Zigaretten-Komponisten

Von Bernhard Doppler |
Einen kurzweiliger Abend hatte das Theater Lübeck auf dem Programm - mit zwei Einakter-Opern aus dem frühen 20. Jahrhundert: Ernst Kreneks "Das geheime Königreich" und Erich-Wolfgang Korngolds "Der Ring des Polykrates".
Vergessene Opern wieder zu spielen, ist Mode geworden. Ein Paradox: Einer der meistgespielten vergessenen Komponisten ist wohl Erich Wolfgang Korngold. Er musste schon sehr bald gegen das Vergessen kämpfen und wurde unter diesem Etikett "zu Unrecht vergessen" immer wieder gespielt. Um Ende der 20er Jahre seine Oper "Das Wunder der Heliane" durchzusetzen, benannte man aus Reklamegründen sogar eine Zigarettenmarke der Austria Tabakregie nach seiner Oper.

Die Zigarette "Heliane" als Gegensatz zur Zigarette "Jonny" und "JonnyFilter", letztere benannt nach der Erfolgsoper von Ernst Krenek "Jonny spielt auf". Die beiden Komponisten, deren Opern den Zigarettenmarken den Namen gaben, sind nun an einem Abend im Lübecker Theater zum Thema "Glück" zusammengekoppelt. Im Wiener Musikleben der 20er-Jahre waren Korngold und Krenek allerdings erbitterte Gegner. Der Abend zeigt vor allem einen Kontrast - und wohl auch einen großen Qualitätssprung Anfang des 20. Jahrhunderts.

Vernichtend urteilte der Satiriker Karl Kraus in Anlehnung an Schillers Ballade über die Spieloper "Der Ring des Polykrates": "Wenn der Gast sich noch einen Funken eines ehrlichen, durch keine Presstyrannis, der ja alles untertänig, beeinflussten Urteils erhalten hat, so wendet er sich ab mit Grausen". Kraus muss man 2012 Recht geben, auch wenn 1916 die Uraufführung des damals 19-jährigen Komponisten und zahlreiche Nachspielungen, lobende Worte von Richard Strauß und Gustav Mahler dagegen zu sprechen scheinen.

Gefeiert wurde mit Erich Wolfgang ein "Wunderkind", gefördert und durchgesetzt von seinem Vater, dem einflussreichen konservativen Wiener Musikkritiker Julius Korngold. In seiner gereimten Harmlosigkeit - die Verse a la Wilhelm Busch sind ernst und nicht satirisch gemeint - ist schon das Libretto von peinlicher Naivität. Ein Ehepaar und dazu ein Dienerpaar, die so uneingeschränkt glücklich sind, dass sie sich an "Schicksalsfrage" erproben, nämlich: Ob jeder von ihnen zuvor schon einen Liebhaber gehabt hätte. Nach einer kurzen folgenlosen Erörterung dieses Problems sind die Paare noch glücklicher!

Regisseur Franco Riepa die Meana macht noch das Beste draus: Theater im Theater, die Arien und Duette unter anderem auf das "schöne Wien" sind Proben für ein Konzert, und der miesepetrige Freund, der wie bei Schiller den glücklichen Polykrates mahnt, sein Glück nicht herauszufordern und zu leicht zu nehmen, erinnert in seiner Inszenierung an den strengen Vater Korngolds; ihn schickt die die junge Gesellschaft schließlich weg. Die konventionelle Komposition scheint zwischen den beiden Sträußen - Richard und dem Walzerkönig Johann angesiedelt. Auch ein wenig Lortzing ist in dieser Spieloper zu hören. Das Lübecker Orchester unter Anton Marek und die Sänger servieren gefällige, oft durchaus opernkulinarische Momente des Kritikerkindes.

Was für ein Kontrast dazu Kreneks "Das geheime Königreich". Ein intellektuelles und musikalisches Feuerwerk! Ambitionierte Musik der 20er-Jahre und dennoch äußerst publikumswirksam. Auch hier Theater auf dem Theater. Politik, aber wie auf Prosperos Zauberinsel in Shakespeares "Sturm" oder in Mozarts "Zauberflöte". Dem König, der nach einer Revolution zurücktreten will, ist der Narr beigesellt; die Königin verliebt sich in den Anführer der Revolution verliebt , stachelt ihn mit drei Damen auf, wobei sie Koloraturen wie Mozarts Königin der Nacht perlt. Schließlich wird sie in einen Baum verwandelt.

Krenek erinnert bisweilen an Kurt Weill, denn der Rückzug in eine innere Glückseligkeit wird zwar beschworen, aber in dem geistreichen Libretto des Komponisten auch ein wenig ironisiert; der Rückzug ins geheime Königreich ist in eine Musik, die jedenfalls prägnant den Zeitgeist der Moderne spiegelt, eingebettet. Und mehr noch als bei Korngold können die Sänger mit artistischen Leistungen beeindrucken. Das Lübecker Publikum erfreute sich an beiden Teilen gleichermaßen - aber gerade der Kontrast der beiden Opern macht deutlich, wie betulich und wie aufregend Oper sein kann, welche Opern tatsächlich zu vergessen und welche endlich zu entdecken sind.

Zu entdecken nämlich wäre vor allem Kreneks "Trittico", in dem die in Lübeck gezeigte Märchenoper über das Glück ursprünglich eingebettet war: ein Politthriller "Der Diktator", in der sich die politische Attentäterin in ihr Opfer, den Diktator, verliebt und das "Schwergewicht", eine Burleske über einen Preis-Boxer.
Zwei glückliche Paare in dem Einakter "Ring des Polykrates"
Zwei glückliche Paare in dem Einakter "Ring des Polykrates"© Theater Lübeck
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