Multikonzerne zerschlagen, kleinkarierte Mutter-Vater-Kind-Konstellationen aufbrechen, Militär, Papst und Kirche abschaffen – und zwar pronto.
"Es gibt kein' Knast mehr, wir grillen auf den Gefängnisgittern
Verbrannte McDonald's zeugen von unsern Heldentaten
Seit wir Nestlé von den Feldern jagten
Schmecken Äpfel so wie Äpfel und Tomaten nach Tomaten
Und wir kochen unser Essen in den Helmen der Soldaten."
In Gerhard Seyfrieds Anarcho-Comic-Bestseller aus den 80ern war die ganze schöne Utopie nur der Traum einer Freak-WG, die über dem lahmen Fernsehprogramm eingeschlafen war und am Endes der Geschichte bei den frustrierenden Spätnachrichten aufwacht und wieder ganz im ollen Diesseits ankommt. Dort ist auch K.I.Z. längst angekommen.
Seit Schließung des kleinen Berliner Straßenlabels Royal Bunker sind die Rapper beim mächtigen Major-Label Universal unter Vertrag und verdienen gutes Geld. Als Propheten einer postkapitalistischen Hippie-Ära haben sie sich damit disqualifiziert. So schön K.I.Z. über die reinigende Kraft des Weltuntergangs singen, ob ausgerechnet sie zu den Guten gehören, die ihn überleben würden?
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