Börnsen: "Europa wird dadurch nicht vernachlässigt"

Moderation: Holger Hettinger |
Der Kulturpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Börnsen (CDU), hat die angekündigte Neuausrichtung des Goethe-Instituts mit mehr Einrichtungen in Indien und China bei gleichzeitigem Abbau von Instituten in Europa begrüßt. Europa werde dadurch nicht vernachlässigt, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandradio Kultur.
Hettinger: Weniger Engagement in Westeuropa, stärkere Aktivitäten in China und Indien. Mi dieser Neuausrichtung möchte das Goethe-Institut neue inhaltliche Akzente setzen und gleichzeitig seiner Finanznot Einhalt gebieten. Bislang werden 42 Prozent des Goetheinstitutshaushalts in Westeuropa ausgegeben, das soll sich nach den Vorstellungen von Generalsekretär Hans-Georg Knopp ändern. Weniger Geld für das alte Europa, mehr Mittel für flexible Kulturprojekte im Mittleren und Nahen Osten. Dieser Vorschlag ist nun auf dem Tisch.

Die Meinung der politischen Parteien zu diesem Kurswechsel möchten wir in einer kleinen Reihe hier im Radiofeuilleton beleuchten. Nach Uschi Eid von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD-Kulturpolitikerin Monika Griefahn sprechen wir heute mit dem Unionskulturpolitiker Wolfgang Börnsen, er ist Kulturpolitischer Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion und nun im Studio von Deutschlandradio Kultur. Schönen Guten Morgen, Herr Börnsen.

Börnsen: Guten Morgen.

Hettinger: Herr Börnsen, hat das Goethe-Institut seine Aufgaben in Westeuropa jetzt so vollständig erfüllt, dass nun der Blick auf andere Regionen der Welt gerichtet werden kann, in diesem Ausmaß?

Börnsen: Erfüllt hat das Goethe-Institut seine Aufgaben nie. Wenn man den Anspruch hat, Deutschland zu vertreten, die deutsche Sprache zu vertreten, deutsche Kultur zu repräsentieren, in andern Ländern der Welt, dann ist das ein Dauerauftrag, der mit viel Perspektive und mit viel Kontinuität verbunden ist. Trotzdem glaube ich, dass der Kurswechsel, der jetzt von Jutta Limbach und ihren Mitstreitern vorgenommen wird, richtig ist.

Ich bin selber mal Entwicklungshelfer in Indien gewesen und weiß um die Situation dort und natürlich auch in China, und ich glaube schon, dass es richtig ist, und dass unter anderem das Goethe-Institut in den beiden volkreichsten Ländern der Welt, die beide mehr als 2,3 Milliarden Menschen repräsentieren, zu Hause ist, dort ist es richtig, dass die deutsche Kulturpolitik und hier in diesem Fall das Goethe-Institut als gewissermaßen kultureller Außenminister noch stärker repräsentiert ist.

Das bedeutet aber gleichzeitig bei den vorhandenen Bedingungen, dass man abbaut. Und ich glaube schon, dass man in Europa ein wenig schmaler arbeiten kann, um dazu beizutragen, weltweit mehr Botschafter Deutschlands zu sein.

Hettinger: Das geht von einer Befindlichkeit aus, Herr Börnsen, die sagt, na gut, so viele Jahre, so viele Jahrzehnte nach Kriegsende ist in Deutschland und in der europäischen Partnerschaft so viel passiert. Nun sagt Uschi Eid, Bündnis90/Die Grünen, hier in Deutschlandradio Kultur, dass das Nein zur EU-Verfassung in Frankreich und in den Niederlanden gezeigt hat, dass sehr wohl so etwas wie Koordinations- und Abstimmungsbedarf ist und auch hier die deutsche auswärtige Kulturpolitik noch mal greifen kann. Ist das nicht fatal, gerade in einer Zeit, wo der Europaskeptizismus noch mal neue Wellen schlägt, sich aus dem "Kerngebiet" zu verabschieden?

Börnsen: Die Gründe, weshalb die Niederlande und Frankreich Nein gesagt haben zur europäischen Verfassung, haben direkt mit der Kulturpolitik und mit der Rolle Deutschlands in den beiden Ländern nichts zu tun. Das hat andere Beweggründe gehabt, die auch innenpolitisch zu erklären sind, dass der kleine Kontinent Europa ist so eng aneinander gerückt. Die deutsche Kulturpolitik, die sich ja nicht nur ergibt aus dem Goethe-Institut, aus dem Deutschen Akademischen Auslandsdienst, aus der Alexander von Humboldt-Stiftung, ifa, aus vielen anderen Initiativen, auch aus dem Deutschlandfunk, aus der Deutschen Welle, aus vielen auch internationalen Medien, der ist in dem Bereich Europa, wie ich finde, schon fest verankert, dieser Ansatzpunkt.

Ich glaube schon, dass die Flexibilität des Goethe-Instituts jetzt gefragt ist, weltweit dazu beizutragen, dass unsere Vorstellungen von dem Dialog der Kulturen stärker in andern Bereichen der Welt gesettlet werden. Europa wird damit nicht vernachlässigt. Wir haben aber nach den 60 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg völlig andere Bedingungen, auf die wir uns einstellen müssen. Insofern ist es richtig, dass man sich den neuen Bedingungen, den neuen Herausforderungen wirklich stellt und alte Zöpfe abschneidet.

Hettinger: Wie soll denn die Mission aussehen, für Indien, für China, für den Nahen Osten?

Börnsen: Es gibt einmal die Überlegung, dass man flexibler wird, dass man nicht nur an einem Ort für dann die nächsten Jahrzehnte sich ansiedelt und von dort aus Kulturpolitik macht. Und ich glaube schon, dass das ein Teil des Konzeptes sehr überlegenswert ist, nämlich flexibel zu sein, dort aufzutreten als Pionier auch deutscher Kulturpolitik, wo es bisher nicht stattgefunden hat. Ein gutes Beispiel für mich ist der Auftritt des Goethe-Instituts in Kabul vor zwei Jahren, als man dort das Institut neu gründete, und dort es schaffte in Kabul gewissermaßen Sprachbrücke zu werden, Verständnisbrücke zwischen dem Kulturinteresse Europas und den Vorstellungen in Afghanistan. Da erfüllt sich eine der Missionen der modernen und neuen Mission des Goethe-Instituts, nämlich auch dort, wo andere sprachlos sind, für Sprache zu sorgen.

Hettinger: Also dieses Modell der "Task Force", wie es scherzhaft genant wird, als projektgebundenes Unternehmen, aber kann eine solche Task Force jetzt mal vom Beispiel Kabul mal abgesehen, überhaupt effektiv arbeiten, wenn die Vernetzung in die Institutionen, in die regionale Kulturpolitik, in die regionalen Anbieter, wenn diese Vernetzung doch nicht so gegeben ist, bei einem mobilen Institut?

Börnsen: Diese mobilen Einsatzüberlegungen sind ja nur ein Teil des Gesamtkonzeptes. Der andere Teil, ist es heute auch mit den modernen Medien aufzutreten, auch mit Internetauftritt, den gesamten Medienbereich mit einzubeziehen, von einem Standort aus und dann bis in die Tiefe einer Region hineinzuwirken. Klar, es muss überall einen Hauptstandort geben, der gewissermaßen eingebunden ist in die Kultur der Gastländer, in denen man zu Hause ist. Aber auf der anderen Seite glaube ich, dass man viel mehr mit den neuen Medien Möglichkeiten hat, weiter zu wirken und auch das Goethe-Institut sich noch stärker der Vernetzung mit anderen Institutionen und Medien stellen muss, die gleichzeitig im Auftrage Deutschlands unterwegs sind.

Hier fehlt nach meiner Auffassung noch eine stärkere Verbindung der Stiftung, der Institution, der Medien, die alle aus Deutschland zu einem großen Teil finanziert werden, eben damit man eine gemeinsame kulturelle Offensive durchsetzt. Wer vor Ort ist, wer manchmal erlebt, wie vor Ort von den Botschaften ausgehend, von den deutschen Botschaften ausgehend, von vier, fünf verschiedene Organisationen ausgehend, unterschiedliche Zielgruppen angesprochen werden, aber miteinander nicht kooperiert wird, der ist enttäuscht darüber und der erwartet doch, dass wir unsere Kräfte, bei Bedingungen, die durch die Finanzen noch gesteckt werden, stärker bündelt, um offensiver deutsche Kulturpolitik im Ausland zu betreiben.

Hettinger: Aber oft war doch gerade diese Vielstimmigkeit, von der Sie reden, ein Qualitätsmerkmal und ein Symbol an die andere Welt, guck mal hier, Deutschland kann facettenreich, kann vielfältig, redet eben nicht mit zentralistisch einer Stimme, ist ja auch ein kulturpolitisches Signal gewesen.

Börnsen: Na gut, das ist richtig gewesen. Das war in der Vergangenheit auch ein gutes Argument, das gilt nur nicht für die Zukunft, wir dürfen nicht vergessen, dass wir einer der Sprecher des europäischen Kontinents sind. Ich glaube, weiter müssen uns verstehen als Vertreter der gesamten europäischen Familie. Die anderen Länder, mit sehr hervorragenden Kulturinstituten treten ja gleichzeitig auf, das ist die Vielstimmigkeit, die wir brauchen, innerhalb der Vertretung in Indien zum Beispiel, in der Volksrepublik China zum Beispiel, da muss sich Europa auch als gemeinsame Kulturfamilie verstehen, um damit auch eine gezielte Überlegung unserer Vorstellung von Menschenrechten, von Bürgerrechten, von Kulturausrichtung weiterzugeben, um das zu tun, was wir alle gemeinsam wollen, durch einen Dialog der Kulturen dazu beizutragen, dass es mehr Verständnis und Verständigung auf der Welt gibt.

Hettinger: Ganz kurz noch, Sie sagen, die Vernetzung in europäische Institutionen ist wichtig, auch Ihre SPD-Kollegin Monika Griefahn hat hier bei Deutschlandradio Kultur gesagt, dass in Zeiten der Globalisierung diese Zusammenarbeit mit anderen europäischen Partnern, wie dem British Council oder dem Institut Français wichtig ist. Kann man da überhaupt noch von einer deutschen auswärtigen Kulturpolitik sprechen?

Börnsen: Es ist doch erst mal angenehm, dass im Rahmen der großen Koalition wir unabhängig voneinander einen ähnlichen Gedanken verfolgen. Das ist doch sehr beruhigend, auch dafür die gesamte politische Szene, dass sich die große Koalition darin einig ist.

Trotzdem glaube ich, dass es richtig ist, dass wir auch eine nationale, eine patriotische Komponente behalten. Wir wollen auch gerne, dass unsere Vorstellungen, die eine große Wirkung in der Welt haben, weitergebracht werden. Ob Goethe, ob Kant, ob Schiller oder ob Günter Grass und Siegfried Lenz und andere, wenn man nur einmal die Literaten und die Philosophen nennt, das ist schon eine besondere Botschaft auf der Welt und daran sollten wir festhalten.

Ich bin stolz auf das, was wir als kulturelle Botschaften weiterbringen können und das sind unsere Botschaften aus unserer Tradition, aus unserm Verständnis, die dazu beitragen können, die Kreativität der Kulturszene auch in andern Ländern zu stärken.

Hettinger: Wolfgang Börnsen war das. Er ist Kulturpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Unser Thema, die Neuausrichtung des Goetheinstituts, neue Akzente und weniger Geld.
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