Fußball-WM in Katar

Erfolgreiche Auflehnung gegen Europa

09:15 Minuten
Kapitän Lionel Messi reckt bei der Siegesfeier mit der argentinischen Mannschaft den goldenen Pokal im Lusail Iconic Stadium nach oben
Der Sieg der Argenitinier mache deren Kapitän Lionel Messi endgültig zum Fußballgott, meint Olivier Guez. © picture alliance / dpa / Sergei Bobylev
Olivier Guez im Gespräch mit Britta Bürger · 18.12.2022
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Nicht nur als gelungenes Spektakel bleibe die Fußball-Weltmeisterschaft in Erinnerung. Die europäische Kritik an Katar werde in anderen Kontinenten nicht unterstützt, meint Autor und Fußballfan Olivier Guez. Das verdeutliche die Spaltung der Welt.
Mit dem Sieg der argentinischen Mannschaft gegen Frankreich habe auch die beste Fußball-Mannschaft des Turniers in Katar gewonnen. Das meint der französische Autor Olivier Guez. Als leidenschaftlicher Fan hat er immer wieder von Weltmeisterschaften berichtet, aber auch ein Buch über das Dribbeln geschrieben.

Boykott nicht durchgehalten

Seinem Vorsatz, die Fußball-WM zu boykottieren, hat Guez nicht standhalten können. Obwohl klar sei, dass der moderne Fußball und die FIFA korrupt sind, bleibe dieses besondere Paradoxon: Sobald der Ball rolle, ändere sich die Perspektive, gewinne die Attraktion des Sports gegen moralische Argumente.
Der Schriftsteller Olivier Guez auf einem Balkon und schaut nach oben
Erkennt im Fußball auch eine geopolitischen Auseinandersetzung: Autor Olivier Guez © imago images / Charles Yunck
Trotz der skandalösen Vergabepraxis durch die FIFA und der Einschränkung der Menschenrechte in Katar solle man sich die Freude am Fußball nicht verderben lassen, findet auch Kulturwissenschaftler Timm Beichelt. Dass in Deutschland Zuschauer die WM boykottiert hätten, könne der FIFA Schaden. Es gehe um Marktmacht und Einflussnahme, auch wenn global betrachtet nicht weniger Menschen die WM gesehen hätten.
In Deutschland müssen wichtige globale Debatten zu Diskriminierung und Ausbeutung von Arbeitern geführt werden. Bei der Vergabe der Fußball-WM der Männer blieben Menschenrechte und Korruption wohl bis auf Weiteres zweitrangig, so Beichelt.
Sport-Funktionäre aus autokratischen Staaten wollten sich mit diesen Themen nicht auseinandersetzen. Dass dies auch Funktionäre aus demokratischen Ländern nicht täten, wie etwa der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach, bleibe ein Skandal.

Kulturwissenschaftler Tim Beichelt über die Vergabepraxis der WM

19.12.2022
06:56 Minuten
Podcast: Studio 9
Podcast: Studio 9

Kritik Europas wird nicht geteilt

Das Finale war für ein nicht zu überbietendes Spektakel gewesen, findet Schriftsteller Guez. Dazu gehört auch die Dramaturgie des Spiels: die Aufholjagd Frankreichs nach dem 2:0-Rückstand und das Elfmeterschießen.
In Erinnerung bleibe, dass über Katar so viel gesprochen und geschrieben wurde. Es habe sich erneut gezeigt, wie gespalten die Welt ist, so Guez. Europa habe die WM in Katar extrem kritisch gesehen. Doch in Südamerika, Asien und Afrika habe man ein ganz andere, positive Perspektive gehabt. „Es gibt diesen reichen Norden gegen die anderen.“
Insbesondere die arabische Welt sei nicht nur wegen des Erfolgs der marokkanischen Mannschaft extrem stolz. Katar habe nicht akzeptiert, "was Europa wollte. Sie haben alles abgelehnt. Es war eine sehr geopolitische Weltmeisterschaft.“
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