Musik mit Weltraumtönen

Wie klingt der Nebel des Orions?

Der berühmte Orionnebel
Der berühmte Orionnebel © ESO
Von Julia Macher · 17.06.2016
Eigentlich ist der Weltraum stumm. Doch die Astronomen des Observatoriums ALMA in der Atacamawüste haben es geschafft, ihre Messdaten hörbar zu machen - und daraus entsteht dann sogar Tanzmusik.
So klingt der Nebel des Orion. Zumindest in den Ohren des deutsch-chilenischen Künstlers Atom Heart alias Uwe Schmidt.
Was da so sphärisch wabert, summt und surrt, sind Messergebnisse des Observatoriums ALMA in der chilenischen Atacamawüste: Emissionen von 1500 Lichtjahren entfernten Staub- und Gaswolken, aufgezeichnet am 20. Januar 2012. Genauer gesagt: Was da klingt ist die akustische und künstlerische Interpretation dieser Daten.
Denn natürlich ist der Weltraum stumm. Die Antennen des weltgrößten Radioteleskops messen das unsichtbare Licht, das elektromagnetische Abbild von Kohlen-, Wasser-, Sauerstoff- und Heliummolekülen. Als im letzten Jahr das Festival Sonar+D an die Türen der internationalen Forschungsstation klopfte, war es auch genau das, was dem Astronomen Antonio Hales Kopfzerbrechen bereitete.
"Die erste Reaktion war ein großer Seufzer. Wissenschaftler haben bei solchen Kunstprojekten Angst, dass die wissenschaftliche Strenge, die Gültigkeit verloren gebt. Aber es gibt ja tatsächlich grundlegende Ähnlichkeiten zwischen dem Geräusch und dem Licht, das wir messen. Beides stellen wir in Wellenform dar. Was wir gemacht haben, ist diese elektromagnetische Frequenz in eine hörbare zu übersetzen, ihre Charakteristika haben wir dabei bewahrt."

Kosmisches und Tanzbares

Dazu mussten die Schwingungen extrem verlangsamt werden, von einer Frequenz von einem GigaHertz auf den hörbaren Bereich, und interpretiert werden. Kuratorin Paloma Chicharro.
"Jede Messung hat in ihrer grafischen Darstellung Peaks, Ausschläge nach oben, zum Beispiel die Kohlenstoffmoleküle. Unsere künstlerische Interpretation war dann, diese hohen Ausschläge auch in hohe Töne zu übersetzen."
1486 Samples haben die Macher so geschaffen und zur freien Verfügung ins Netz gestellt. Die Tracks, die daraus entstanden, oszillieren zwischen kosmischer Meditation und sehr tanzbarer Welt- und Raum-Erfahrung. Pünktlich zum Festival ist die erste CD erschienen. Die Musiker, sagt Kurator Enrique Rivera, hätten den Reiz des Projekt intuitiv schnell begriffen.
"Das etwas Jahrmillionen durchs Weltraum reist, in einem bestimmten Moment aufgezeichnet und dann ins Weltall zurückgegeben wird, das ist einfach eine unglaublich faszinierende Metapher."

Antworten auf die großen Fragen

Astronom Antonio Hales brauchte etwas länger, um seine pragmatischen Kollegen aus der Wissenschaft vom Sinn des Projekts zu überzeugen.
"Kunst ist ein mächtiger Kommunikationskanal, über den wir sehr viele Menschen erreichen. Aber Kunst steht auch in engem Zusammenhang zu den Gefühlen. Wir Wissenschaftler gelten als harte, kalte Quadratschädel. Dabei tun wir das, was wir tun, aus einer ganz tiefen Überzeugung heraus, die letztlich emotional ist, aber nicht wissenschaftlich erklärt werden kann. Mit diesem Projekt können wir nicht nur das Was, sondern auch das Warum unserer Arbeit auszudrücken."
Die Kooperation hat eine Fortsetzung gefunden: Die Forschungsstation ALMA beherbergt regelmäßig Künstler, veranstaltet Astronomie-Seminare für Musiker. Letztlich, sagt Antonio Hales, suchten Künstler und Wissenschaftler doch das Gleiche: Eine Antwort auf die großen Fragen nach dem Woher, Wohin, Warum. Bloß, dass Astronomen die Antennen dazu nach außen – und Künstler nach innen richten.
Mehr zum Thema