Mehr Engagement in Indien und China

Moderation: Gabi Wuttke |
Nach ihrer geplanten Umstrukturierung würden sich die Goethe-Institute mehr in Indien, China, Osteuropa und der islamischen Welt engagieren, sagte die kulturpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Monika Griefahn. In einer globalisierten Welt reiche es nicht, die deutsche Sprache und Kultur vor allem in Westeuropa zu vermitteln.
Wuttke: Die Förderung deutscher Sprache, die Pflege internationaler kultureller Zusammenarbeit und die Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes, das sind die erklärten Ziele des Goethe-Instituts. Heute Nachmittag will Goethe-Institutschefin Jutta Limbach Auskunft über die Diskussion im eigenen Haus angesichts der angekündigten Einsparungen in Europa geben. Vielleicht erfährt man dann auch, wohin frei werdende Gelder tatsächlich gehen sollen. Nach Meinung von Monika Griefahn, der Sprecherin der SPD-Fraktion für Kultur und Medien, in die arabische Welt, Osteuropa, Indien und China. Guten Morgen, Frau Griefahn!

Griefahn: Guten Morgen!

Wuttke: Warum ausgerechnet und plötzlich verstärkt Indien und China?

Griefahn: Nein, Indien und China sind nicht neu, aber ...

Wuttke: Eben verstärkter.

Griefahn: Ja, ich habe auch besonders betont, Osteuropa und die islamische Welt, Dialog mit dem Islam, denn wir haben das, was wir in den letzten 50 Jahren geleistet haben zur europäischen Integration, natürlich vorwiegend in Westeuropa gemacht, und wir haben noch einen großen Nachholbedarf an Austausch, an Kennenlernen mit den osteuropäischen Ländern, auch den neuen EU-Staaten, aber auch den alten GUS-Staaten, denn da haben wir traditionell eine Anbindung an Deutschland, an Europa, aber wir brauchen die kontinuierliche Beibehaltung, damit das, was wir an Wurzeln dort haben, nicht verlieren.

Wuttke: Warum verstärkt Indien und China?

Griefahn: In Indien haben wir bereits die Max Mueller Bhavans, aber wir haben da auch eine große Nachfrage, ein großes Interesse an Deutschland, weil Indien eben nicht nur auf die USA ausgerichtet sein wird, und wenn man China vergleicht, da haben wir ein Institut zurzeit plus ein halbes sozusagen angebunden an eine Botschaft, wenn wir das vergleichen mit Italien, wo wir zurzeit sieben haben, dann wird das natürlich mit einem ja Über-eine-Milliarde-Volk nicht ganz den Verhältnissen gerecht.

Wuttke: Indien und China, in beiden Ländern boomt die Wirtschaft, aber was hat sich sonst tatsächlich verändert, was plötzlich das Goethe-Institut in beiden Ländern massiv auf den Plan rufen soll? Es riecht irgendwie ein bisschen nach Wirtschaftshilfe für die Bundesregierung.

Griefahn: Nein, es ist nicht plötzlich. Wir haben die letzten sieben, acht Jahre das bereits sehr intensiv diskutiert. Wir haben im Jahre 2000 ein neues Konzept gemacht, die AKP 2000, die wirklich auf Dialog ausgerichtet ist, auf eine Zweibahnstraße, das heißt, wir wollen vermitteln, was unsere Werte sind. Es geht auch um Demokratie natürlich und umgekehrt wollen wir auch kennen lernen, was die anderen für Kultur, für Werte haben, und wenn wir uns einfach betrachten, dass die Goethe-Institute sehr wichtig innerhalb Europas waren, eben um die europäische Integration voranzutreiben, um sich gegenseitig kennen zu lernen, können wir sagen, ist es ein großer Erfolg gewesen, aber deshalb müssen wir auch verstärkt in anderen Regionen, mit denen wir intensiv Kontakt haben und wo wir auch unsere Werte präsentieren wollen, dieses auch jetzt verstärkt machen und wir können den einen Euro nur einmal ausgeben, und wenn wir den Euro in Europa ausgeben, können wir ihn eben nicht in der islamischen Welt, nicht in Indien und nicht in China ausgeben.

Wuttke: Das hieße aber andersherum, das Goethe-Institut kann guten Gewissens sagen, dort, wo demnächst vielleicht nur noch ein Postfach existieren wird, ist der Dialog, also ich beziehe mich jetzt auf Europa, ist der Dialog der Verständigung mit Erfolg abgeschlossen?

Griefahn: Wir haben innerhalb von Europa heute einen unglaublichen Austausch auch automatisch über Universitäten, über Städtepartnerschaften, und das auch sehr gut und auch sehr wichtig und soll auch weiter unterstützt werden, und es wird eben nicht nur in Europa Postfächer geben, sondern es wird eben neue Modelle von Zentren geben. Zum Beispiel, dass man an einer Universität eben weiterhin Sprachkurse hat, dass man ein Zentrum hat, mit denen man gemeinsam mit der örtlichen Stadt oder der Universität Veranstaltungen organisiert und dafür auch öffentliche Räume nutzt. Indem Bibliothekangebote mit in Universitäten integriert werden oder in eine städtische Bibliothek integriert werden. Das sind alles Modelle, die man jetzt innerhalb des freizügigen Europas auch viel leichter machen kann. Und wo wir in Osteuropa zum Beispiel noch einen großen Nachholbedarf haben, und deshalb auch verstärkt darauf jetzt setzen, dahin zu gehen.

Wuttke: Aber in der letzten Woche wurde, um noch mal auf China zurückzukommen, gerade in einer Bibliothek wurden audiovisuelle Medien aufgestellt und zwar zur Selbstbedienung vor allen Dingen für Deutschlehrer in China. Kann es das sein, was die Kulturpolitik, die Kulturarbeit des Goethe-Instituts ausmacht?

Griefahn: Es soll weiterhin intensiv ein Dialog stattfinden, und dafür brauchen wir natürlich die Mittel, dafür brauchen wir auch Projektmittel und die gute Arbeit, die das Goethe-Institut geleistet hat, kann nun nicht einfach sozusagen nur aufgestockt und addiert werden, sondern man wird in dem gleichen Rahmen der Mittel, die wir bislang eben zu 42 Prozent in Westeuropa benutzt haben, diese Mittel eben verstärkt woanders einsetzen, und man muss immer wieder schauen: Wie sind sie konkret vor Ort am besten eingesetzt. Zum Beispiel in Rumänien haben wir mit der Robert-Koch-Stiftung eine Kooperation, dass wir an 30 Orten versuchen, dort Programmarbeit zu zahlen, das Bosch-Institut dafür jeweils Personal zur Verfügung stellt. Das ist eine ganz tolle Kooperation. Dann haben wir mit dem Institut Français oder dem British Council je nach Land auch gemeinsame Kooperationen zum Beispiel jetzt ein Haus in Ramallah, was wir mit dem Institut Français zusammen betreiben, auch das ist ja eine europäische Realität, dass wir heute wirklich auch gemeinsam als Europäer auftreten, ich glaube, das ist sehr gut.

Wuttke: Aber treten wir tatsächlich gemeinsam als Europäer auf? Das Nein zur EU-Verfassung in Frankreich und Niederlanden, da zeigte sich gestern die Grünen-Politikerin Uschi Eid bei uns sehr, sehr vorsichtig, was den Rückzug aus der europäischen Kulturarbeit anbelangt.

Griefahn: Ich glaube, dass die Gemeinsamkeit, die wir mit dem Institut Français, mit dem Institut de Cervantes aus Spanien, mit dem British Council entwickelt haben, ein guter Schritt sind und die Kulturarbeit war immer etwas, was sozusagen weit vor den politischen Verhältnissen war und das Nein zur europäischen Verfassung war nicht etwas, was sozusagen ausschließlich auf die Verfassung alleine oder den europäischen Gedanken alleine ausgerichtet war, sondern was natürlich auch ein Stück gegen die politische Führung ging, das muss man immer mit dabei beachten. Die Kulturarbeit, die läuft sehr intensiv, und ich glaube, dass das auch ein wirklich wichtiges Zeichen ist, dass wir in einer sich globalisierenden Welt auch versuchen zu zeigen: Was sind unsere Werte, was sind Menschenrechte, was ist Gleichberechtigung und was bedeutet eigentlich Kultur für uns. Ist das nur ein Luxus oder ist das eine Grundlage des Lebens. Und das ist etwas, was wir nicht einfach additiv sozusagen machen können, sondern dann auch sagen müssen, wir müssen in Europa umstrukturieren, vor Ort anders uns organisieren, um eben auch die Möglichkeit zu haben, diesen Dialog woanders tatsächlich auch zu führen.

Wuttke: Aber Sie schneiden Themen an, die man unter Globalisierungsthemen nicht abhaken kann, aber reinlegen kann in diesen Aktenordner. Es geht doch auch um ein umfassendes und vor allen Dingen um ein umfassendes Deutschlandbild und Kritiker, wie der ehemalige hessische Kulturminister Holzapfel, aber auch Journalisten, kritisieren, das Goethe-Institut würde die Aufgaben aufgeben, die vor der Haustür lägen. Man spricht von Tölpelei.

Griefahn: Was heißt das Aufgaben aufgeben, die vor der Haustür liegen. Wir vermitteln weiterhin die deutsche Sprache, das ist ein ganz wichtiger Punkt, und gerade deshalb müssen wir zum Beispiel auch in die osteuropäischen Länder und in die ehemaligen GUS-Staaten verstärkte Arbeit leisten, denn das war etwas, was früher automatisch war durch die Anbindung mit auch an die DDR. An den Wurzeln müssen wir anknüpfen, denn da sind Leute, die ein großes Deutschinteresse haben. Nehmen Sie nur mal das Beispiel Vietnam: Da gibt es ein wahnsinnig starkes Interesse an dem Goethe-Institut, und deswegen ist es auch gut, dass es dort eine intensive Arbeit macht. Und so ist es eben auch in anderen Ländern. Rumänien habe ich bereits erwähnt. Deutschkenntnisse, das umfassende Kulturbild, das sind ganz wichtige Dinge und die wollen wir auch nicht aufgeben, bloß die Methoden müssen differenzierter sein. Es kann nicht immer nur sein, dass es ein großes schönes Haus in einer zentralen Stadt gibt. Dort trifft man sich, und das ist es dann, sondern man muss es je nach Situation, je nach Land anpassen. Wir haben zum Beispiel sehr lange schon eine Kulturarbeit jetzt in Teheran wieder, obwohl wir dort immer noch kein offizielles Goethe-Institut haben. Diese Kulturarbeit ist sehr intensive Spracharbeit. Sie ist aber auch Programmarbeit zum Beispiel mit dem Austausch von Theatergruppen und ich glaube, das ist sehr erfolgreich, weil wir dadurch eben auch wirklich schaffen, den Kontakt auch mit denen, die offen sind, und mit denen, die etwas anderes wollen als das jeweilige Regime, auch beibehalten, und ich glaube, dass auch ein wichtiger Teil der Kulturarbeit ist.

Wuttke: Frau Griefahn, trotzdem noch mal die Frage: Bislang verstand sich das Goethe-Institut als Instrument auswärtiger Kulturpolitik und nun mutmaßt man, es wird Kulturpolitik als Instrument auswärtiger Politik betrieben.

Griefahn: Die auswärtige Kulturpolitik war immer ein Teil, das hat bereits in den 70er Jahren Willy Brandt gesagt, ein Teil der Außenpolitik, nämlich die dritte Säule der Außenpolitik. Sie hat nie nur eine eigene Funktion gehabt, sondern sie hat immer auch eine außenpolitische Funktion gehabt. Und ich glaube, Deutschland kann ja auch zeigen, dass es nach dem Krieg geschafft hat, sozusagen auch wieder in die europäische Gemeinschaft sich zu integrieren, einen Dialog mit Nachbarn zu führen, mit denen man lange verfeindet war. Das ist in vielen Regionen ja auch der Fall, dass es Länder gibt, die mit ihren Nachbarn verfeindet sind, und das ist doch auch ein wichtiger Teil der Kultur, dass man das schafft, miteinander wieder umzugehen.

Wuttke: Thomas Steinfeld von der "Süddeutschen Zeitung" gehört zu den vehementesten Kritikern einer Umstrukturierung des Goethe-Instituts und er erklärt, der deutschen auswärtigen Kulturarbeit würde jede vernünftige Existenzgrundlage geraubt aus Botmäßigkeit gegenüber dem obersten Dienstherrn, nämlich gegenüber dem Auswärtigen Amt. Wie ordnen Sie diesen Kurswechsel also ein?

Griefahn: Ich halte die Kritik von Thomas Steinfeld für absurd, wenn er sich mit der Realität beschäftigt und die tolle Arbeit, die die jeweiligen Goethe-Institutsleiter vor Ort leisten und auch die Programme, die konkret vor Ort gemacht haben, sich anschaut, dann wird er sehen, wie wichtig das ist und wie wichtig auch weiterhin der Dialog, den wir im Jahre 2000 auch schon festgeschrieben haben, also bereits seit sechs Jahren haben, vor Ort notwendig ist und auch gebraucht wird und wie auch gewünscht wird, dass wir mit den Ländern Kontakt haben. Und dazu gehört die deutsche Sprache, dazu gehört der Kulturaustausch, und deswegen halte ich die Kritik wirklich für nicht angemessen.

Wuttke: Monika Griefahn, die Sprecherin der SPD-Fraktion für Kultur und Medien, Ihnen herzlichen Dank!