Beat Ringger: "Pharma fürs Volk"

Habgier statt Heilung

06:42 Minuten
Cover des Buches "Pharma fürs Volk" des Schweizers Beat Ringger. Der Schriftzug ist leicht schräg in Rot auf einem stilisierten Beipackzettel gedruckt, darunter die Zeile "Risiken und Nebenwirkungen der Pharmaindustrie".
© Rotpunktverlag
Pharma fürs Volk – Risiken und Nebenwirkungen der PharmaindustrieRotpunktverlag, Zürich 2022

232 Seiten

25,00 Euro

Von Martin Mair · 08.10.2022
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Profitstreben und Pharmamonopole verhindern die Entwicklung wichtiger Medikamente, glaubt Autor Beat Ringger. Der Schweizer fordert eine weltweite Revolution des Arzneimittelmarkts. Doch seine Rosskur hat Nebenwirkungen.
Explodierende Arzneimittelpreise, fehlende Innovationen und Produktion auf Kosten der Umwelt – die Liste der Kritik am Geschäft der Pharmaindustrie ist lang. Und sie ist Gegenstand zahlreicher Bücher. Wer da wie Beat Ringger ein weiteres schreiben will, tut gut daran, einen klaren Plan zu haben.
Das nimmt der Autor von „Pharma fürs Volk“ für sich in Anspruch. Auf drei Arten lasse sich sein Buch lesen, schreibt der Schweizer gleich auf den ersten Seiten: als Sachbuch, ökonomische Studie oder gesellschaftspolitische Intervention.
Ringger verspricht kurzerhand den großen Wurf und scheitert daran fast zwangsläufig, denn der Autor wird keinem seiner Ansprüche wirklich gerecht: Als Sachbuch bleibt „Pharma fürs Volk“ zu schlaglichtartig, als ökonomische Analyse zu oberflächlich und als Gesellschaftskritik zu unscharf.

Akribische Recherche

Das liegt nicht an fehlendem Fleiß und mangelnden Fakten – akribisch liefert der Schweizer einen Aufriss der großen Player der Pharmabranche: Detailversessen listet er die Umsatzzahlen einer Billionen-Dollar-Industrie auf, die sich auf wenige Konzerne verteilt.
Er beziffert Ausgaben für Forschung und Entwicklung, Marketing und Gewinnstreben großer Firmen wie Novartis und Roche. Weist nach, dass viele neue Medikamente nur scheinbar einen Fortschritt für Kranke bedeuten, aber die Preise nach oben treiben. Belegt, dass sich die Entwicklung neuer Arzneimittel auf Krankheiten konzentriert, mit denen sich in reichen Industrieländern Geld verdienen lässt. Prangert ein Patentwesen der Industrie an, das sich oft auf Grundlagenforschung beruft, die öffentlich gefördert wurde.
Am Ende ist in der Welt von „Big Pharma“ bei Ringger kein Platz für die Menschen, denen Medikamente helfen sollen. Sondern nur für Gewinnstreben und Aktionäre.

Forschung für alle?

Zwangsläufig kommt der Autor in seiner Argumentationswelt zum Schluss, dass privatwirtschaftliche Pharmafirmen nie im Sinne des Gemeinwohls tätig werden. Dass der linke Aktivist eine von der öffentlichen Hand finanzierte Forschungs- und Produktionslandschaft fordert, ist da nur konsequent. Weltweit müssten dafür verschiedene Staaten, Institutionen und Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten, um die von ihm ausgemachte Arzneimittelkrise zu beheben.
Doch das Buch krankt daran, die entscheidenden Antworten der eigenen Vision schuldig zu bleiben. Für eine gemeinwohlorientierte Arzneimittelversorgung von Forschung bis zur Produktion als Gegengewicht zur aktuellen Industrielandschaft gibt es viele bestechend gute Argumente, nur: Wer soll sich an die Spitze dieser Revolution stellen? Und vor allem: Wie?
Ringger macht sich einen schlanken Fuß, wenn sich in seiner Welt vieles einfach verändern „müsste“. Damit rückt er seinen geforderten Umbruch selbst in eine abstrakte Ferne, die mehr als Utopie daherkommt als ein realistisches Zukunftsszenario.

Gesundheit auf Kosten der Armen

Aber: „Pharma fürs Volk“ leuchtet mit dem grellen Scheinwerfer in die dunklen Ecken der Pharmabranche. Das Buch hält dem Leser schonungslos den Spiegel vor, denn die Versorgung weniger Kranker in reichen Ländern hat einen Preis, den der Großteil der Menschen in armen Ländern zahlen muss.
Und so schablonenhaft die Kritik am großen Ganzen bisweilen ist – es lohnt, sie immer wieder anzubringen. Dazu leistet Beat Ringger einen lesenswerten Debattenbeitrag. Auch wenn man am Ende der Lektüre recht ohnmächtig zurückbleibt.

Beat Ringger: „Pharma fürs Volk – Risiken und Nebenwirkungen der Pharmaindustrie“
Rotpunktverlag, Zürich 2022
232 Seiten, 25 Euro

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