Globale Impfstoff-Verteilung

Schwere Vorwürfe gegen die Pharmaunternehmen

07:43 Minuten
Ampullen mit dem Covid-19-Impfstoff von Moderna werden von Gabelstaplern bewegt.
Der US--Hersteller Moderna. © picture alliance / Pixsell / Zeljko Lukunic
14.02.2022
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Die Impfstoffe gegen Covid-19 sind weltweit sehr ungleich verteilt. Während der Virologe Ralf Bartenschlager das Problem nicht bei den Pharmaunternehmen sieht, weist Gesundheitsexperte Christoph Benn auf die damit verbundenen globalen Gefahren hin.
Amnesty International wirft den Herstellern von Impfstoffen gegen das Coronavirus in einem neuen Bericht „Profitgier“ vor. Trotz satter Gewinne in den reichen Staaten würden diese kaum Impfstoff in die ärmeren Staaten liefern – das sei eine "Menschenrechtsverletzung" in großem Ausmaß.
So habe etwa Moderna von den 670 Millionen Impfdosen, die das Unternehmen 2021 produziert hat, nur zwei Prozent in ärmere Länder geliefert, heißt es; bei Pfizer und Biontech sei es sogar nur ein Prozent gewesen. Amnesty verlangt deswegen, dass die Pharma-Unternehmen ihre Patente und Technologien freigeben.

Impfproduktion vor Ort ist entscheidend

Der Virologe Ralf Bartenschlager von der Universität Heidelberg betrachtet die Vorwürfe als ungerechtfertigt. Zum Teil sei sicherlich auch eine Lieferung von Impfstoffen möglich, aber für eine gewisse Nachhaltigkeit brauche man Produktionsmöglichkeiten und Personal vor Ort, um den Impfstoff in der nötigen Qualität und Menge herzustellen. Nur die Freigabe der Patente nütze nichts.
Über Programme wie Covax der Weltgesundheitsorganisation werde zwar versucht, Impfstoff in gewissem Umfang auch an ärmere Länder zu liefern, aber eine vollständige Versorgung sei „logistisch nicht zu leisten“. Man müsse zukünftig auf eine Pandemie besser vorbereitet sein und die Produktionsmöglichkeiten vor Ort bereithalten, so dass man dann schnell Impfstoff in größeren Mengen herstellen könne.

Erst zehn Prozent Geimpfte in Afrika

Auch der Gesundheitsexperte Christoph Benn fordert die Freigabe der Patente für Corona-Impfstoffe, um der Pandemie in Afrika zu begnen. Dort seien erst zehn Prozent der Menschen geimpft, sagt der Direktor für Globale Gesundheitsdiplomatie am Joep-Lange-Institut in Amsterdam. "Die Pandemie geht in Afrika weiter." Deshalb werde es wahrscheinlich auch zu neuen Varianten des Virus kommen.
Benn verwies auf die Erfahrungen bei der Bekämpfung von Aids auf dem afrikanischen Kontinent, wo es vor Jahren eine vergleichbare Debatte gegeben habe. Seit die Patente freigegeben seien, könnten Millionen von Afrikanern mit Medikamenten behandelt werden, die zum Großteil in den Ländern hergestellt würden.
Ein aus mehreren Containern zusammengesetzter "Biontainer" steht in einer Produktionshalle des Pharma-Unternehmens Biontech in Marburg. Die Container in der Modul-Bauweise sollen in Zukunft in Afrika eingesetzt werden, um dort damit vor Ort mRNA-Impfstoffe zu produzieren.
"Biontainer" der Firma Biontech sollen die Produktion von mRNA-Impfstoffen auch in Afrika ermöglichen. © picture alliance /dpa / Boris Roessler
"Die Befürchtung, dass Firmen wie Biontech dadurch ihre Geschäftsgrundlage verlieren, ist völlig unangemessen", sagt Benn. Das Argument habe es damals bei Aids auch gegeben. Die Pharmafirmen machten ausreichend Gewinne in den reichen Ländern. "Was gefordert wird, ist nicht eine Aufgabe des Patentschutzes, sondern eine Ausnahmeregelung zu treffen für die Krankheiten, die einen globalen Notfall darstellen", betont Benn.

Gewinnchancen trotz Lizenzfreigabe

Die modularen Produktionsanlagen, mit denen Impfstoff in Afrika hergestellt werden könne und die Biontech gerade vorgestellt habe, seien ein wichtiger Schritt, so Benn. Er habe den größten Respekt vor der wissenschaftlichen Leistung der Firmengründer Özlem Türeci und Ugur Sahin. "Die sind innovativ, die haben Ideen und auch die richtigen Absichten."
Aber was spreche dagegen, diese Container nach Afrika zu liefern, um damit die eigene Impfstoff-Produktion zu steigern, aber gleichzeitig auch die Lizenzen freizugeben, fragt Benn. "Dann kann man schauen, was ist günstiger, was geht schneller, wie kann man das schnell hochfahren." Das würde den Ländern in Afrika erlauben, im großen Maßstab zu impfen, und Biontech könnte auch so weiter seine Gewinne erzielen, meint der Gesundheitsexperte.

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