Campingurlaub

Freiheit, Natur, Abenteuer

Städtischer Campingplatz mit Zelten und Wohnmobilen am Ende der Bucht von Locquirec in der Bretagne (Frankreich) direkt am Strand.
Camping ist beliebt wie nie. Und bleibt doch eine ganz spezielle Form des Urlaubsvergnügens. © picture alliance / dpa / MAXPPP / Lionel Le Saux
Von Kristina Reymann-Schneider |
Camping ist beliebt wie nie. Das #vanlife verheißt Abenteuer und Entspannung in herrlicher Kulisse. Zelten bringt uns der Natur näher, ist archaisch und romantisch zugleich. Aber stimmt das wirklich? Was ist dran an den Camping-Versprechen?
Schon vor mehr als 100 Jahren haben Menschen gecampt – aus den gleichen Gründen wie heute: Freiheit genießen, Abenteuer erleben und der Natur nah sein. Die erste Camping-Bibel, das Buch „The Camper’s Handbook“, erschien 1908. Auch ich campe schon mein ganzes Leben. Mit fünf habe ich in einem windschiefen Iglu-Zelt in Schweden übernachtet, mit Anfang 20 in einem ultraleichten, winzigen Wanderzelt in Griechenland und mit 40 in einem komfortablen, abgedunkelten Familienzelt in Holland. In diesem Jahr war ich zum ersten Mal mit einem Campervan auf Tour.
Ich kann mich fürs Campen begeistern – und finde es gleichzeitig total kurios. Denn die Klischees von purer Freiheit, der Nähe zur Natur und der Verheißung von Abenteuern erfüllen sich in den wenigsten Fällen, wenn man mal ganz ehrlich ist. Trotzdem campen immer mehr Menschen. 2024 erreichten die deutschen Campingplätze mit knapp 42,9 Millionen Übernachtungen ein Allzeithoch. 96.000 Campingfahrzeuge wurden 2024 neu zugelassen. Der Umsatz mit Outdoor-Ausrüstung steigt in Deutschland seit Jahren.

Grenzenlose Freiheit

Tatsächlich allerdings kommt die Freiheit beim Camping oft schnell an ihre Grenzen: Wildcampen – im Wohnmobil oder im Zelt – ist in vielen europäischen Ländern verboten und kann mit hohen Bußgeldern bestraft werden. In Deutschland, Italien und Österreich können laut einer ADAC-Übersicht bis zu 500 Euro fällig werden. In Frankreich kann Wildcampen demnach bis zu 1.500 Euro kosten. Ausnahmen bilden Schweden und Schottland: Dort dürfen Camper fast überall übernachten.
Aber im Gegensatz zu Pauschaltouristen, die eine Woche nach Malle fliegen, sind Camper doch flexibler, oder?! Schlechtes Wetter? Kein Ding. Campingstühle einklappen, Zelt einpacken und weiterfahren. Doch in der Realität funktioniert das so schnell dann doch nicht. Wegen eines medizinischen Notfalls mussten wir einmal plötzlich die Reise abbrechen. Es dauerte Stunden, bis das Zelt abgebaut und das gesamte Gepäck im Auto verstaut war.
Auch mit einem Campervan kann man nicht direkt losdüsen. Schließlich muss das mobile Wohn-, Schlaf- und Esszimmer auf knapp sieben Quadratmetern erst mal wieder in ein Auto verwandelt werden. Hinzu kommt, dass viele Campingplätze an beliebten Urlaubsorten in Ferienzeiten vorab gebucht werden müssen und oft bereits belegt sind. Spontan irgendwo aufschlagen ist daher nicht immer möglich.
Und einige Camper stecken die Grenzen ihrer Freiheit selbst ab. Sie versehen ihre Parzelle mit einem Zaun und signalisieren dadurch: Das hier ist mein Reich, komm mir bloß nicht zu nah. Ich muss immer lachen, wenn ich diese Zäune sehe. Diese Absurdität wird nur noch getoppt durch Camper, die ihre Freiheit auf ihren Campingstühlen im geschlossenen Vorzelt verbringen und im Fernsehen „Wer wird Millionär?“ gucken. Aber auch das ist campen. Die Freiheit, das zu tun, worauf man Lust hat – solange man die Nachtruhe nicht stört.

Einswerden mit der Natur

Um ehrlich zu sein: Manchmal bräuchte ich gar nicht so viel Natur. Auf Mücken im Zelt könnte ich gut verzichten. Außerdem heizen sich Zelte an warmen Tagen schnell auf. Regen, der aufs Zeltdach prasselt, klingt in meinen Ohren zwar wunderschön. Aber auch nur solange die Füße trocken bleiben. Wind kann sehr laut und vor allem nachts ziemlich gruselig sein. Gewitter sind lebensgefährlich in gewöhnlichen Zelten.
Spezielle Naturcampingplätze sehen auf Fotos traumhaft aus. In Wirklichkeit campt man ohne Wasser- und Stromanschluss auf irgendeiner Wiese, hat im schlimmsten Fall nervige Nachbarn und kann sich nur auf einem Plumpsklo erleichtern.
Mehr Komfort bietet da schon ein klassischer Campingplatz, der wiederum mit Natur häufig so viel gemein hat wie ein schnöder Parkplatz, der von einer grünen Hecke umschlossen wird. In Frankreich etwa reihen sich vielerorts Wohnmobil an Wohnmobil auf betonierten Stellplätzen.

Günstig Urlaub machen

Camping gilt oft als Low-budget-Urlaubslösung. Doch das ist es nicht unbedingt, sondern ein Phänomen, das die ganze Gesellschaft durchzieht. Campervans oder kleine Wohnmobile kosten mindestens 50.000 Euro, die meisten sind deutlich teurer. Auch Stellplätze für Zelte und Fahrzeuge sind nicht ganz billig, wenn sie schön gelegen sind, etwa an Stränden oder Seen. Für das gleiche Geld könnte man auch Urlaub im Hotel oder einer Ferienwohnung machen.

Abenteuer erleben

Vermutlich campen die meisten nicht aus Budget-, sondern aus Abenteuer-Gründen. Oder besser: Weil sie die Kombination aus Loslassen und Kontrolle lieben, wie es die Soziologin und Tourismusforscherin Kerstin Heuwinkel beschreibt:

Einerseits verlassen wir das Gewohnte und verlassen die Küche. Und dann fangen wir doch im Kleinen wieder an, genau das alles nachzubilden. Dann gibt's wieder die Wäscheleine und dann doch wieder eine gewisse Ordnung in der Küche. Aber ich kann das kontrollieren. Das hat auch was mit Macht zu tun. Meine fünf mal fünf Meter habe ich dann unter Kontrolle und gestalte die so, wie ich möchte. Ich habe einerseits die Mobilität. Und ich habe andererseits mein Zuhause dabei.

Soziologin und Tourismusforscherin Kerstin Heuwinkel

Das kann ich bestätigen: Mein Campingplatznachbar hatte nicht nur einen Weber-Grill dabei, sondern auch eine Fritteuse. Ich besitze übrigens einen sauteuren, faltbaren Campingkocher, mit dem ich sogar bei Minusgraden eine Suppe kochen könnte. Nicht, dass ich im Winter auf die Idee käme, zelten zu gehen - aber bei einem plötzlichen Temperatursturz wäre ich gewappnet und könnte meine Familie mit Essen versorgen. Kontrolliertes Abenteuer also.
Zum Abenteuer gehört auch, dass man viele neue Leute kennenlernt, die man sich nicht aussuchen kann. Das Gute ist: Die temporären Nachbarn können zu Verbündeten werden, helfen aus, wenn man das Ladekabel fürs Handy vergessen hat. Oder sammeln die schnelltrocknenden Outdoor-Handtücher ein, die über den Platz geflogen sind, als man selbst gerade mal wieder bei der Rezeption war, weil das WLAN nicht funktioniert. Und natürlich ist man in seinen Adiletten per du. Auch das verbindet.
Im letzten Campingurlaub habe ich, selbstverständlich in Badelatschen, ein Paar kennengelernt, dass sein Haus verkauft und sich von dem Geld einen Camper zugelegt hat. Die beiden reisen nun in Schleswig-Holstein von Platz zu Platz. Sie arbeitet aus dem Homeoffice, also aus dem Vorzelt, er in einem nahe gelegenen Krankenhaus. Sie wirkten sehr glücklich mit ihrer Entscheidung, zu Vollzeit-Campern zu werden.
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