Zum World Sleep Day

Warum wir im Frühling müde sind

Aerilalansicht einer Frau in schlafender Embryohaltung unter einem Frühlingsbaum.
Was sind die Ursachen für Frühjahrsmüdigkeit? Die wissenschaftlichen Erklärungen gehen weit auseinander. © Getty Images / altmodern
17.03.2023
Die Tage werden endlich wieder länger, die Natur erwacht, doch viele Menschen klagen über Frühjahrsmüdigkeit und Antriebslosigkeit. Sie brauchen mehr Schlaf als sonst. Was hat es mit diesem Phänomen auf sich – und warum leiden nur manche darunter?
Der 17. März 2023 ist dem gesunden Schlaf gewidmet. Seit 2008 gibt es eigens einen Tag dafür, den World Sleep Day. Er findet immer am Freitag vor dem kalendarischen Frühlingsanfang in der nördlichen Hemisphäre statt, also in einer Zeit, in der viele Menschen über Müdigkeit, Gereiztheit und Antriebslosigkeit klagen.

Was ist Frühjahrsmüdigkeit?

Mit dem Frühling naht auch eine für die Jahreszeit typische Schlappheit und Müdigkeit, gepaart mit Kopfschmerzen und Stimmungsschwankungen. In Ländern, in denen sich die Temperatur und die Lichtverhältnisse mit den Jahreszeiten deutlich ändern, ist Frühjahrsmüdigkeit ein weitverbreitetes Phänomen, für das es allerdings keine wissenschaftlichen Belege gibt, wie die Schlafforscherin Christine Blume erklärt.

Ist Frühjahrsmüdigkeit ein Mythos?

Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Die gängige Erklärung für Frühjahrsmüdigkeit lautet: Unser Körper stellt seinen Stoffwechsel und Hormonhaushalt auf die jeweiligen Licht- und Temperaturverhältnisse ein, die in den verschiedenen Jahreszeiten herrschen. So wird im Winter die Körpertemperatur um ein paar Zehntel Grad gesenkt, der Blutdruck erhöht und mehr vom Schlafhormon Melatonin gebildet.
Eine Katze schläft auf einem Bett.
Ob es sich bei Frühjahrsmüdigkeit um einen Mythos handelt, interessiert diejenigen, die darunter leiden, herzlich wenig.© imago / Westend61
Im Frühling dann die Umstellung. Die Körpertemperatur steigt wieder, die Blutgefäße weiten sich und der Blutdruck sinkt. Jetzt wird vermehrt das Glückshormon Serotonin gebildet. Unser Stoffwechsel und Hormonhaushalt geraten durcheinander. Dadurch fühlen sich viele müde und schlapp. Vitaminmangel durch zu wenig Sonne, aber auch zu wenig frisches Obst und Gemüse, kommt erschwerend hinzu. Unser Körper leistet also gerade Schwerstarbeit, vor allem nach diesem Winter mit besonders wenig Sonnenschein.

Wissenschaftlich nicht belegt

Doch dass diese Hormone im Frühjahr durcheinandergeraten, hält die Schlafforscherin Christine Blume für genauso unwahrscheinlich wie die Erklärung mit dem Vitamin-D-Mangel, denn: Warum würden wir diese Müdigkeit gerade jetzt spüren und nicht schon früher, also beispielsweise im Januar?
Die Müdigkeit kann ihrer Meinung nach auch vom vermehrten Freizeitstress im Frühling und dem Durchpowern im Job über die Wintermonate kommen: "Viele haben vielleicht – so wie ich – seit Weihnachten durchgearbeitet, hatten nicht wirklich eine Pause. Dann ist Ostern manchmal so ein Zieltermin, bis zu dem man viele Dinge erledigt haben möchte, und wenn man dann über seine Kapazitäten gelebt hat, ist man einfach urlaubsreif."

Die Erklärungen gehen auseinander

„Im Frühjahr werden aufgrund der wärmeren Temperaturen und der erhöhten Lichtintensität mehr Endorphine und andere Hormone ausgeschüttet“, sagt hingegen der Schlafmediziner Peter Young. Diese führten zu einer erhöhten Aktivität, aber eben auch zu einer intensiveren Erschöpfung.
Das heißt, dass Menschen unter dieser saisonalen Müdigkeit leiden, ist eine Tatsache, doch die Erklärungen dafür gehen weit auseinander.

Menschen brauchen unterschiedlich viel Sonne

Der Chronobiologe Thomas Kantermann wiederum ist der Ansicht, dass vor allem Sonne gegen die Frühjahrsträgheit hilft. Er befasst sich besonders mit dem biologischen Rhythmus des Menschen.
Da Menschen individuell auf Licht reagieren, sind sie auch unterschiedlich stark von dieser Müdigkeit betroffen. Manche Menschen brauchen höhere Lichtintensitäten, um ihren Körper zu aktivieren und aus dem Wintermodus zu kommen, andere weniger.
„Wir brauchen einfach das Tageslicht – egal, ob es regnet, bewölkt ist oder schneit. Es ist ein über Millionen von Jahren genetisch verankertes System in uns Menschen, das ganz einfach auf Licht reagiert, weil der Wechsel von Tag und Nacht den stabilsten und vorhersehbarsten Impuls an unseren Körper gibt.“ Dieser Wechsel ist wichtig für unsere biologische Uhr und einen gesunden Schlaf. Mit den steigenden Temperaturen hält man sich dann auch wieder lieber draußen auf: "Sobald wir mehr Licht bekommen, werden wir wacher“, sagt Kantermann.

Macht mehr Tageslicht wach oder müde?

Christine Blume hingegen erklärt, dass zu unserer gefühlten Müdigkeit auch das Tageslicht beitragen kann. Studien hätten gezeigt, dass mehr Tageslicht dazu führe, abends früher müde zu werden. So hätten Menschen das Gefühl, dass sie insgesamt müder sind, auch wenn es eigentlich nur den Abend betrifft, erklärt Christine Blume.

Wer ist von Frühjahrsmüdigkeit betroffen?

Überdurchschnittlich betroffen von Frühjahrsmüdigkeit sind Menschen mit niedrigem Blutdruck und damit vor allem Frauen. Aber auch wetterfühlige Menschen und Rheumapatienten leider sehr unter dieser jahreszeitbedingten Schlappheit.

Was kann man gegen Frühjahrsmüdigkeit tun?

Viel Bewegung im Freien an der frischen Luft kann jedenfalls nicht schaden. So kann man Sonne tanken, Vitamin-D und Serotonin bilden und den Kreislauf in Schwung bringen. Aber auch Ausdauersportarten wie Laufen regen die Serotonin-Produktion an und helfen gegen Gereiztheit und schlechte Stimmung. Eine gesunde und vitaminreiche Ernährung ist auch hilfreich bei der Bekämpfung von Frühjahrsmüdigkeit.
Oder man folgt den Erklärungen der Schlafforscherin Christine Blume und senkt vor allem das persönliche Stresslevel. Ihr Tipp: Einfach mal durchatmen und sich Ruhe gönnen. Letztlich liegen die Tipps, was man gegen Frühjahrsmüdigkeit tun kann, nah beieinander.
Quellen: Deutschlandradio Nova, Bayerischer Rundfunk, Westdeutscher Runkfunk, Benjamin Esche, ckr
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