Die Erstausstrahlung des Features war am 16. September 2021.
Weltraumbergbau
Bohren nach Wasser auf dem Mars: Forscher arbeiten an dem Ziel, die Astronauten mit Ressourcen aus dem Weltraum versorgen zu können. (Symbolbild) © NASA
Auf in die Tiefen des Universums!
31:15 Minuten
Der Studiengang Weltraumbergbau erforscht die Ressourcen des Alls. Anfangs reine Utopie, gelingt es inzwischen, etwa Sauerstoff auf dem Mars zu produzieren. Die Erkenntnisse könnten auch helfen, irdische Probleme wie den Klimawandel zu lösen.
"Ich habe gerne in den Himmel geschaut. Als Kind hatte ich ein Teleskop. Ein kleines. Nichts ausgefallenes."
"Früher hatte ich oft Ärger, weil ich während des Unterrichts Science Fiction Literatur in meinen Schulbüchern stecken hatte und die Lehrer sagten: "Hunter! Hörst Du überhaupt zu?!"
"Früher hatte ich oft Ärger, weil ich während des Unterrichts Science Fiction Literatur in meinen Schulbüchern stecken hatte und die Lehrer sagten: "Hunter! Hörst Du überhaupt zu?!"
"Als Kind habe ich mit meinen Eltern die TV-Dokuserie Cosmos gesehen. Das hat mich immer fasziniert."
Diese drei, die sich schon als Kinder vom Weltall angezogen fühlten, haben etwas gemeinsam. Als Erwachsene haben sie sich in einem außergewöhnlichen Studiengang eingeschrieben: Weltraumbergbau. Fast alle haben dafür ihr Leben verändert: Für eine Sache, die uns dem All näherbringen und dabei ganz irdische Probleme lösen könnte. Die aber – noch gar nicht existiert.
Frühe Faszination für den Weltraum
Elizabeth Scott, genannt "Liz", die als Mädchen mit ihren Eltern die Serie Cosmos schaute, fing auf dem College an, sich ernsthaft mit dem All zu beschäftigen.
"Ich schaute mich um, landete in diesem Kurs über Astronomie und Astrophysik. Der Lehrer war toll. Es war interessant. Ich wollte aber keine Doktorarbeit schreiben, um zur NASA zu gehen. Ich dachte damals: Die nächstbeste Sache, mit der ich auch einen Job bekommen könnte, ist Luft- und Raumfahrttechnik. Also habe ich das studiert."
Liz Scott entschied sich für die Sicherheit. Das war in den 2000er-Jahren. Nach dem Studium begann sie, beim amerikanischen Anbieter für Trägerraketen "United Launch Alliance" zu arbeiten. Dort machte sie Karriere.
"Ich war in der Gruppe, die für die Nutzlast zuständig ist – also die Spitze der Rakete. Da habe ich mich mit den Bauteilen befasst, mit denen man die Satelliten, die wir ins All geschossen haben, an der Rakete befestigt. Am Ende war ich die leitende Ingenieurin für die größte Nutzlastverkleidung unserer Atlas-Rakete."
"Ich war in der Gruppe, die für die Nutzlast zuständig ist – also die Spitze der Rakete. Da habe ich mich mit den Bauteilen befasst, mit denen man die Satelliten, die wir ins All geschossen haben, an der Rakete befestigt. Am Ende war ich die leitende Ingenieurin für die größte Nutzlastverkleidung unserer Atlas-Rakete."
"Endlich raus ins All!"
Elf Jahre lang hatte Liz Scott bei der Firma gearbeitet. Sie war Ende 30 und zweifache Mutter, als sie 2017 von einem neuen Masterstudiengang an der renommierten Bergbauschmiede "Colorado School of Mines" erfuhr. "Space Resources" hieß der: "Weltraumressourcen". Dort konnte man lernen, wie man Rohstoffe im All findet, abbaut und nutzt.
"Ich dachte: Oh mein Gott, das ist die Antwort, das wird uns endlich da raus ins All bekommen!"
Mehr als 500 Männer und Frauen waren schon im All, über 6500 Satelliten umkreisen die Erde. Wir sind doch also schon längst "da draußen". Könnte man denken. Aber: Jedes Stück Technik, das im All herumfliegt, jeder Schluck Wasser, den ein Astronaut dort je getrunken hat, die Luft für jeden Einzelnen seiner Atemzüge – das alles mussten Raketen von der Erde aus transportieren.
Astronauten nutzen zu 100 Prozent irdische Ressourcen
Weil es so schwer ist, gegen Atmosphäre und Anziehungskraft der Erde anzuarbeiten, bestehen die Raketen zu 90 Prozent aus Treibstoff – allein der Transport von einem Liter Wasser in den Erdorbit kostet 20.000 Dollar. So gesehen hat noch niemand wirklich die Erde hinter – oder unter – sich gelassen. Jeder Astronaut ist zu 100 Prozent von irdischen Produkten und Ressourcen umgeben. Das wollen die Macher des Studiengangs Weltraumressourcen ändern.
Liz Scott bewarb sich und fing an, den Master-Kurs zu studieren. Erst neben der Arbeit. Dann entschied sie sich, auch noch eine Doktorarbeit in dem Fach zu schreiben. Bis es irgendwann so nicht mehr weiterging. Die auf Sicherheit bedachte Frau kündigte.
"Ich habe zwei Kinder. Und ich habe meinen guten Job geschmissen, um mich voll und ganz auf diese Sache zu konzentrieren, die eigentlich noch gar nicht existiert."
Weltraumressourcen: eine Geschichte voller Fehlschläge
Tatsächlich: So etwas wie Weltraumbergbau gibt es nicht. Bis auf Solarenergie hat noch nie jemand Weltraumressourcen genutzt, um daraus etwas herzustellen. Liz Scotts Entscheidung war eine Wette drauf, dass sich das ändert. Der ganze Studiengang ist eine solche Wette – eine gewagte, wenn man sich die bisherigen Versuche anschaut.
"Es war schon riskant, den Studiengang damals zu starten. Weil wir wussten, sobald wir starten, würden die Leute fragen: Gibt es auch Jobs in diesem Feld? Wann wird das überhaupt passieren?"
So erinnert sich Angel Abbud-Madrid an die Zeit, als er den Studiengang 2017 gründete. Der frühere NASA-Ingenieur weiß: Bislang ist die Geschichte der Nutzung von Ressourcen aus dem All eine Geschichte von Fehlschlägen.
"Schon ganz früh im Weltraumprogramm, im Jahr 1962 gab es ein Meeting bei der NASA. Und die haben gesagt: ‚Ok, was für Ressourcen können wir auf dem Mond gewinnen? Denn, wenn unsere Astronauten da ankommen, werden sie Sauerstoff brauchen.‘ Doch sie haben diese Idee verworfen, weil sie nur kurz auf dem Mond aufschlagen und wieder nach Hause fliegen wollten. Es war eben ein Rennen."
Viele Pläne verliefen im Sand
Später versuchte es die Privatwirtschaft. 2012 gründete eine Handvoll prominenter Investoren die Firma Planetary Resources.
Mit Robotern wollten sie seltene Metalle auf Asteroiden fördern und zur Erde bringen. Der erste Billionär würde sein Vermögen auf diese Art machen, konnte man damals lesen. Die Idee verlief im Sand. Auch aus Deep Space Industries, einem Unternehmen mit ähnlichen Zielen, wurde nichts. Zu dieser Zeit erforschte Angel Abbud-Madrid das Thema abseits dieses Trubels bereits seit Jahren wissenschaftlich.
"Ende der 90er haben wir damit angefangen. Wir wollten nur mal sehen, was möglich ist. Wir organisierten Meetings. Unsere erste Studie war rein wirtschaftlich. Denn, wenn die Sache ökonomisch keinen Sinn macht, kann man da draußen noch so viele Ressourcen haben, man wird sie nicht herbringen. Da wurde klar: Weltraumressourcen sind nicht etwas, das wir auf die Erde bringen werden, sondern etwas, das wir im All nutzen sollten."
"Der Raumfahrt beim Erwachsenwerden zusehen"
Wenn man Wasser auf dem Mond oder von Asteroiden abbauen könnte, ließe sich damit eine Basis versorgen. Man könnte es nutzen, um im All Pflanzen zu züchten. Aus dem Wasserstoff und Sauerstoff könnte man Raketentreibstoff produzieren. Etwa für eine Tankstelle im All – für Raketen auf dem Weg zum Mars oder zu anderen Planeten. Aus Metallen vom Mars ließen sich Unterkünfte und Landeplätze bauen. Und im All aus Mineralien und Kohlenstoff vom Mars gebaute Solarkollektoren könnten Energie liefern.
"Es ist, als würden wir der Raumfahrt beim Aufwachsen zusehen. Jetzt wird sie erwachsen."
Manche Wissenschaftler machen gar den Fortbestand der Menschheit davon abhängig, ob aus uns die erste multiplanetare Spezies wird. Eine, die fremde Welten bevölkert. In denen wir von den Ressourcen leben, die wir auf dem Mond, dem Mars oder diesen noch ferneren Orten vorfinden. Ähnlich wie unsere Vorfahren, die, als sie Afrika verließen, nur von dem lebten, was die Steppen Asiens oder die Inseln des Pazifiks ihnen boten. Ähnlich wie alle Entdecker nach ihnen. Und wie vielleicht die Entdecker neuer Welten nach uns.
Ein Teil der nötigen Technik ist vorhanden
Das mag wie Science-Fiction klingen. Um Ideen wie diese umzusetzen, aber braucht man weder Warp-Antrieb und noch Materie-Transporter zum Beamen wie bei Star Trek.
"Wir haben immer gesagt: Man braucht drei Dinge, um Ressourcen abzubauen. Erstens: Man muss die Ressource finden und genau kennen. Zweitens: Man muss die Technologie haben, um sie abzubauen.
Heißt: Man braucht Sonden, die Rohstoffe finden – das können Raumschiffe wie der Mars oder Lunar Reconnaissance Orbiter heute schon: Sie suchen nach Mineralien und Eis auf Mars und Mond. Man braucht Werkzeuge, um die Rohstoffe abzubauen – das leisten klassische Bergbaumaschinen. Und man braucht Roboter, um aus den Rohstoffen etwas herzustellen – das könnten 3D-Drucker sein. Nur: Warum ist Weltraumbergbau dann nicht längst Realität?
Angel Abbud-Madrid: "Man braucht einen Kunden! Und diesen Kunden gab es die ganze Zeit nicht. Wir wussten: Sobald die Nachfrage da ist, können wir starten. Haben wir die Nachfrage nicht, ist es tatsächlich nur Science-Fiction."
Utopie ins Reich des Machbaren holen
Doch in den letzten Jahren schien sie sich zu entwickeln, die Nachfrage – und holte das Thema endgültig aus dem Reich der Utopie in das der realen Möglichkeiten: Mit dem Artemis-Programm etwa wollen die Amerikaner eine Basis auf dem Mond bauen.
Eines der Hauptziele ist explizit die Erforschung der Ressourcen vor Ort. Und das private Raumfahrtunternehmen SpaceX will sein "Starship" genanntes Raumschiff auf dem Mars mit lokalen Ressourcen betanken.
"Wir wollten die erste Generation ausbilden, die da mitmischen wird."
Die Weltraumbergbau-Vorlesungen finden virtuell statt. Hier führt Professor Christopher Dreyer mit einem Video das Thema ein. Er trägt ein schwarzes Colorado-Mines-Polohemd. Der Hintergrund des Videos ist ein Sternenhimmel. Die Studenten schauen sich zunächst die Aufzeichnungen an und sprechen dann online mit den Dozenten. Die meisten hatten bereits vorher einen Abschluss oder eine Karriere. Neben Raumfahrtingenieuren sind auch Bergbauexperten, Juristen und Ökonomen dabei.
Schon in der Grundlagenvorlesung geht es auch um rechtliche, ökonomische und politische Themen. Denn die Weltraumbergbauer der Zukunft werden auch klären müssen, wem das Eis auf dem Mond überhaupt gehört. Oder die Metalle auf Asteroiden. Oder das Kohlendioxid auf dem Mars.
Selbst simple Techniken können im All kompliziert sein
Außerdem gibt es Seminare, in denen die Studenten aktuelle Fragen diskutieren und es gibt vertiefende Vorlesungen: über Minenroboter, Satellitensensoren, Wärmeübertragung, Umweltrecht. Meistens werden technische Themen behandelt. Denn im All sind selbst simpel anmutende Technologien wie das Bohren kompliziert.
1971 hatte der Astronaut Dave Scott während der Apollo 15 Mission eine Bohrmaschine dabei. Damit sollte er drei Meter tief in die Mondoberfläche eindringen. Die NASA wollte die Wärmeflusseigenschaften des Mondes messen. Die ersten Zentimeter ging alles glatt. Aber dann:
"Jetzt wird‘s ein bisschen fester. Und jetzt tatsächlich viel fester. Wow, das ist richtig hart da unten."
Filmaufnahmen vom Mond zeigen, wie Dave Scott sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Bohrer lehnt – wobei er auf dem Mond in voller Montur gerade mal 30 Kilo wiegt. Irgendwann geht nichts mehr.
"Meine Güte, ich glaube, das war’s!"
"Da können wir wohl kaum wiedersprechen, Dave", antwortet die Bodencrew. Damit ist die erste Bohrung außerhalb der Erde nach der Hälfte des geplanten Weges beendet. Später sollte sich der Bohrer derart im Mond verkeilen, dass die Astronauten ihn mit einem Schraubenschlüssel befreien mussten. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass das Design des Bohrers nicht zu dem überraschend festen Mondgestein passte. Erst mit der nächsten Mission, Apollo 16, flog adäquates Gerät hoch, das erfolgreich Löcher bohrte.
Bohren auf anderen Planeten
Jahrzehnte später gab es auf dem Mars ähnliche Probleme: 2019 schaffe es der "Mars-Maulwurf" genannte Roboter nicht, sich in den Boden unseres Nachbarplaneten zu wühlen. Auch Louise Jandura weiß von diesen Herausforderungen. Die NASA-Ingenieurin verantwortet die Mechanik, mit der Mars-Rover Perseverance Proben sammeln soll. Im August 2021 sollte das Gefährt Gestein anbohren und den Bohrkern einsammeln.
"Wir haben das Kommando an Perseverance geschickt. Es sollte seine erste Bohrkernentnahme werden – zumindest hatten wir uns das so vorgestellt. Wir nahmen uns ein paar Stunden frei und versammelten online das ganze Team, das acht Jahre lang auf diesen historischen Moment hingearbeitet hatte."
Es war mitten in der Nacht, als die ersten Daten zurückkamen.
"Diese Daten zeigten, dass der Bohrer wie geplant in den Marsboden gedrungen ist. Wir sahen auch ein Foto vom Loch im Boden. Ich dachte: ‚So weit so gut!‘ Und legte mich schlafen."
Am nächsten Tag fuhr sie ins Jet Propulsion Laboratory. Weitere Daten kamen: Der Behälter für den Bohrkern war nun sicher im Rover verstaut.
"Wir hatten das Gefühl: ‚Mann, das hat wirklich geklappt!‘ Doch dann kam ein Foto des Behälters und da konnten wir sehen, dass wir nichts eingesammelt hatten. Das mussten wir erst mal verdauen."
Die Crew ging in den "Ermittlungsmodus" über, wie Louise Jandura es ausdrückt. Nach zwei Tagen kamen sie zu der Erkenntnis, dass das Gestein wohl eine unvorhergesehene Konsistenz hatte und beim Bohren pulverisiert worden war. Ein enttäuschender Fehlschlag, sagt Jandura. Anfang September startete das Team einen neuen Versuch an anderer Stelle – diesmal erfolgreich.
"Die Herausforderung ist, dass man mit verschiedenen mechanischen Eigenschaften umgehen muss: Wie wird sich das Material verhalten? Wie hart ist es? Und dann gibt es noch Unsicherheiten, was die Umgebung, die Physik der Steine und die Topografie angeht. Wir bauen sehr anspruchsvolle, autonome Roboter, die in dieser Umgebung Proben sammeln müssen."
Keine Erfahrungen mit Abbau außerirdischer Ressourcen
Und das sind nur die Herausforderungen beim Bohren auf einem fremden Planeten. Auf die Weltraumbergbauer von morgen warten aber noch ganz andere Probleme.
In der Einführungsvorlesung Weltraumressourcen erklärt Christopher Dreyer, dass es noch keine Erfahrungen mit der Nutzung außerirdischer Ressourcen gibt. Vielleicht könne man aber auf Wissen zurückgreifen, dass auf der Erde mit dem Abbau von Bodenschätzen gemacht wurde.
Das will Gordon Wasilewski tun. Der Junge, der mit seinem kleinen Teleskop in den Himmel schaute, ist heute 28 Jahre alt. Seine akademische Ausbildung hatte anfangs gar nichts Galaktisches: Der Pole studierte Erdöltechnik in Krakau.
"Ich war ein durchschnittlicher Student. Ich dachte: Ein Diplom und etwas praktische Erfahrung werden schon reichen."
Dann kam ein Professor der Colorado School of Mines nach Krakau und hielt einen Gastvortrag.
"Im Grunde ging es ums Bohren im All. Er zeigte uns all die Instrumente, die seit den Siebzigern verwendet worden waren, um auf dem Mond und dem Mars zu bohren. Es ging auch um die Zukunft, um Maschinen, die Leben im All nachhaltig machen können. Das hat mich umgehauen. Aber wir hatten an der Uni keine Kurse zu dem Thema. Ich begann, mich selbst weiterzubilden: Planetologie, Astrogeologie."
Herausforderung: Wassergewinnung
Gordon Wasilewski sagt, die Vorlesung habe seinem Leben eine neue Richtung gegeben: Für seine Master-Arbeit erforschte er mögliche Bohrungen zur Wassergewinnung auf dem Mars. Schließlich schrieb er sich als einer der Ersten im Studiengang Weltraumressourcen in Colorado ein. An den Vorlesungen nahm er von Polen aus teil.
"Die begannen für mich um zwei Uhr nachts. Ich musste meine biologische Uhr umstellen. Vor 5 Uhr morgens ging ich nicht ins Bett, weil es so aufregend war."
Heute ist Gordon Wasilewski in Polen ein gefragter Raumfahrt-Experte. Er arbeitet in einer Firma, die Hardware – unter anderem Roboter – fürs All entwickelt. Immer wieder tritt er im Fernsehen auf, wenn es etwas Kosmisches zu erklären gibt. Gerade hat er seine Doktorarbeit beendet. Dafür hat er analysiert, wie man Mondgestein aufwärmen kann, um daraus Wasser zu lösen. Hier kommt ihm sein Wissen aus der Erdöltechnik zugute.
"Ich habe herausgefunden, dass die Wärmeleitfähigkeit dabei den gleichen Einfluss auf die Produktion hat, wie der Druck bei der Gewinnung von Schiefergas auf der Erde."
Erkenntnisse aus der Erdölförderung nutzen
Es gibt also eine Analogie zwischen einem – bisher nur in der Theorie möglichen – Verfahren, Wasser auf dem Mond abzubauen und einer altbekannten Fördertechnik auf der Erde. Für Ingenieure sind solche Analogien entscheidend. Denn mit ihnen kann man Erfahrungen aus einem Feld auf ein anderes übertragen.
"Auf diese Weise kann man die Prozesse optimieren, weil man weiß, was die wichtigsten Parameter sind. Dann kann man sich überlegen, mit welchen Methoden man sie verbessert."
Das ist es, was Christopher Dreyer in der Vorlesung mit irdischen Erfahrungen meint. Er fügt aber auch hinzu, dass man für den Ressourcenabbau mit All auch neue Methoden entwickeln muss. Wie wäre es mit Spiegeln, die das Sonnenlicht bündeln und damit Asteroiden aufbrechen?
Neue Methoden entwickeln
"Einen Asteroiden anzubohren, ist sehr schwer. Das ist, als würde man versuchen, in einen Baum zu bohren, der gerade einen Hügel runter rollt."
Hunter Williams ist einer der Absolventen des Weltraumbergbau-Studiums. In Colorado hat er eine Lösung für dieses Problem untersucht.
"Wir haben uns gefragt: Wie können wir bohren, ohne den Asteroiden zu berühren?"
Die Antwort lag in der Verteilung von Wärme.
"Das ist, als würde man einen Becher in der Mikrowelle heiß machen und dann kaltes Wasser hineinkippen. Er würde zerbrechen. Das liegt daran, dass eine Seite sehr heiß und die andere sehr kalt wäre. Nun, im All ist alles kalt!"
Auch die sonnenabgewandte Seite der Asteroiden. Ein Raumschiff mit Spiegeln könnte das Sonnenlicht auf diese Stelle fokussieren.
"Und weil sich der Asteroid dreht, würden wir ihn an einer Stelle treffen, er würde brechen und sich weiter drehen und dann wieder brechen, brechen, brechen – an jeder neuen Stelle, die wir mit dem Sonnenlicht treffen."
Hunter Williams hat diese Methode während seines Studiums in einem Labor der Colorado School of Mines simuliert. Er ist derjenige, der als Schüler Ärger wegen seiner Science-Fiction Bücher hatte. Dennoch wurde er zunächst selbst Lehrer – jedoch nicht in seiner Heimat Amerika.
"Ich unterrichtete Englisch in Japan. Ich interessiere mich halt für viele Dinge. Deshalb habe ich zunächst Sprachen studiert. Englisch, Spanisch, Japanisch, Chinesisch. In Japan habe ich dann ein Science-Fiction-Buch gelesen: ‚Mondspuren‘. Es spielt in einer nahen Zukunft."
Brüche im Lebenslauf der Weltraumbergbau-Studierenden
In dieser Zukunft leben Menschen unter der Mondoberfläche und bauen dort Rohstoffe ab. Die Idee ließ Hunter Williams nicht mehr los. Er machte einen zweiten Abschluss in Luft- und Raumfahrttechnik und sicherte sich anschließend einen Platz im damals neuen Studiengang Weltraumressourcen. Dort traf er viele Leute, die so waren wie er.
"Das waren keine typischen Raumfahrtingenieure. Viele hatten wechselhafte Biografien, so wie ich. Die meisten hatten vor ihrer Ingenieurslaufbahn etwas ganz anderes gemacht. Ein Typ war Flugzeugmechaniker gewesen, einer hatte eine eigene Bäckerei, einer leitete ein Theater. Ich glaube, das ist kein Zufall. Die wollen da keine Leute, die diesen ganz klassischen Blick auf die Dinge haben."
Wer Weltraumbergbau studieren will, braucht Vorstellungsvermögen – und die Fähigkeit, sich von alten Überzeugungen zu trennen. Wenn es darum geht zum Beispiel, welche Art Ressourcen im All überhaupt zu finden sind. Und wie man sie nutzen könnte.
"Der Mond hat Mineralien, Gase und Mondstaub. Auf den Polen befindet sich Eis. Asteroiden enthalten Metalle und Mineralien, Eis. Mars hat Eis, Kohlenstoffdioxid, Stickstoff und Mineralien. Alles das sind Ressourcen", sagt Christopher Dreyer.
Abschied von alten Überzeugungen
"Ich dachte, dass es nur sehr wenige Ressourcen im All gibt und man sich unheimlich anstrengen muss, um irgendwas zusammenzukratzen. In Wahrheit gibt es mehr als genug: Allein im Shackleton-Krater am Südpol des Mondes vermuten Forscher genug Wasser, um Menschen jahrhundertelang zu versorgen."
Hunter Williams arbeitet heute bei Honeybee Robotics. 2022 soll der von der Firma entwickelte Rover "Viper" diese mutmaßlichen Wasservorkommen erforschen. Die Mission könnte der Vorbote einer möglichen praktischen Nutzung des Wassers auf dem Mond sein. – Auf dem Mars ist der Rover Perseverance gerade in ähnlicher Mission unterwegs. Wobei es hier nicht um Wasser geht.
Als der Perseverance im Februar auf dem Mars landete, saß Jeff Hoffman zu Hause in Boston und verfolgte die Daten auf seinem Computer.
"Ich war gar nicht nervös. Aber das ist halt einfach meine Persönlichkeit – ich meine, ich saß schon auf der Spitze einer Rakete ... Nein, wir hatten alles gecheckt und ich mache mir keinen Kopf über Dinge, die ich eh nicht mehr beeinflussen kann."
Jeff Hoffman war selbst Astronaut, flog fünf Mal mit dem Space Shuttle. Einmal sogar, um im All das Hubble-Weltraumteleskop zu reparieren. Inzwischen ist er Professor am Massachusetts Institute of Technology und stellvertretender Leiter des Moxie-Experiments, das sich an Bord des Perseverance-Rovers befindet.
"Für die Landung hatte ich mir eine Flasche Champagner bereitgestellt – und eine Flasche Whiskey, falls es schief gehen sollte. Zum Glück konnte ich den Champagner trinken. Das Gleiche habe ich bei der Sauerstoffproduktion getan."
Sauerstoff auf fremden Planeten produzieren
Moxie hat im April aus der Kohlendioxid-Atmosphäre auf dem Mars über eine chemische Reaktion mithilfe von Strom Sauerstoff produziert. Das Experiment ist eine Art elektrischer Baum – und die erste Demonstration, dass man Sauerstoff auf einem fremden Planeten herstellen kann. Diese Verarbeitung von Weltraumressourcen ist eine Schlüsseltechnologie für bemannte Marsmissionen.
Nicht nur, weil die Astronauten dort etwas zum Atmen brauchen werden, sondern weil man Tonnen an Sauerstoff benötigt, um Raketentriebwerke zu befeuern, die die Astronauten auch wieder vom Mars wegbefördern können. Moxie sammelt derzeit weitere Daten – noch erzeugt der Demonstrator gerade einmal ein paar Gramm Sauerstoff pro Stunde. Aber schon jetzt arbeiten Forscher daran, das Prinzip hoch zu skalieren.
"Es wird noch ein langer Weg sein von Moxie zu einem System, das 30 Tonnen Sauerstoff produziert und damit die leeren Tanks einer Marsrakete auffüllt. Aber irgendwo muss man anfangen und Moxie ist dieser erste kleine Schritt."
Megastrukturen im All
Der erste kleine Schritt. Moxie ist eine technische Pionierleistung, die zeigt, was in Zukunft möglich sein kann, in Sachen Weltraumbergbau. Und: dass die inzwischen mehr als 100 Absolventen des Studiengangs sich mit einer Zukunft beschäftigen, die ganz und gar realistisch ist. Auch, wenn manche ihrer Vorhaben immer noch ziemlich utopisch klingen. Liz Scott etwa befasst sich in ihrer Doktorarbeit mit sogenannten "Megastrukturen" – gigantische Anlagen, die man im All mit Weltraumressourcen errichtet.
"Ich erforsche dabei ein planetares Sonnenschild. Das ist ein riesiger Schild, der einen kleinen Teil des Sonnenlichts, das auf die Erde fällt, blockieren würde. Gerade genug, um die schlimmsten Folgen der globalen Erwärmung abzumildern. Wenn man da noch Solarpaneele drauf baut, könnte man zudem Strom gewinnen, um ihn im All für alles Mögliche zu nutzen."
Noch in diesem Jahrhundert, meint Liz Scott, sei das zu schaffen.
Hilfreich, um irdische Probleme zu lösen
"Das ist es, was ich mein ganzes Leben lang tun möchte. Vor allem was die weltraumgestützten Technologien für den Klimawandel angeht."
Als Liz Scott vor Jahren ihre sichere Karriere aufgab und auf die Weltraumressourcen setzte, schienen diese noch eine Lösung ohne Problem zu sein. Schon damals allerdings waren Tatsachen wie der Klimawandel ein Problem, für das Lösungen dringend gesucht wurden. Das ist bis heute so. Der Blick in die Zukunft kann helfen, diese Lösungen zu finden.
"Viele Lösungen, die wir heute haben, sind sehr rückwärtsgewandt. Klar muss unsere Wirtschaft vom CO2 loskommen. Aber wir sollten nicht den Lebensstandard aller Menschen dafür verschlechtern. Wir Menschen streben immer nach mehr. Und eine Lösung für den Klimawandel muss das ins Auge fassen. Darum ist diese Lösung mit den Weltraumressourcen so hoffnungsvoll."
Vielleicht werden wir nie eine multiplanetare Spezies. Vielleicht wird es für immer Science-Fiction bleiben, irgendwann den Mars in eine zweite Erde umzuwandeln. Aber selbst dann hat der Studiengang Weltraumbergbau Relevanz. Weil er dazu beiträgt, ganz irdische, gegenwärtige Probleme zu lösen – nur eben mit Ressourcen aus dem All. Oder mit Technologie, die dazu entwickelt wurde, diese Ressourcen zu finden, abzubauen und zu nutzen.