Aus den Feuilletons

Beethoven ohne Vokale

Das Logo für die Feierlichkeiten rund um den 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven.
Das Logo für die Feierlichkeiten rund um den 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven. © picture alliance / dpa / Klaus-Dietmar Gabbert
Von Ulrike Timm |
Das Logo für das Beethoven-Jahr 2020 steht schon jetzt fest und kommt mit wenigen Buchstaben aus: BTHVN 2020. Das sei "nicht nur irgendwie kahl, sondern total tonlos", kommentiert der Tagesspiegel.
Dafür hat bestimmt mal wieder eine PR-Agentur viel Geld kassiert! "BTHVN" – "Bundesanstalt für Tugend, Humanismus, Völkerverständigung und Nachhaltigkeit?" – fragt sich Frederik Hanssen im TAGESSPIEGEL. Gemeint ist – klar doch – Beethoven 2020. Dann steht nämlich der 250. Geburtstag des Komponisten an, und den muss man strategisch vorplanen. Steht sogar in der Koalitionsvereinbarung von SPD, CDU und CSU, denn Beethovens Geburtstag "bietet herausragende Chancen für die Kulturnation Deutschland im In- und Ausland."
Also wurde mit großem Aufwand vor übersichtlicher Journalistenschar schon mal das Logo präsentiert - so fängt eine strategische Großtat schließlich an! Und damit das Logo schön stylisch daherkommt, hat man Beethovens Namen die Vokale geraubt und – genial! – BTHVN 2020 in die Welt gesetzt.
"Ein Logo, wie es nur Menschen erfinden können, die mit den Augen denken – oder die so taub sind wie der Komponist am Ende seines Lebens, weil es nur auf dem Bildschirm funktioniert, BTHVN 2020, irrwitzig unaussprechlich. Allenfalls als Abfolge von Knall- und Zischlauten ... Für jeden, der offene Ohren hat, wirkt dieses Logo ohne Vokal nicht nur irgendwie kahl, sondern total tonlos, und darum genauso attraktiv wie geschriebene Noten, die niemand durch Musizieren zum Leben erweckt."
Schreibt Frederik Hanssen im TAGESSPIEGEL. Egal, Logo ist in der Welt, Logoausbrüter wurden bestimmt gut bezahlt, Beethoven 2020 – wir werden sehen …

Utopien und Blaupausen einer fernen Welt

"Lieblingsschimpfwort: Bedenkenträger. Lieblingsverb: machen".
Immer noch Werbeagentur-Deutsch. Aber diesmal mit Blick ganz weit voraus und in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Die kümmert sich in einem halb futuristisch, halb wissenschaftskritischem Beitrag unter der Überschrift "Ich sehe was, was du nicht siehst" um die ganz großen Dinge: Marskolonien, 4000 m hohe Häuser und privatisierten Weltraum mit umweltschonendem Liftzugang. Dauert alles wahrscheinlich ein bisschen länger noch als 2020, aber im Silicon Valley werkelt man an solchen Zukunftsvisionen so ernsthaft wie emsig.
"Sicher ist, (solche) Utopien und Blaupausen einer fernen Welt ziehen immer heftigere Kritik auf sich – und nähren so die Frage, welche Form von Fortschritt und Zukunftsglaube heute eigentlich noch möglich oder sinnstiftend ist."
So Gerhard Matzig in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Für die nicht ganz kleinen Sorgen dieser Welt ist ein sauteurer Weltraumlift derzeit wohl tatsächlich nicht zielführend, aber es steckt schon viel Geld in dem Projekt und Hunderte stehen bereits Schlange für den ersten Touristentrip in ferne Galaxien, und schließlich:
"Auch der Turm des Gustave Eiffel, 324 m hoch und bis 1889 als seinerzeit höchstes Bauwerk der Welt errichtet, war in seiner Epoche zunächst nur eine verrückte, ja wahnsinnige Idee. Heute ist der Eiffelturm eines der populärsten Embleme der modernen Welt".
Von dessen Standort Paris erreicht uns die knallharte, haarsträubende News vom Monatsgehalt des Präsidentenfriseurs, schlappe 9895 brutto. Und während die TAZ ein Profilfoto Hollandes zeigt, damit man sieht, was der arme Figaro alles zu schnippeln hat, schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE mitfühlend über dessen Fulltimejob:
"Immer gibt es etwas zu striegeln und zu glätten, notfalls mit Spucke. Und es liegt auf der Hand, dass man so etwas nicht nebenbei machen kann. Denn für den Friseur gibt es ja nur diese eine Präsidenten-Rübe, bei der es auf jedes einzelne Haar ankommt."

Camerons musikalischer Abgang

Vielleicht sollte man sich mit Blick auf die Absurditäten dieser Welt einfach ein Liedchen pfeifen. Hat David Cameron ja auch gemacht, als er abtrat. Vier Töne auf dem Weg zur Tür von Downing Street 10 bei offenem Mikrofon, was dann geschah, ist ein musikalisches Wunder, meint die SZ:
"Ein Politiker summt dummes Zeug, die Welt antwortet mit Schönheit, Glanz und Eleganz".
Spontanchöre improvisieren über Camerons Töne im Netz, Komponisten weiten das karge Thema bis hin zum Symphoniebeginn, und die SZ stellt die ganze Chose vergnügt online. Wenn jetzt noch Beethoven, pardon, BTHVN, sich meldet und mitsummt … Ach Du lieber Ludwig!
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