Kommentar
Sogenannte Gesellschaftsspiele, Karten- und Brettspiele erfreuen sich weiter großer Beliebtheit © picture alliance / dpa / Bernd Thissen
Spiele sind Echokammern der Gesellschaft
04:32 Minuten

Klassische Brettspiele sind trotz Computern und Handyspielen immer noch gefragt. Und was da gerade im Spielbereich populär ist, sagt so manches über den Zeitgeist und den Zustand der Gesellschaft aus.
Woran denken Sie, wenn Sie das Wort „Gesellschaftsspiele“ hören? An "Mensch ärgere dich nicht", "Fang den Hut" oder "Kniffel"? Dann sind Sie in guter Gesellschaft, denn so denken tatsächlich immer noch viele Menschen.
Dabei sind diese Spiele schon längst kein Maßstab mehr für das, was der Spielemarkt aktuell bietet. Die Welt der Gesellschaftsspiele hat sich mindestens in dem Maß gewandelt, in dem sich auch die Welt außerhalb des Spieltischs seit dem Erscheinen der großen Spieleklassiker weitergedreht hat.
Kooperative Spiele im Trend
Ging es früher in Spielen primär darum, seine Mitspieler zu besiegen, so erfreuen sich inzwischen viele kooperative Spiele großer Beliebtheit. Bei solchen Spielen muss man sich mit seinen Mitspielern verbünden, um im Team zu gewinnen.
Das kann in ganz verschiedenen Kontexten passieren. So müssen sich beispielsweise im kürzlich zum „Spiel des Jahres“ gewählten "Bomb Busters" alle Spieler gemeinsam der Aufgabe stellen, Bomben zu entschärfen. Im vergangenen Jahr wurde mit "Sky Team" ein Spiel als jahrgangsbestes ausgezeichnet, bei dem man als Team aus Pilot und Co-Pilot Flugzeuge auf ganz unterschiedlichen Flughäfen sicher landen sollte.
Dass Jurys solche kooperativen Spiele lieben, ist nicht weiter verwunderlich – kommt doch die Aura des „pädagogisch wertvollen“ bei Juroren traditionell gut an. Aber auch am Markt sind sie ziemlich erfolgreich.
Von den sogenannten Exit-Spielen wurden weltweit beispielsweise bereits über 18 Millionen Spiele abgesetzt. Hier müssen die Spieler gemeinschaftlich unter Zeitdruck Aufgaben lösen. So sollen die Mitspieler beispielsweise in einem dieser fiktiven Szenarios durch das Lösen verschiedener Rätsel und das Knacken von Codes den Weg aus einer verschlossenen Hütte in die Freiheit finden.
Die Vielfalt des Spielteams wird hier zur Stärke, denn durch die unterschiedlichen Denkweisen und Strategien der Mitspielenden steigen die Chance auf das erfolgreiche Lösen solcher Rätsel und spielerischer Konflikte erheblich.
Fair Play scheint zum Auslaufmodell zu werden
Aufgekommen sind diese Spiele in den 1970er- und 80er-Jahren und hingen stark mit der damaligen pädagogischen Diskussion zusammen. Richtig en vogue wurden sie aber erst, als auch der Zeitgeist ein anderer wurde und das Diverse, Weichere und Fluide belohnte.
Mit der aktuellen Realität hat das allerdings nur bedingt zu tun. Während auf dem Spielfeld die Vielfalt gefeiert wird und die Abstimmung mit den Mitspielenden zum Erfolg führt, ist dieses lösungsorientierte Miteinander auf dem globalen Spielfeld der Politik spätestens seit dem Amtsantritt Donald Trumps zu einem Ende gekommen. Das Recht des Stärkeren triumphiert und das Prinzip des Fair Play scheint zum Auslaufmodell geworden zu sein.
Wird dieser neue Zeitgeist auch die Spielewelt verändern? Schließlich waren und sind Gesellschaftsspiele immer auch Echokammern der Gesellschaft, die im Spiel gespiegelt wird.
"Monopoly" flankierte den Aufstieg des Kapitalismus
So wurde "Monopoly" einst von seiner Erfinderin Elizabeth Magie als Kritik an finanzieller Ausbeutung durch Grundbesitzer erdacht, flankierte ab den 1930er-Jahren aber tatsächlich den Aufstieg des Kapitalismus.
Zur Zeit des Kalten Krieges feierte das konfrontative Strategiespiel "Risiko" seine Blütezeit. Aktuell verhandeln Spiele neben der Frage von Zusammenarbeit Themen des Umweltschutzes und der Energieversorgung, etwa im neuesten Ableger des Spieleklassikers "Die Siedler von Catan".
In Zeiten, in denen die Spannungen zwischen Ost und West ebenso wie zwischen verschiedenen sozialen Gruppen zunehmen, dürften Spiele, die den Wettstreit um Macht und Einfluss feiern, wieder größere Chancen auf den Titel als Spiel des Jahres haben. V
ielleicht schon bald könnte die Konfrontation auch auf dem Spielbrett wieder die Kooperation ablösen. Doch egal ob Miteinander oder Gegeneinander: ein Appell wird beim Spielen wohl immer Gültigkeit haben: Mensch, ärgere dich nicht.


















