Wegen BDS-Unterstützung

Kein Dramatikerpreis für Caryl Churchill

08:56 Minuten
Die britische Autorin Caryl Churchill steht mit einem Getränk in der Hand vor anderen Personen
Caryl Churchill steht wegen Unterschriften im Zusammenhang mit der Israel-Boykottbewegung BDS und einem ihrer Stücke in der Kritik. © Getty Images / David M. Benett
Christian Gampert im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 01.11.2022
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Die Britin Caryl Churchill erhält den Europäischen Dramatikerpreis nun doch nicht. Recherchen brachten ihre Unterstützung für den BDS zutage, auch ihre Stücke seien problembehaftet. Unser Theaterkritiker begrüßt die Jury-Entscheidung.
Der mit 75.000 Euro dotierte Europäische Dramatiker:innen Preis 2022 wird in diesem Jahr ausgesetzt. Das Schauspiel Stuttgart verleiht ihn nun doch nicht der 84-jährigen Theaterautorin Caryl Churchill für ihr Gesamtwerk. Die Jury habe von Unterschriften der Autorin im Zusammenhang mit der Israel-Boykottbewegung BDS erfahren. "Außerdem gibt es das Stück 'Seven Jewish Children', das antisemitisch wirken kann", teilte das Schauspiel Stuttgart mit – sechs Monate nach der Preisverkündung.
Möglicherweise habe sich die Jury nicht ausreichend kundig gemacht, sagt unser Theaterkritiker Christian Gampert. "Wenn man jemanden hervorgehoben für seine politische Haltung auszeichnet, dann sollte man diese Haltung auch kennen." Über die Recherche des Journalisten-Blogs Ruhrbarone sei die Jury nun auf die "traurige Wirklichkeit" gestoßen worden.
Gampert zufolge hantiert das Kurzstück "Seven Jewish Children" mit sehr vielen antisemitischen Klischees und spricht Israel schuldig. Als Stück einer innerisraelischen Diskussion wäre es in Ordnung, so Gampert, nicht allerdings in diesem europäischen Kontext eines Europäischen Theaterpreises. "Da wirkt das als ein Stück gegen Israel und gegen Juden an sich."

Warum Künstler für Haltungen auszeichnen?

Caryl Churchill kommt laut Gampert aus der englischen Linken und die sei bis weit in die Labour Party hinein "sehr antisemitisch". Weiter erklärt Gampert: "Und wenn Caryl Churchill für den BDS unterschreibt oder Kolleginnen den Rücken stärkt, die verbieten wollen, ihre Bücher ins Hebräische übersetzen zu lassen, dann muss man sagen, das kann doch nicht wahr sein."
Er hätte sie "auch als Theaterautorin nicht ausgezeichnet", so Gampert. "Seit vielen Jahren hat sie nichts mehr vorgelegt, was wirklich Substanz hat." Sie habe gutes Handwerk, aber letztlich sei ihr Theater nur "Vehikel, um politische Haltungen zu transportieren". Das sei im Theater nicht genug. "Es reicht also auch rein künstlerisch nicht für diesen Preis."
Er verstehe nicht: "Warum müssen wir Künstler eigentlich immer für Haltungen auszeichnen? Wir wollen doch, dass sie gutes Theater machen. Das ist hier nicht der Fall und die politische Haltung stimmt auch nicht."

BDS-Sympathisant nun ZKM-Direktor

Für Christian Gambert reihen sich die aktuellen Geschehnisse um den Preis für Dramatikerinnen und Dramatiker ein in einen größeren Zusammenhang. Er sagt: "Die Geschichte der württembergischen Kulturpolitik ist eine Geschichte des Versagens."

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Dazu gehöre auch, dass die jetzige Kunstministerin Baden-Württembergs, Petra Olschowski – die in der Preis-Jury saß – als Staatssekretärin den englischen Kurator Alistair Hudson, der als BDS-Sympathisant aufgefallen ist, zum neuen Direktor des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) Karlsruhe berief. Mit Blick auf den Dramatikerpreis fügt Gambert hinzu: "Petra Olschowski saß in der Jury, sie muss wissen, wen sie da ausgezeichnet hat. Ich bin gespannt, wie lange sie im Amt bleibt."
Ursprünglich sollte der Preis im Rahmen eines Festwochenendes vom 18. bis 20. November im Schauspielhaus der Stuttgarter Staatstheater an Caryl Churchill verliehen werden.
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