Pädagoge Burak Yilmaz

Ein Muslim kämpft gegen Antisemitismus

10:08 Minuten
Burak Yilmaz präsentiert freudig den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland, den er von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verliehen bekommt. Steinmeyer hält, ebenfalls lächelnd, die Urkunde in die Kamera. Steinmeier würdigt Ehrenamtliche für herausragendes Engagement für die Gedenk- und Erinnerungskultur in Deutschland.
Burak Yilmaz (r.) bekommt das Bundesverdienstkreuz von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: Der Pädagoge wird für seine Arbeit gegen Judenfeindlichkeit ausgezeichnet. © picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka
Moderation: Katja Garmasch · 04.11.2022
Audio herunterladen
Burak Yilmaz berät den Bundestag zu Antisemitismus und hat das Bundesverdienstkreuz für seine Arbeit erhalten. Anfangs brachte der muslimische Pädagoge mit seinem Kampf gegen Judenhass allerdings erst einmal die eigene Community gegen sich auf.
Burak Yilmaz kommt aus Duisburg Obermarxloh, sein Vater ist Türke, seine Mutter Kurdin, er selbst ging auf ein katholisches Elitegymnasium und besuchte eine Koranschule. Er ist Pädagoge, Buchautor und Berater – unter anderem berät er den Deutschen Bundestag zum Thema Antisemitismus.
Danach sah es aber erst einmal nicht aus, als Burak Yilmaz anfing, gegen Antisemitismus zu kämpfen. Man habe ihn vor allem für einen Verräter gehalten, so Yilmaz: ein Muslim, der sich gegen seine Brüder stellt und plötzlich für die Juden kämpft.
Denn für viele Jugendliche sei Antisemitismus Ehrensache. Das hat Burak Yilmaz als Pädagoge in Duisburg beobachtet und entschieden, etwas dagegen zu unternehmen. Er hat den Kampf gegen den Judenhass zu seiner Ehrensache erklärt, organisierte Fahrten nach Auschwitz, Workshops und Theateraufführungen und schrieb ein Buch darüber.

Antisemitismus aus Familien oder Koranschulen

Es habe ihn zutiefst verstört, dass einige der Jugendliche, mit denen er als Betreuer im Jugendzentrum gearbeitet hat, nicht nur auf anti-israelische Kundgebungen gingen und judenfeindliche Parolen schrien, sondern auch noch stolz darauf waren, Antisemiten zu sein. Antisemitismus sei Teil der Jugendkultur, nicht nur bei muslimischen Jugendlichen. Und Antisemitismus verbinde verfeindete Lager: Bosnische und serbische Jugendliche, die sich sonst nicht leiden konnten – aber auch türkische und kurdische, russische oder polnische –, haben durch ihren gemeinsamen Antisemitismus zusammengefunden.
Oft komme der Antisemitismus aus den Familien oder den Koranschulen, aus dem islamistischen Narrativ. Hinzu kommt der israelbezogene Antisemitismus, der Juden zum Feind der Muslime stilisiert und dem Staat Israel die Existenzberechtigung abspricht.

Judenhass in Deutschland oft tabuisiert

Weil in Deutschland Antisemitismus tabuisiert sei, sei es besonders schwierig, dagegen vorzugehen. Für die deutsche Mehrheitsgesellschaft gelte Antisemitismus als Teil der Vergangenheit und der Kampf dagegen als abgeschlossen, so Yilmaz. Stattdessen müsste man sich aber als Gesellschaft hinterfragen, und auch als einzelner Mensch: Was hat Antisemitismus mit mir oder meiner Familiengeschichte zu tun? Yilmaz schlägt daher vor, Biografieforschung an den Schulen einzuführen oder den Nahost-Konflikt im Unterricht zu behandeln und auch zu vermitteln, dass das jüdische Leben auch vor und nach der Nazizeit und dem Zweiten Weltkrieg existiert hat.
Seine Arbeit löse oft Diskussionen, Misstrauen und Kritik aus: „Warum interessierst du dich auf einmal für die Juden?“ Oft sei aber auch Interesse da. Immerhin könne man aber in den türkischen, arabischen oder generell muslimischen Familien über Antisemitismus reden – was wiederum das Hinterfragen und eine Auseinandersetzung damit ermöglicht. In der Mehrheitsgesellschaft hingegen werde das Thema Antisemitismus innerhalb der Familien sehr oft tabuisiert und sei schambehaftet. Da begegne man einer Schweigemauer, die es unmöglich mache, überhaupt einen Ansatz zu finden, erklärt Burak Yilmaz.

Erfolg mit Seminaren und Theaterstück

Wegen seiner Arbeit sei der Pädagoge angefeindet und bedroht worden. Deswegen habe er auch Zweifel gehabt, ob er mit seinem Vorhaben überhaupt etwas erreichen könne oder sich nur Feinde auch innerhalb der eigenen Community machen würde. „Aber, wenn du diesen Stimmen, die voller Hass sind, recht gibst, dann werden sie das Feld übernehmen“, sagt Yilmaz. Es gebe aber auch eine schweigende Mehrheit, die sich mit dem Antisemitismus nicht identifiziere. Ihr will er Stimme und Kraft geben, der Judenfeindlichkeit etwas entgegenzusetzen.
Seine Kritiker aber wurden schon bald leiser. Es kamen immer neue Jugendliche in seine Seminare, sein Theaterstück tourte durch ganz Deutschland, und Burak Yilmaz bekam für seine Arbeit das Bundesverdienstkreuz von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verliehen. Vor allem aber: Die Kinder, die in seinen Antisemitismusprojekten mitgearbeitet hatten, wurden besser in der Schule.
In seinem Buch „Ehrensache – Kämpfen gegen den Judenhass“ schreibt Burak Yilmaz ausführlich über seine persönliche Geschichte, seine Arbeit und das Problem mit dem Antisemitismus in Deutschland.

Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Mehr zum Thema