Weniger Westeuropa und mehr die ganze Welt

Von Margarete Limberg |
Auf einer Pressekonferenz des Goethe-Instituts wurde die geplante Neuorientierung dargelegt. Auf Grund der veränderten Weltlage und Mittelkürzungen wolle man sich mehr im Nahen Osten und anderen Gegenden als in Westeuropa engagieren. Die Ausführungen wurden kontrovers aufgenommen.
Beschlüsse zur vieldiskutierten neuen Konzeption der Auswärtigen Kulturpolitik des Goethe-Instituts hat das heute in Berlin tagende Präsidium nicht gefasst. Dafür aber gab es heftige Kontroversen, wie die Präsidentin Jutta Limbach einräumen musste. Die öffentliche Aufregung über die Vermutung, das Goethe-Institut wolle seine Arbeit in Westeuropa drastisch einschränken und sich auf andere Weltgegenden konzentrieren, hat auch dieses Gremium erreicht.

Deshalb sah sich der Generalsekretär Hans-Georg Knopp gleich zu Beginn seiner Erläuterungen zu dieser Feststellung veranlasst:

"Das Goethe-Institut zieht sich nicht aus Europa zurück."

So hatte das allerdings auch niemand behauptet. Beruhigt können die Kritiker jedenfalls nicht sein. Richtig bleibt, dass man an der Spitze des Goethe-Instituts findet, mit 43 Prozent aller Mittel fließe zuviel nach Westeuropa und dies müsse korrigiert werden. Noch einmal Knopp:

"Wir werden sukzessive kleinere Prozentsätze der überproportional in Europa ausgegebenen Mittel in andere Weltregionen verlagern, um die große Disproportionalität der Mittelzuweisung langfristig abzubauen."

Um welche Summen oder Prozentsätze es sich dabei handeln könnte, verriet der Generalsekretär nicht und auch die Frage, ob dies gerade in Zeiten, in denen sich die EU in einer Krise befindet, angebracht ist, bleibt unbeantwortet.

Zwar versicherte die Präsidentin Jutta Limbach, es gebe keine Schließungsliste, aber am Beispiel Italiens, wo es derzeit sieben Institute gibt, machte Hans-Georg Knopp deutlich, dass natürlich nicht alle die wesentlich von ihm entwickelte Neuorientierung überleben werden:

"Die Perspektive unserer Kulturarbeit in Europa darf nicht mehr lokal oder nur lokal ausgerichtet sein, sondern sie muss landesweit oder europaweit ausgerichtet sein. Es macht keinen Sinn, sich vorzustellen, dass in Siena oder Bologna keine deutsch-italienischen Veranstaltungen stattfinden, nur weil es dort kein Goethe-Institut gibt. Wenn es uns gelingt, das Geld, das wir derzeit für die sieben Goethe-Institute in Italien investieren, verstärkt in Projektmittel umsetzen, die es uns erlauben, Programme mit nationaler oder grenzüberschreitender Reichweite von einem Goethe-Institut in Rom oder Mailand zu organisieren, dann sollten wir das machen."

Vollinstitute, also Räumlichkeiten mit eigener Veranstaltungsstruktur und dergleichen soll es nur noch unter bestimmten Voraussetzungen geben:

"Wenn das lokale Profil ein Goethe-Institut als konkurrenzfähigen Treffpunkt für internationalen Kulturaustausch, als attraktives Schaufenster Deutschlands erfordert, dann brauchen wir auch an dieser Stelle ein Vollinstitut."

Die Gründe für die Neuausrichtung sind vielfältiger Natur. Sie haben mit der veränderten Weltlage zu tun, in der Europa nicht mehr der Nabel der Welt ist und in der sich seit dem 11.September neue Fragen stellen, sie haben aber nicht minder, vielleicht sogar in erster Linie mit der finanziellen Misere der Auswärtigen Kulturpolitik zu tun.

Diese, das gibt die Führung des Goethe-Instituts zu, wirke als Beschleuniger der Reform. Denn die Zeiten, in denen man in einer für die deutsche Außenpolitik relevant gewordenen Region einfach ein Goethe-Institut aufmacht, ohne ein anderes zu schließen, sind längst vorbei.

Und es kann ja gar keinen Zweifel daran geben, dass in Asien, dem Nahen und Mittleren Osten Brennpunkte entstanden sind, die das Goethe-Institut nicht ignorieren kann. Dass sich für die Auswärtige Kulturpolitik Fragestellungen und Aufgaben zum Beispiel in Richtung Konfliktprävention verändert haben, erklärt Jutta Limbach im europäischen Zusammenhang:

"Europa muss begreifen, dass es heute in der Welt eine ganz andere Verantwortung hat. Europa ist der Staat, der deutlich machen kann, durch seine Geschichte und Gegenwart, dass man auch mit verschiedenen Kulturen durchaus leben kann und die Fähigkeit entwickeln muss, einen Verständigungshorizont zu erarbeiten, der dazu beiträgt, Konflikte nicht gewaltsam auszutragen."

Die Frage bleibt allerdings, ob das Goethe-Institut die richtigen Antworten findet. Es gebe zu wenig Projekte und zu viele Immobilien, sagt man. Mehr Professionalität, mehr Flexibilität und weniger Zentralismus, vielfältige Präsenzformen lauten die Forderungen an sich selbst. Welche Konsequenzen konkret daraus zu ziehen sind, ist aber längst nicht geklärt.

Angesichts der finanziellen Engpässe ist es erstaunlich, wie defensiv sich das Goethe-Institut verhält. Obwohl die Mittel in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen sind, wenn man die weltweite Inflation einrechnet, von 2001 bis 2005 um 20 bis 30 Prozent, und obwohl allein in diesem Jahr die Unterfinanzierung 12 Millionen Euro ausmacht, begnügt man sich mit der leisen Hoffnung, dass nicht weiter gekürzt wird. Dass man außerhalb Deutschlands nicht begreift, weshalb sich ein so reiches Land ein Goethe-Institut in der einen oder anderen Region nicht mehr leisten kann, müsse man ertragen, meinte Jutta Limbach, die demnächst mit Außenminister Steinmeier die Lage erörtern will.
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