Doku-Reihe "The Me You Can’t See"

Wenn die Kamera die Therapiesitzung begleitet

11:56 Minuten
Prince Harry mit Kappe.
Prinz Harry lässt sich in "The Me You Can’t See" mit der Kamera bei seiner Psychotherapie begleiten. © Apple TV+
Jakob Müller im Gespräch mit Gesa Ufer |
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In der Doku-Reihe "The Me You Can’t See" von Apple TV spricht Prinz Harry über seine psychischen Probleme. Die Serie überschreite einige Grenzen, trage aber auch zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen bei, sagt Psychotherapeut Jakob Müller.
Porträts von verschiedenen Menschen zum Beispiel von Lady Gaga oder Prinz Harry, die eine psychische Krise hatten und einen Einblick in ihr persönliches Erleben geben - das zeigt die Doku-Reihe "The Me You Can't See", die abrufbar beim Streaminganbieter Apple TV ist. Prinz Harry lässt sich sogar bei seiner Psychotherapie filmen. Am Ende offenbart auch Oprah Winfrey etwas von ihrer Geschichte und ihrem psychischen Leiden.
Wenn sich Showbusiness und Psychotherapie miteinander verbinden, sei immer die Gefahr da, dass bloß der Voyeurismus bedient werde, sagt Jakob Müller. Er ist Psychotherapeut und Macher des Podcasts "Rätsel des Unbewussten".
"Die Therapie ist der letzte Raum der Privatsphäre und da bin ich immer etwas skeptisch, wenn man auch dort eindringen und etwas Sensationelles zeigen will. Ich als Therapeut hätte ein ziemliches Problem damit, eine Kamera im Therapieraum zu haben", sagt Müller. Schließlich sei der Therapieraum ein Schutzraum, in dem man Dinge sagen könne, die man sonst nie ausspreche.

Hinter jeder Krankheit stehen menschliche Schicksale

Die Serie zeige auch ein Kind aus Syrien bei seiner Traumatherapie. "Das ist schwer erträglich und überschreitet die Grenze", sagt Müller. Anderseits gelinge der Doku-Reihe psychische Erkrankungen zu entstigmatisieren.
"Wenn man eine Grippe hat, geht man zum Hausarzt. Und deswegen muss man sich auch nicht schämen, wenn man eine Depression hat, dass man dann zum Therapeuten oder zur Therapeutin geht. Und ich denke, da ist ein Fallstrick, nämlich dass man aus den Augen verlieren kann, dass psychische Erkrankungen mit unserem Leben, wie wir aufwachsen, aber auch der Gesellschaft, in der wir leben, zu tun haben", erklärt Müller. Hinter jeder Krankheit stehen Menschen und deren Geschichten und das sei eine Stärke der Reihe: Sie versuche diese Geschichten und diese Hintergründe nachzuzeichnen, so Müller.

Die Wichtigkeit der Psychotherapie

Mental Health erscheint derzeit auch ein Trendthema zu sein, über das viel berichtet wird und unzählige Formate oder Filme widmen sich dem. Es sei wichtig, über psychische Erkrankungen aufzuklären, sagt Müller. Es sei aber genauso wichtig, über Psychotherapie aufzuklären.
"In Deutschland ist die therapeutische Versorgungslage im Vergleich mit anderen Ländern besser, aber keinesfalls gut", bemängelt Müller. Psychotherapie sei kein "Reparaturbetrieb" von bestimmten Symptomen. "Wir als Psychotherapeuten und -therapeutinnen rapieren keine Autos und wir arbeiten auch nicht in Rastern und wir arbeiten auch nicht mit Störungen, sondern mit Menschen und mit ihren Leiden und Geschichten", sagt Müller.
(nho)
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