Christian Baron: "Schön ist die Nacht"

Generationentrauma der Arbeiterklasse

13:07 Minuten
Christian Baron mit kurzen blonden Haaren guckt nach vorne gelehnt und ernst in die Kamera.
Wie auch in seinen ersten beiden Büchern geht es in Christian Barons neuem Roman um die Arbeiterklasse. © Ullstein Buchverlage / Hans Scherhaufer
Christian Baron im Gespräch mit Frank Meyer |
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Eigentlich wollte Christian Baron über die Generation der 1930er schreiben, die nichts für den Krieg konnten, aber dennoch von ihm traumatisiert wurden. Entstanden ist aber auch ein Roman über die Geschichte der Bundesrepublik und die Arbeiterklasse.
Schon bei "Ein Mann seiner Klasse" war Christian Baron klar, wovon sein nächstes Buch handeln wird. Ihm sei aufgefallen, dass er sehr wenig über seine Großelterngeneration weiß: Menschen, die um das Jahr 1930 herum geboren sind, also die NS-Zeit erlebt haben, aber zu jung waren, um sich wirklich schuldig zu machen und die entsprechenden Traumata danach mit sich herumtrugen. Barons Ziel war, diese Generation besser zu verstehen – und zwar aus der Perspektive von unten.
Dafür wählt der Schriftsteller einen ungewöhnlichen Weg. Denn obwohl die Protagonisten Horst Baron und Willy Winkler heißen, also wie seine echten Großväter, und auch sonst auf ihnen basieren, ist "Schön ist die Nacht" ein Roman. Bei der Recherche habe sich ergeben, dass Wissenslücken gefüllt werden müssen, so Baron. Dazu sei eine journalistische, faktenbasierte Herangehensweise nicht der beste Weg gewesen: "Ich wollte nach der tieferen Wahrhaftigkeit graben, die mir dann auch diese Welt vielmehr erschlossen hat, als wenn ich jetzt rein faktisch nur vorgegangen wäre", erklärt Christian Baron.
Beide Großväter sind Arbeitkinder, jedoch mit unterschiedlichen Hintergründen. So wurde Horsts Vater als arbeitsloser "Asozialer" ins KZ deportiert, während Willy der Sohn einer Kommunistin und eines Kommunisten ist, dessen Vater deshalb in einem Strafbataillon zu Tode kam. Durch diese Erfahrungen entsteht auch der zentrale Konflikt des Romans, in dem die beiden Männer zwar enge Freunde sind, aber sehr unterschiedliche Weltsichten haben.

Die verklärte Geschichte der Bundesrepublik

Willy ist Zimmermann, arbeitet als Polier und glaubt, dass er in dieser Bundesrepublik durch ehrliche Arbeit was erreichen kann. Er verwendet auch unablässig diesen Begriff "anständig sein", der auch schon in der NS-Zeit sehr verbreitet war, so Baron: "Also die schlimmsten KZ-Wärter haben sich als anständig angesehen, weil sie anständige Arbeit machen und das schlimmste Verbrechen begehen und abends dann ihren Hund streicheln."

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Dagegen steht Horst, der einen "intuitiven Sozialismus" internalisiert hat und den Kapitalismus verachtet. Gleichzeitig aber ist er auch jemand, der die Demokratie verachtet. Diese Widersprüchlichkeit, diese Ambivalenzen seien für ihn das Reizvolle an der Geschichte gewesen, so Baron.
Gleichzeitig geht es in "Schön ist die Nacht" aber auch um die Geschichte der Bundesrepublik und über die Erzählung der Sozialen Marktwirtschaft, dass jeder es schaffen kann und Teilhabe möglich ist. Baron sagt, dass die 1970er Jahre heute auch von links verklärt würden. Einerseits habe es damals die Bildungsexpansion, über 90 Prozent Wahlbeteiligung und mit Willy Brandt eine wirklich linke SPD und einen ebensolchen Kanzler gegeben, aber das sei alles nach ein paar Jahren schon wieder verflogen.
"Und dieser Wohlstand, der ja durchaus damals mehr vorhanden war als heute, war erkauft durch einen Rassismus gegen die sogenannten Gastarbeiter, die überausgebeutet wurden und ein viel stärkeres Patriarchat, dass es damals noch gab. Das ist etwas, das mir zu oft ausgeklammert wird. Und da finde ich es wichtig, dass das auch in der Literatur häufiger wieder vorkommt", sagt Baron.

Christian Baron:"Schön ist die Nacht"
Claassen-Verlag, Berlin
380 Seiten, 23 Euro

(hte)
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