Die Erfindung der BDR-Fraktion
Der Verlag des Deutschen Buchpreisträgers Frank Witzel scheint in seiner Messekabine noch gar nicht realisiert zu haben, dass er mit "Die Erfindung ..." einen echten Bestseller beherbergt. Nun wird aber kräftig nachgedruckt und ein lustiger Buchstabendreher korrigiert.
Dienstagnachtmittag, 16 Uhr, eine Stunde vor der Eröffnungsfeier der Buchmesse. Die Stände in Halle 4.1 stehen schon. Die Messebauer der großen Verlage sind bereits seit einer knappen Woche in Frankfurt, um die temporary showrooms aufzubauen. Kurz vor Messebeginn muss bei Suhrkamp, Rowohlt und Co. jetzt nur noch die Pappe von der Auslegware abgezogen und in einen zahllosen Müllcontainer gestopft werden, die überall in den Gängen stehen – und morgen früh wie von Zauberhand verschwunden sein werden.
Der Verlag des Gewinners
Und natürlich: die Bücher müssen eingeräumt werden. Bei Matthes & Seitz ist die Arbeit schon erledigt. Hinten steht das ganze Theoriezeugs (muss man jetzt wahrscheinlich auch noch alles lesen), links der Gewinner: "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969" von Frank Witzel, der Roman, für den der Autor mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet worden ist (muss man auf jeden Fall lesen).
Der Verlag hat über Nacht schnell noch nachdrucken lassen, erst einmal eine konservativ geschätzte Neuauflage: So richtig scheint Verleger Andreas Rötzer noch nicht realisiert zu haben, dass er im Seitenflügel seines Zweieinhalb-Quadratmeter-Einheits-Kabuffs auf der Frankfurter Buchmesse gerade einen echten Bestseller beherbergt.
Geschult an Theoriezeugs
Aber das ist natürlich das Schöne an dem Buchpreis in diesem Jahr: Dass das Scheinwerferlicht auch gleich noch einen supersympathischen Verlag streift und einen Verleger, der sich nicht für große Auflagen interessiert, sondern – geschult durch das ganze Theoriezeugs in seinem Programm – für die kleinen kulturellen Fehlleistungen. Ob mir der Buchstabendreher im Klappentext der ersten - mutmaßlich schmalen – Auflage der "Erfindung" eigentlich aufgefallen sei? "Frank Witzel", wurde dort der Kulturwissenschaftler Philipp Felsch zitiert, "hat ein (längst überfälliges) Genre erfunden: BDR Noir."
Inzwischen ist das korrigiert. Aus "BDR" – das im Frank-Witzel-Kosmos gut der Name einer nordhessischen Krautrockband sein könnte oder die Abkürzung für einen aus westdeutschen deep-state-Geheimdienst – ist "BRD" geworden.
Andreas Rötzer scheint fast ein bisschen traurig darüber zu sein.