Hannes Klug: "Schauplatz Film - New York"

Kinogeschichte der besonderen Art

Spektakulärer Blick von Manhattan auf den Sonnenuntergang in Brooklyn, New York City
Spektakuläre Blicke in New York inspirierten viele Filmemacher. © imago / CHROMORANGE
Von Manuela Reichart · 11.02.2016
Hollywood ist das Zentrum der amerikanischen Filmindustrie. Aber New York war die innovativere Kino-Stadt. Das Kino selbst hat New York zum Mythos gemacht, wie Hannes Klug in "Schauplatz Film - New York" dem Leser anschaulich vor Augen führt.
"Allein 2014 wurden in New York mehr als 230 Film- und 39 Fernsehserien gedreht" schreibt der Düsseldorfer Journalist und Drehbuchautor Hannes Klug, der in New York gelebt hat, im Vorwort seines eindrucksvollen, gut recherchierten Bandes.
Und dann ruft er uns ein berühmtes Bild ins Gedächtnis: Audrey Hepburn am frühen Morgen im schwarzen Abendkleid und mit großer Sonnenbrille vor den Schaufenstern von Tiffany’s an der Fifth Avenue. Auch wer noch nie dort war, kennt die Stadt aus dem Kino, die verschiedenen Viertel von New York, die die Regisseure in Szene gesetzt haben. Schon als zu Beginn des 20. Jahrhunderts hier Hochhäuser gebaut wurden, dokumentierten Filmemacher diesen Aufbruch in eine neue Ära. "New York und seine Filme sind zur selben Zeit groß geworden."
Hannes Klug unterteilt seine Kinogeschichte der besonderen Art in vier Kapitel: "Stadtansichten", "Amerikanische Träume und Albträume", "New Yorker Landschaften" und "Urban Jungle". Es geht da etwa um Straßenschluchten und Hochhäuser am Beispiel von "King Kong" aus dem Jahr 1933 oder "The Naked City", 1948 von Jules Dassin gedreht. Musste für das Monster das neue Empire State Building noch nachgebaut werden, wurde 15 Jahre später schon "on location", also an Originalschauplätzen gedreht. Der Autor zitiert den Anfang von Dassins Kriminalfilm, in dem es im Voice Over heißt: "Das ist die Stadt, wie sie ist."
Das Kino überhöht die Stadt und ihre Realität
Wobei New York auf der Leinwand natürlich niemals nur die Stadt ist, wie sie in der Realität existiert. Im Kino sehen wir immer auch die Träume von der Stadt, die Überhöhung oder auch Erniedrigung der Wirklichkeit. Die Poesie oder Härte der Kinobilder entwerfen und leiten unseren Blick. Einerseits. Andrerseits ist ein Film wie "Taxi Driver", von Martin Scorsese 1976 gedreht, eben auch ein historisches Dokument, weil das Manhattan, durch das Robert de Niro Nacht für Nacht fährt, heute nicht mehr existiert. Und den sogenannten "Needle Park" an der Upper West Side – dessen Drogenszene in "The panic in Needle Park" von 1971 mit Al Pacino im Zentrum steht – gibt es auch schon lange nicht mehr.
Hollywood ist das Zentrum der amerikanischen Filmindustrie, aber New York war die innovativere Kino-Stadt, in der eine eigene Filmsprache entwickelt wurde. Hier arbeitete etwa Shirley Clarke, eine der wichtigen Gründerinnen der unabhängigen Filmszene, und John Cassavates drehte 1959 mit einer 16-mm-Handkamera und ohne Budget seinen Film "Shadows". Gewürdigt werden in Hannes Klugs materialreichem Buch neben den Außenseitern auch die bekannten New York-Regisseure, also vor allem Woody Allen und Martin Scorsese, aber auch Susan Seidelman, Spike Lee und Sydney Lumet. Es geht um berühmte Schauplätze wie "Katz Delicatessen", wo Meg Ryan in "Harry und Sally" eindrucksvoll einen Orgasmus markierte, oder das "Dakota Building", in dem Roman Polanski 1968 "Rosemary‘s Baby" drehte (zwölf Jahre bevor hier John Lennon erschossen wurde).
Neben gut lesbaren Filmgeschichten und Porträts entwirft der Autor Spaziergänge, schlägt Streifzüge auf den Kinospuren vor: etwa durch Brooklyn, wo man unbedingt in "Montero’s Bar & Grill" Station machen solle. "Eine Kneipe, in der man auf Zeitreise geht und in die Periode eintaucht, als Brooklyn noch New Yorks wilde Hafengegend war." Die auch deswegen eine wichtige Rolle spielt in dem von Bernd Eichinger 1989 mit dem Regisseur Uli Edel produzierten Film "Last Exit Brooklyn".

Hannes Klug: "Schauplatz Film - New York"
Mit 99 Abbildungen
Verlag Bückle & Böhm,
Regensburg 2015
259 Seiten, 22,90 Euro
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