Ann Mbuti: "Black Artists Now!"

Jedes Portrait eine suggestive Verführung

06:17 Minuten
Das Cover des Buchs "Black Artists Now!" von Ann Mbuti zeigt die Illustration eines schwarzen Mannes.
© C.H. Beck

Ann Mbuti

Black Artists Now! Von El Anatsui bis Kara WalkerC.H. Beck, München 2023

144 Seiten

24,00 Euro

Von Thorsten Jantschek |
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Ann Mbuti porträtiert in ihrem Buch 15 schwarze Künstlerinnen und Künstler. Dabei geht es ihr vor allem um die soziale Konstruktion des "Andersseins". Die Autorin erzählt persönliche Geschichten, ohne sich je in einen Kunstslang zu versteigen.
Die gute Nachricht zuerst: Schreiben über Kunst muss nicht kompliziert und voraussetzungsreich sein. Ist es das nicht, muss es nicht automatisch oberflächlich und trivial werden.
Ann Mbuti hat dafür den Beweis geliefert, mit einem Buch, das auf den ersten Blick einem federleichten Album gleicht. Fünfzehn Künstlerinnen und Künstler werden hier porträtiert, die eines vereint: Sie sind Schwarz. Damit sei – wie die Autorin gleich zu Beginn betont – „nicht nur ihre Hautfarbe gemeint, sondern die soziale Konstruktion des Andersseins und die nicht-privilegierte Positionierung in der Gesellschaft.“

Schwarzbier und Spiel mit dem Reinheitsgebot

Dass die Kunstwelt bis in die Gegenwart von einer Kunstgeschichtserzählung geprägt ist, die Schwarze Künstlerinnen und Künstler marginalisiert und dass Ausstellungen, Documentas und Biennalen seit Jahren versuchen, diesen ästhetischen Kanon zu korrigieren, dürfte jedem Kunstweltinteressierten mittlerweile klar geworden sein.
Schon insofern sind solche Bücher wichtig. Noch dazu, wenn sie so gelungen sind, wie das von Ann Mbuti. Das war die gute Nachricht. Jetzt kommt die bessere: Jedes dieser Porträts ist eine suggestive Kunstverführung geworden.
Egal ob es um den nigerianischen Künstler Emeka Ogboh geht, der mit afrikanischen Migranten zur Documenta in Kassel vor fünf Jahren unter der Verwendung von Gewürzen Schwarzbier gebraut hat und mit einer Werbekampagne zur Marke „Sufferhead“ ein sehr hintergründiges Spiel mit dem deutschen „Reinheitsgebot“ gespielt hat.

Schwarze Gesichter in Grautönen gemalt

Oder ob es um die us-amerikanische Malerin Amy Sherald geht, die als Porträtmalerin ausschließlich schwarze Modelle malt und so eine tief in der westlichen, europäischen Kunstgeschichte verwurzelte Tradition um die Kultur der Darstellung schwarzer Menschen bereichert. Deren Gesichter werden stets in Grautönen gemalt, um das Konzept von „race“ von einer Hautfarbe zu unterscheiden.
Längst ist Sharald ein Star geworden, nicht nur, weil sie es war, die das offizielle Porträt von Michelle Obama gemalt hat. Dieses unglaublich suggestive Bild ist so tricky, nicht nur weil es auf mich wirkt wie die besten Gemälde von Gustav Klimt, sondern auch, weil das Kleid, das die ehemalige First Lady dort trägt, selbst wie eine weiße Leinwand wirkt, auf der geometrische Formen auf die Geschichte der abstrakten Kunst anspielen. Oder vielleicht doch auf textile Praktiken Schwarzer Kultur?

Sinnlich illustriert von Sumuyya Kader

Stets leitet Mbuti die Porträts  mit einer sehr persönlichen Erinnerung oder Geschichte des jeweiligen Künstlers oder der Künstlerin ein, beschreibt den biographischen und sozialen Kontext, die künstlerische Entwicklung. All das auf wenigen Seiten, nie versteigt sie sich in irgendeinen Kunstslang.
Jedes Kapitel enthält sehr anschauliche Abbildungen der Kunstwerke. Und dieses Buch ist außergewöhnlich sinnlich illustriert von der in Liverpool lebenden Künstlerin Sumuyya Kader: Für jede Künstlerin, für jeden Künstler hat sie ein ausdrucksstarkes Porträt entworfen und erreicht damit – so unterschiedlich die Werke und Ausdrucksformen auch sind – so etwas wie eine ästhetische Klammer, die das Buch zusammenhält.
Wenn man am Ende den einen oder die andere Künstlerin/Künstler vermisst, wie zum Beispiel Julie Mehretu oder Kerry James Marshall, dann ist das kein Mangel des Buches, sondern dem Wunsch geschuldet, die Lektüre hätte noch etwas länger dauern können. Gerne mehr, Ann Mbuti!
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