Bild- und Textband zur Kernforschung

„Wir müssen das Narrativ der Atomkraft ändern“

13:47 Minuten
Abbildung eines Kernforschungszentrums, aus dessen Seite Feuer austritt.
Viele der Aufnahmen im Buch zeigten Simulationen, erklärt Susanne Kriemann, Mitherausgeberin. © Spector Books
Susanne Kriemann und Martin Repohl im Gespräch mit Frank Meyer · 03.02.2022
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Ist Atomenergie nachhaltig, wie es die Europäische Kommission seit Neuestem sieht? "Nein", sagen ganz klar die Macher eines Bands zur Kernforschung. Das Werk versammelt teilweise irritierende Archivbilder aus einem Forschungszentrum.
Die Europäische Kommission hat jüngst ein Klimasiegel für Atomenergie und Gas beschlossen. Sie ordnet Atomenergie nun als nachhaltig ein. In dem vor Kurzem erschienenen Bild- und Textband „10% - Das Bildarchiv eines Kernforschungszentrums betreffend“ geht es auch um Atomenergie – genauer um das Kernforschungszentrum Karlsruhe (KfK) und dessen Bildarchiv.
Gleich das Foto auf dem Buchumschlag zeigt eine irritierende Szene: Es ist ein Gebäudekomplex zu sehen und aus einem Teil lodert ein Feuer und es steigt eine Rauchwolke auf. Einige Menschen stehen vor dem Gebäude und schauen sich die Szene interessiert an. Das sei eine Betonschmelzanlage, erklärt Susanne Kriemann, Künstlerin und Professorin für künstlerische Fotografie an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Sie ist eine der Mitherausgeberin des Buchs. Dort werde simuliert: „Wenn eine Kernschmelze passiert, wie würde sich der Beton verhalten?“ Viele der Aufnahmen im Bildarchiv des KfK zeigten Simulationen. In dem Buch gehe es darum: „Wie stellt man Kernforschung über eine lange Zeit von Jahren dar“, so Kriemann.

Der Mensch als Gott?

Das Projekt habe 2017 mit einem Seminar an ihrer Hochschule begonnen, wo sie mit Studierenden dieses Archiv des Kernforschungszentrums durchforsten wollte. Dort sind mehr als 200.000 Aufnahmen aus der Geschichte dieses Kernforschungszentrums gesammelt. Zehn Prozent davon wurden digitalisiert – daher der Name des Bandes. Durch diese Digitalisierung habe man sich „völlig in dieses Bildarchiv fallen“ lassen können. In dem Buch sind Hunderte Fotos daraus zu sehen, daran schließen sich 36 Texte von Autorinnen und Autoren an.
Einen dieser Texte hat der Soziologe Martin Repohl geschrieben, außerdem hat er Bilder für das Buch ausgesucht. Die Fotos in dem Band zeigten für ihn „was man das Wesen der Atomkraft nennen könnte“. Und dabei gehe es neben der Beherrschung der Materie auch darum, „dass der Mensch sich die Gesetze des Universums zunutze macht, um Energie zu erzeugen und damit selbst zu einer Art Gott wird“. Das zeige sich zum Beispiel auch in der Architektur der AKWs, die mit der Kuppel über dem Reaktor an Kathedralen erinnerten.

Steigendes Risiko durch Narrativ des Fortschritts

Susanne Kriemann schreibt in dem Band über ihre Wut angesichts des Narrativs, das immer wieder wiederhole: „Kernenergie ist sauber, Kernenergie ist sicher.“ Der Gedanke des „schneller, größer, weiter, mehr Elektrizität“ bedeute auch, „dass wir viel größere Risiken schaffen für die Welt und auch gleichzeitig eben Gefahren für jeden von uns schaffen“. Sie wolle darauf hinweisen, "dass die Risikogesellschaft, die Gefahrengesellschaft, in der wir leben, sich exponenziell erhöhen wird, wenn wir dieses Narrativ des Fortschritts nicht ändern".
Mit der Entscheidung der EU-Kommission, künftig Atomkraft als "grün" einzustufen, sind Susanne Kriemann und Martin Repohl nicht einverstanden.
(abr)

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