„Wischiwaschi-Begriffe, mit denen man überhaupt nichts anfangen kann“

Nach Einschätzung des Historikers Michael Wolffsohn greift die aktuelle Debatte über den Verlust konservativer Überzeugungen zu kurz. Er wandte sich gegen Aussagen des britischen Publizisten Charles Moore, der unlängst Zweifel am westlichen Wirtschaftssystem geäußert hatte und sich gefragt hatte, ob die Linke vielleicht doch recht habe.
Wolffsohn betonte, auch zum Konservativismus gehöre, vermeintlich gesicherte Wahrheiten immer wieder infrage zu stellen. Außerdem sei unklar, wen Moore mit „die Linke“ überhaupt meine: „Das sind doch alles Wischiwaschi-Begriffe, mit denen man überhaupt nichts anfangen kann. Hier hat jemand seine Frustration ausgestoßen, ohne nachzudenken.“ Positionen, wonach die Reichen immer reicher würden, während die Löhne sänken, ließen sich im historischen Vergleich nicht halten, so Wolffsohn.

Er wandte sich zugleich gegen Forderungen nach einem stärkeren staatlichen Handeln angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise. Eine solche Staatsgläubigkeit sei nach dem Zusammenbruch des staatsgläubigen Kommunismus „geradezu neckisch und läppisch und komisch“. Nachdem in der Krise auch staatskontrollierte Banken und Unternehmen Pleite gegangen seien, „wundert mich dieser naive Staatsglaube“, sagte Wolffsohn.

Er betonte, aus Sicht des Historikers seien Krisen „leider das Natürlichste in der Menschheitsgeschichte“. Wenn man die gegenwärtige Krise mit anderen Epochen der Geschichte vergleiche, „dann sage ich, und danke meinem Herrgott – oder wem auch immer –, dass wir diese Krise erleben und keine andere“.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Das vollständige Gespräch mit Michael Wolffsohn können Sie mindestens bis zum 16.1.2012 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.

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