Auszeichnung für Frank Witzel

"Das verrückteste Buch des Jahres"

Der Roman "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969" von Frank Witzel liegt auf einer Küchenwaage, die etwa 1100 Gramm anzeigt.
Ein gewichtiges Stück Literatur: "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969" von Frank Witzel wiegt über 1100 Gramm © Deutschlandradio / Frank Barknecht
Kolja Mensing im Gespräch mit Christine Watty · 12.10.2015
Eine "mutige Entscheidung" für ein "ganz, ganz großes Buch" - so kommentiert unser Literaturkritiker Kolja Mensing die überraschende Entscheidung der Jury für Frank Witzels "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch depressiven Teenager im Sommer 1969".
Nach der bisherigen Vergabelogik des oft als "Marketing-Preis" geschmähten Deutschen Buchpreises hätte wohl Jenny Erpenbecks Flüchtlingsroman "Gehen, ging, gegangen" ausgezeichnet werden müssen. Doch am Ende gewann zu aller Überraschung Frank Witzels "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch depressiven Teenager im Sommer 1969".
"Eine unglaublich mutige Entscheidung" eine "Entscheidung dafür, dass Literatur nichts erklären muss", sagt unser Literaturkritiker Kolja Mensing. Damit hätte die Jury "das verrückteste Buch des Jahres" ausgezeichnet.
"Wenn Frank Witzel den Deutschen Buchpreis bekommen kann, dann ist wirklich noch einiges möglich in diesem Land."
Die BRD als geschichtsversessenes Kasperletheater
Witzel verlege die Identitätskrise der alten BRD Ende der 60er-Jahre nicht nur in die hessische Provinz, sondern in den Kopf eines 13-Jährigen mit psychischen Problemen:
"Die gute, alte BRD wird hier zu einer Mischung aus Psychokino, Drogenrausch und geschichtsversessenem Kasperletheater, und das alles dann noch mit ständig wechselnden Erzählverfahren, wie ich das in dieser Konsequenz eigentlich nur aus den Büchern des Amerikaners David Foster Wallace kenne. Das ist, glaube ich, ein ganz, ganz großes Buch."
"Ausgelassene Freude" im Saal bei der Verkündung des Preisträgers
Mit Witzels Roman wurde offenbar das Buch ausgezeichnet, dem im Vorfeld die "Literaturbetriebsprofis" und "Bescheidwisser" die geringsten Chancen eingeräumt hatten:
Literaturredakteur Kolja Mensing
Kolja Mensing© Deutschlandradio - Bettina Straub
"Alle haben abgewunken und gesagt, nee, also auf gar keinen Fall, der Witzel bekommt den Preis nicht. Irres Buch, super Buch, aber unverkäuflich. Das machen die nie. Das trauen sie sich nicht."
Umso größer dann die Überraschung im Saal: "Das war ein ganz wunderbarer Moment", berichtet Mensing. "Es gab richtig so ausgelassene Freude im Saal, lautes Johlen, Pfeifen, Karneval, Kindergeburtstag."
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