Digitale Gewalt

Was hilft gegen Cybermobbing?

Grafik: Eine Person sitzt vor einem Rechner, hält ein Smartphone in der Hand und liest digitale Nachrichten.
Jugendlich Täter:innen seien sich oft gar nicht bewusst darüber, was sie mit ihrer digialen Gewalt bei den Opfern auslösen, sagt Uwe Lees vom Bündnis gegen Cybermobbing. © imago / Ikon Images / Pablo Blasberg
06.10.2023
Junge Menschen belästigen und bedrohen andere Jugendliche im Internet. Frankreich und Großbritannien planen deshalb ein Handyverbot an Schulen. Wie geht man in Deutschland gegen Cybermobbing vor?
Allein in Deutschland sind laut dem Bündnis gegen Cybermobbing 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche mindestens schon einmal von Cybermobbing betroffen gewesen.
In Spanien sorgte im September ein Fall für großes Aufsehen: Schüler sollen dort Fotos von ihren Klassenkameradinnen mithilfe von künstlicher Intelligenz verändert haben und als Nacktfotos in Klassenchats bei WhatsApp geteilt haben.
In Frankreich werden aktuell Gesetzesvorhaben vorangetrieben, nachdem mehrere Jugendliche nach Mobbingattacken Suizid begangen hatten. In Großbritannien hat die Regierung angekündigt, wegen Störungen im Unterricht und Mobbing Handys aus den Schulen zu verbannen.
Bereits im Juli hatten die Niederlande ein Verbot angekündigt, das im nächsten Jahr gelten soll. Und auch in Deutschland wird über schärfere Maßnahmen gegen das digitale Mobbing nachgedacht. So hat die CDU kürzlich ein Handyverbot an Grundschulen gefordert.

Was ist Cybermobbing?

Cybermobbing ist eine Form der digitalen Gewalt, die vor allem Jugendliche und junge Erwachsene betrifft. Eine Person wird dabei in sozialen Medien, in Messenger-Diensten oder Foren von einem oder mehreren Täter:innen beleidigt, bloßgestellt, belästigt, und/oder bedroht.
Auf der Internetseite des Projektes „Aktiv Gegen Digitale Gewalt“ heißt es dazu: „Cybermobbing oder auch Cyberbullying sind Bezeichnungen für systematisches Schikanieren und Quälen von Personen über einen längeren Zeitraum unter Verwendung digitaler Kommunikationsmedien.“ Cybermobbing ist nicht gleichzusetzen mit Hatespeech, also Hassrede, oder Cyberharassment, also Belästigung im Internet.

Wie verbreitet ist Cybermobbing?

Laut einer Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing aus dem vergangenen Jahr sind 38,1 Prozent Schülerinnen und Schüler mindestens einmal von Mobbing im Internet betroffen gewesen. Im Jahr 2020 waren es noch 37,6 Prozent. Mädchen sind dabei häufiger betroffen als Jungen.
Uwe Leest, Vorstandsvorsitzender des Bündnisses, spricht von einem „Virus Cybermobbing“, der sich in den letzten Jahren immer weiter verbreitet habe. Oft seien sich jugendliche Täter und Täterinnen gar nicht bewusst, dass sie mitunter eine Straftat begehen, und was sie bei den Opfern auslösen.
Durch KI und Deep Fake würden die Gefahren für junge Menschen und die Gesellschaft noch viel gravierender werden, warnt Leest. „Hier muss die Schule, muss die Gesellschaft, muss die Politik handeln.“

Wo gibt es Hilfe gegen Cybermobbing?

Bei digitaler Gewalt helfen Betroffenen Vereine wie Cybermobbing Hilfe und das Bündnis gegen Cybermobbing. Das Bundesfamilienministerium hat zudem Hinweise zusammengestellt, was Eltern und Jugendliche bei Cybermobbing konkret tun können.
Dazu gehören: Vorfälle dokumentieren, sich an die Plattformbetreiber wenden (Stichwort Netzwerkdurchsetzungsgesetz, NetzDG), wenn die Täter oder Täterinnen bekannt sind und es möglich ist, das Gespräch mit ihnen selbst oder mit den Eltern suchen und bei massiver Beleidigung und Bedrohung eine Strafanzeige erstatten. Betroffene können sich auch bei Juuuport, einer Beratungsplattform von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, Hilfe holen.

Hilft ein Handyverbot an Schulen?

„Das ist mit Sicherheit nicht die Lösung, aber ein guter Ansatz“, sagt Uwe Leest. In der Zeit, in der die Jugendlichen lernen, seien sie „frei“ vom Smartphone. Schulen mit einem „handyfreien Raum in der Schulzeit“ hätten bereits gute Erfahrungen damit gemacht.
Ein Handyverbot an Schulen verschiebe nur den Tatort, sagt Lukas Pohland, der selbst als Schüler vom Cybermobbing betroffen war und den Verein „Cybermobbing Hilfe“ gegründet hat. Zudem beschränke sich Cybermobbing nicht nur auf die Schulzeit, teilweise gehe es erst danach „richtig los“, so Pohland.
Man verhindere durch ein generelles Verbot womöglich peinliche Videos in der Schule, aber das verhindere nicht, dass Täter und Täterinnen dennoch solche Videos anfertigen. Damit ein Verbot wirksam ist, müsse es zudem kontrolliert werden. Lukas Pohland plädiert vielmehr dafür, den Umgang mit einem Smartphone zu lernen und befürwortet ein Schulfach „Medienkompetenz“.
Auch Uwe Leest setzt weniger auf Verbot als auf Kommunikation und spricht diesbezüglich von einem „sozialen Dreieck“ bestehend aus Jugendlichen, Eltern, Schule. „Innerhalb dieses sozialen Dreiecks kann man an der Schule letztendlich dieses Problem auch in den Griff kriegen.“

Was sagt der deutsche Lehrerverband?

Der deutsche Lehrerverband lehnt ein Handyverbot an Schulen ab. Ein absolutes Handyverbot für alle Altersgruppen und den gesamten Schulbereich könne man nicht durchsetzen, sagte Verbandspräsident Stefan Düll der dpa. Viele Eltern wollten, dass ihre Kinder sich für kurzfristige Absprachen melden können.

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Gegen digitales Mobbing helfe kaum ein Handyverbot. „Wer mobben will, macht dann nachmittags weiter“, sagte Düll. Er fordert, sich mit den Schülern zusammen Gedanken zu machen, wie man mit digitalen Geräten in der Schule umgeht.

Wie ist die rechtliche Lage zur Handynutzung?

Bisher gibt es zur Handynutzung an Schulen keine bundesweite einheitliche Regelung. Jede Schule kann selbst entscheiden, wie sie den Umgang handhabt. Die CDU möchte das ändern. Sie fordert in einem Positionspapier zumindest an Grundschulen ein "privates Handynutzungsverbot".
Bedeutet: Keine TikToks auf dem Schulhof drehen, keine WhatsApp-Nachrichten austauschen. Das Handy soll nur in Notfällen oder nur dann genutzt werden, wenn es für den Unterricht gebraucht wird. Angestoßen hat das Karin Prien, stellvertretende Vorsitzende der CDU und Bildungsministerin in Schleswig-Holstein.
Die Grünen lehnen so ein Handyverbot dagegen ab. Jede Schule solle selbst darüber entscheiden, sagt die bildungspolitische Sprecherin Nina Stahr.
Erfahrungen mit dem Handyverbot gibt es hingegen in Bayern. Bis zum letzten Jahr galt dieses für alle Schulformen. Mittlerweile hat der bayerische Bildungsminister Michael Piazolo von den Freien Wählern das Verbot gelockert und an den weiterführenden Schulen wieder zurückgenommen.

Ist Cybermobbing strafbar?

Ein Gesetz, das digitale Gewalt insgesamt unter Strafe stellt, existiert in Deutschland bislang nicht. Es greifen aber unterschiedliche Strafvorschriften: unter anderem zu Beleidigungsdelikten (Paragraf 185 StGB), Nötigung (Paragraf 240 StGB) oder Bedrohung (Paragraf 241 StGB).
Laut Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) müssen rechtswidrige Inhalte zudem von Plattformbetreibern gelöscht oder gesperrt werden. Die Betroffenen sind dabei aber darauf angewiesen, dass die Tech-Konzerne aktiv werden.

Was plant der Gesetzgeber?

Wer im Internet beleidigt, bedroht oder verleumdet wird, soll sich künftig leichter zur Wehr setzen können. Betroffene sollen leichter die IP-Adressen der Urheber erhalten können, um gegebenenfalls zivilrechtlich dagegen vorzugehen.
Laut eines Eckpunktepapiers des Bundesjustizministeriums sollen betroffene Personen „unter gewissen Voraussetzungen“ per Gericht eine Sperre von Social-Media-Konten erwirken können. Dies soll bei „schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen“ möglich sein – vor allem dann, wenn „Wiederholungsgefahr“ besteht. Die Sperre soll „verhältnismäßig“ und auch nur zeitlich befristet erfolgen.
Netzaktivist:innen kritisieren hingegen den Gesetzentwurf zum Teil scharf. Das Gesetz schieße in Teilen weit über das Ziel hinaus. So soll der Auskunftsanspruch zur Identität eines Verfassers nicht nur für Straftaten im Bereich der sogenannten Hasskriminalität gelten, sondern beispielsweise auch bei „Schädigung durch wahrheitswidrige Nutzerkommentare“ in Online-Restaurantbewertungen.
Der Chaos Computer Club (CCC) warnt eindringlich vor dem geplanten Gesetz, das „erhebliche Gefahren für die Bürgerrechte und die informationelle Selbstbestimmung“ berge.
Quellen: dpa, Leonie Schwarzer, Bundesjustizministerium, Bündnis gegen Cybermobbing, Cybermobbing Hilfe, Chaos Computer Club, netzpolitik.org
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