Bachs Vorbild

Von Ullrich Bohn · 09.05.2007
Die Musikwelt begeht den 300. Todestag des Komponisten Dietrich Buxtehude. Besonders wird das in Lübeck getan. Denn dort hat Buxtehude als Organist und Werkmeister der Marienkirche von 1657 bis zu seinem Tode im Jahre 1707 seine Virtuosenkarriere vorangetrieben und viele innovative Projekte verwirklicht. Dennoch ist seine Musik sehr stark in Vergessenheit geraten.
Zum Kanon der "großen Komponisten" gehört Dietrich Buxtehude bis heute nicht. Seine Musik, so die weitverbreitete Ansicht, sei nur etwas für Liebhaber und Kenner. Entscheidend ist wohl eher, dass die Rezeptionsgeschichte Buxtehude bisher nie die Chance gab, aus dem Schatten von Heinrich Schütz und Johann Sebastian Bach he-rauszutreten. Wieso eigentlich, bei dieser doch so expressiven und originellen Mu-sik?

Ton Koopman, einer der wichtigsten Kämpfer für das Werk Buxtehudes, hat dafür eine logische Erklärung:

"Nach Buxtehudes Tod wurde seine Musik einfach vergessen."

Die meisten Kompositionen von Dietrich Buxtehude sind nur als Manuskripte oder Abschriften überliefert worden. Und vieles davon tauchte im Laufe der Jahrhunderte in Schweden wieder auf, in der Musikaliensammlung der Stockholmer Familie Düben:

"Düben hat die Werke von Buxtehude gekauft. Außerdem war Buxtehude am schwedischen Hof so beliebt, dass er an die 100 Kantaten geschrieben hat. Der Sohn von Düben hat alle Werke an die Universität von Uppsala gegeben, wo sie lange lagerten und wo man sie studieren kann."

Es bedurfte also stets engagierter Musikwissenschaftler und Musiker, die Werke Buxtehudes vom Staub der Archive zu befreien, sie immer wieder zur Diskussion zu stellen und sie zu Gehör zu bringen. Es galt aber auch, Vorurteile zu beseitigen, wie Wolfgang Sandberger, der Projektleiter der Lübecker Festwoche, unterstreicht:

"Befreit vom Image des spröden Protestanten – historische Aufführungspraxis bringt die einfachen Strukturen des Musik richtig zur Geltung."

Dies gilt vor allem für die sogenannten Abendmusiken in der Lübecker Marienkirche, die Dietrich Buxtehude zwar nicht selbst erfunden hat, sondern sein Amtvorgänger Franz Tunder, denen Buxtehude jedoch zu weitreichender Berühmtheit verhalf und damit dann auch als Veranstalter Furore machte:

"Große theatralische Konzerte, die enorme Beachtung fanden."

Und die alsbald auch Johann Sebastian Bach nach Lübeck lockten. Der junge Mann, wie Ton Koopman sagt, vom alten Meister Buxtehude regelrecht befangen war:

"Bach hat sich der Musik Buxtehudes beeinflussen lassen. Vieles von Bach ist ohne Buxtehude nicht denkbar. Buxtehude ist also noch da."

Und er wird wieder wahrgenommen, zumindest in der hochkarätig besetzten Festwoche, veranstaltet in Lübecks wichtigen Kirchen, in denen sich nun die Buxtehude-Preisträger der letzten Jahre, allesamt bekannte Ensembles der Barockmusik-Szene, ein Stelldichein geben. Und heute Abend beispielsweise, beim Gedenkkonzert mit der "Membra Jesus Nostri", so Wolfgang Sandberger, das wohl bekannteste und fas-zinierendste Werk Buxtehudes im Mittelpunkt steht:

"Wir wollten das Kantaten-Werk ebenso vorstellen wie das Orgelwerk und damit auch die ganze Breite des Schaffens von Buxtehude deutlich werden lassen."

Die Festwoche zum 300. Todestag von Dietrich Buxtehude endet am Sonntag, aber feiern werden die Lübecker ihren großen Bürger, Barockkomponisten und Marienor-ganisten noch bis in den Herbst hinein:

"Verschiedene Institutionen haben sich für die Fest-Aktivitäten zusammengefunden. Festwoche im Mai, dann im September das Buxtehude-Fest an St. Marien, Orgelwettbewerb und eine Ausstellung zu Buxtehude und seiner Zeit in den Räumen des St. Annen-Museums."