Zwangslizenzen für E-Books

"Wir haben gepennt"

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Ein junger Mann liegt auf dem Sofa und hält einen Ebook-Reader in den Händen.
Über das Portal Onleihe haben Leser nahezu kostenlos Zugriff auf Ebooks der öffentlichen Bibliotheken. © Imago / Shotshop
Juli Zeh im Gespräch mit Joachim Scholl · 18.10.2021
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Verlage könnten dazu verpflichtet werden, den Bibliotheken Ebook-Lizenzen für alle Neuerscheinungen zur Verfügung zu stellen. Die Initiative "Fair lesen" stellt sich dagegen: Die Kostenlos-Mentalität müsse bekämpft werden, sagt Autorin Juli Zeh.
In Lockdown-Zeiten war es praktisch, sich die neuesten Bestseller über die öffentlichen Bibliotheken direkt auf den E-Book-Reader laden zu können. Dafür genügte ein Klick in dem Portal Onleihe, über das die Bibliotheken die E-Book-Ausleihe abwickeln. Immer mehr Besitzer von E-Book-Readern nutzen diese Möglichkeit gegen eine geringe Jahresgebühr.
Die Autoren, als Urheberinnen und Urheber der Texte, haben finanziell wenig davon. Sie verdiene pro heruntergeladenem E-Book nur wenige Cent, sagt etwa Juli Zeh.
Sie ist eine von rund 200 Autorinnen und Autoren (Stand: 18. Oktober, vormittags), Verlagen und Buchhandlungen, die sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen haben und über die Initiative "Fair lesen" in einem offenen Brief gegen eine "erzwungene Online-Ausleihe zu Niedrigpreis-Bedingungen" protestieren. Darunter auch Frank Schätzung, Sven Regener, Judith Hermann und Juli Zeh.

Bibliotheken haben kein Geld für angemessene Tantiemen

Der Protest richtet sich dagegen, Verlage über den Paragrafen 42b des Urheberrechtsgesetzes dazu zu verpflichten, Bibliotheken eine Lizenz für den Verleih von E-Books einzuräumen, sobald diese erschienen sind. Zeh, die auch Juristin ist, stellt klar:
"Kein Autor und keine Autorin möchte verhindern, dass Bibliotheken Bücher verleihen. Es geht einfach darum, einen Ausgleich zu finden." Aber: "Die Bibliotheken haben gar nicht so viel Geld, dass sie uns die angemessenen Tantiemen bezahlen könnten. Sie sind dafür nicht gut genug finanziell ausgestattet durch die Städte und Gemeinden, die für die Bibliotheken aufkommen müssen."

Viele wollen kein Geld für Bücher ausgeben

Die Folgen dieser misslichen Lage würden aber derzeit komplett von den Verlagen und Autorinnen und Autoren getragen, kritisiert die Autorin. Mittlerweile laufe fast die Hälfte des E-Book-Konsums über dieses kostenlose Modell, beschreibt Zeh die Ausmaße des Problems. Diese Ausleiher seien aber durchaus nicht nur Geringverdiener, sondern auch viele gut situierte Leute, die – laut Umfragen dazu – es einfach bequem fänden, keine Bücher mehr kaufen zu müssen.
Zeh will jedoch nicht akzeptieren, dass kein Kraut gegen diese Kostenlos-Mentalität gewachsen ist, die sich seit Längerem schon und sehr deutlich auch im Musiksektor zeigt: Niemand könne ernsthaft glauben – auch Leser und Bibliotheken nicht –, dass Autoren Bücher schrieben, um sie anschließend für die kostenlose Nutzung zur Verfügung zu stellen.
"Wir haben gepennt", sagt Zeh mit Blick auf die Folgen der Digitalisierung von Urheberinhalten. Doch noch könne man etwas unternehmen und auf die Politik einwirken, von Pflichtlizenzen abzusehen.
"Im Musikmarkt haben wir gesehen, wo das endet", so die Autorin. "Ich glaube, bei den Büchern sind wir noch nicht so weit. Da herrscht große Wertschätzung für die Literatur, gerade in Deutschland."
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