Wellengang im Ödipus-Dreieck
Regisseur Gloger hat viele gute Einfälle für sein "Idomeneo": ein Ödipus-Komplex, ein SEK-Kommando, eine Drehbühne und ein Hauptdarsteller auf Krücken. Musikalisch auf sehr hohem Niveau, in der Umsetzung vielleicht eine Spur zu viel, findet Kritikerin Natascha Pflaumbaum.
Dass man mit Göttern keine Verträge schließen sollte, ist eine Weisheit, die uns heute nicht unbedingt mehr tangiert, allerdings ist die damit verbundene Hybris, es nämlich mit einem ungleichen, weil überlegenen Partner aufnehmen zu wollen, durchaus eine Sache, die wir heute sehr wohl erleben. Es ist also nur konsequent, wenn der Regisseur Jan Philipp Gloger in seiner Frankfurter Idomeneo-Inszenierung den kretischen König zwecks Aktualisierung des Stoffes in eine blaue Admiralsuniform von heute steckt: ein hochdekorierter Kapitän, der – Roberto Saccà spielt und singt ihn in Frankfurt – unfreiwillig an den Katastrophenkapitän Schettino erinnert, also jenen Mann, der die Costa Concordia vor der Insel Giglio auf Grund hat laufen lassen.
Auch Idomeneos Entourage ist martialisch: Seine Gefolgsleute krebsen und kriechen schwarz vermummt wie Mitglieder eines SEK-Einsatzkommandos um den Herrscher herum, stets bewehrt mit kugelsicherer Weste, Helm, andere in kompletter Taucherausrüstung. Diese Gesellschaft hier befindet sich zweifellos in der Todeszone.
Jan Philipp Gloger erstellt in seiner Idomeneo-Inszenierung an der Oper Frankfurt ein Psychogramm dieser kretischen Herrscherfamilie, in der Macht und falsch verstandene Liebe der Kitt sind. Dieser Kitt wird nach Glogers Ansicht spätestens dann porös, als sich zwischen Idomeneo, Idamante und Ilia eine Liebe entspinnt, die Gloger als "Ödipus-Dreieck" inszeniert. Idomeneo hat nach Gloger also nicht nur das (Thanatos-)Problem, seine Macht gegen Neptun behaupten zu müssen, er hat auch noch das (Eros-)Problem, seinem Sohn die Frau ausspannen zu wollen. Ziemlich viel Arbeit für eine einzige Person.
Der Tenor Roberto Saccà, der sich bei der Generalprobe zu "Idomeneo" einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zuzog und die Premierenvorstellung mit einer Krücke humpelnd spielte, wirkte darum nicht gerade als einer, die so viel Bürde tragen kann. Er sang freilich seinen Mozart sehr körperlich: Saccà ist keiner, der ruhig am Bühnenrand steht und abliefert, sondern der die rasanten Koloraturen körperlich beben lässt, der die Musik durch seinen Körper schickt und damit eine Form der Deklamation erreicht, die mehr bietet als nur schönen Ton. Hier spricht einer singend zu uns.
Ähnlich ist es bei Elza van den Heever, die die Elektra singt: Sie ist die einzige, die in dem Psycho-Arrangement "übrig" bleibt, die sich von der freundlichen Liebenden in ein Tier verwandelt, am Ende sogar mit Neptun anbandelt, damit wenigstens der sadistische Teil ihrer Persönlichkeit noch auf seine Kosten kommt, bis sie dann schreiend ausflippt. Ihre Arien, die pure Leidenschaft im ersten Akt, die rasende Verzweiflung im dritten Akt, sind das Beste, was diese Aufführung musikalisch zu bieten hat. Allerdings ist diese Produktion musikalisch auf einem sehr hohen Niveau.
Der Einspringer Kenneth Tarver (Julian Prégardien war kurzfristig erkrankt) gibt einen smarten Arbace: im grauen Anzug, mit mozartesk lyrischem Timbre und einer absolut betörenden Höhe. Der Tenor Martin Mitterrutzner (Idamante), der in Frankfurt aufgebaut und groß gemacht werden soll, sang ebenso stimmschön, aber seine Stimme ist immer noch recht klein und nicht durchgängig tragfähig.
Alles das wird wunderbar kammermusikalisch vom Orchester exponiert: Die Mozart-Expertin Julia Jones lässt die Musiker sehr luftig und transparent spielen – auch dank des virtuosen Felice Venanzoni am Hammerklavier. Jones treibt die Geschichte mit rasanten, fliehenden Tempi voran, sie kann die Dynamik immer gerade so moderat dimmen, wie sie den Sängern guttut.
Ödipus-Komplex, SEK-Kommando, am Ende das antike Opferszenario im grün-bläulichen Antike-Säulen- und Sandalenambiente, eine Drehbühne, die sehr häufig um die eigene Achse trudelt, Hörfunk- und Zeitungsreporter, die das Geschehen ständig abbilden wollen, dazu noch ein Neptun, der auf der Bühne wie ein Teufel herumgeistert und Saccà humpelnd auf Krücken: Jan Philipp Gloger hat sehr, sehr viele Einfälle. Sehr viele gute. Weniger wären aber mehr gewesen.
Auch Idomeneos Entourage ist martialisch: Seine Gefolgsleute krebsen und kriechen schwarz vermummt wie Mitglieder eines SEK-Einsatzkommandos um den Herrscher herum, stets bewehrt mit kugelsicherer Weste, Helm, andere in kompletter Taucherausrüstung. Diese Gesellschaft hier befindet sich zweifellos in der Todeszone.
Jan Philipp Gloger erstellt in seiner Idomeneo-Inszenierung an der Oper Frankfurt ein Psychogramm dieser kretischen Herrscherfamilie, in der Macht und falsch verstandene Liebe der Kitt sind. Dieser Kitt wird nach Glogers Ansicht spätestens dann porös, als sich zwischen Idomeneo, Idamante und Ilia eine Liebe entspinnt, die Gloger als "Ödipus-Dreieck" inszeniert. Idomeneo hat nach Gloger also nicht nur das (Thanatos-)Problem, seine Macht gegen Neptun behaupten zu müssen, er hat auch noch das (Eros-)Problem, seinem Sohn die Frau ausspannen zu wollen. Ziemlich viel Arbeit für eine einzige Person.
Der Tenor Roberto Saccà, der sich bei der Generalprobe zu "Idomeneo" einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zuzog und die Premierenvorstellung mit einer Krücke humpelnd spielte, wirkte darum nicht gerade als einer, die so viel Bürde tragen kann. Er sang freilich seinen Mozart sehr körperlich: Saccà ist keiner, der ruhig am Bühnenrand steht und abliefert, sondern der die rasanten Koloraturen körperlich beben lässt, der die Musik durch seinen Körper schickt und damit eine Form der Deklamation erreicht, die mehr bietet als nur schönen Ton. Hier spricht einer singend zu uns.
Ähnlich ist es bei Elza van den Heever, die die Elektra singt: Sie ist die einzige, die in dem Psycho-Arrangement "übrig" bleibt, die sich von der freundlichen Liebenden in ein Tier verwandelt, am Ende sogar mit Neptun anbandelt, damit wenigstens der sadistische Teil ihrer Persönlichkeit noch auf seine Kosten kommt, bis sie dann schreiend ausflippt. Ihre Arien, die pure Leidenschaft im ersten Akt, die rasende Verzweiflung im dritten Akt, sind das Beste, was diese Aufführung musikalisch zu bieten hat. Allerdings ist diese Produktion musikalisch auf einem sehr hohen Niveau.
Der Einspringer Kenneth Tarver (Julian Prégardien war kurzfristig erkrankt) gibt einen smarten Arbace: im grauen Anzug, mit mozartesk lyrischem Timbre und einer absolut betörenden Höhe. Der Tenor Martin Mitterrutzner (Idamante), der in Frankfurt aufgebaut und groß gemacht werden soll, sang ebenso stimmschön, aber seine Stimme ist immer noch recht klein und nicht durchgängig tragfähig.
Alles das wird wunderbar kammermusikalisch vom Orchester exponiert: Die Mozart-Expertin Julia Jones lässt die Musiker sehr luftig und transparent spielen – auch dank des virtuosen Felice Venanzoni am Hammerklavier. Jones treibt die Geschichte mit rasanten, fliehenden Tempi voran, sie kann die Dynamik immer gerade so moderat dimmen, wie sie den Sängern guttut.
Ödipus-Komplex, SEK-Kommando, am Ende das antike Opferszenario im grün-bläulichen Antike-Säulen- und Sandalenambiente, eine Drehbühne, die sehr häufig um die eigene Achse trudelt, Hörfunk- und Zeitungsreporter, die das Geschehen ständig abbilden wollen, dazu noch ein Neptun, der auf der Bühne wie ein Teufel herumgeistert und Saccà humpelnd auf Krücken: Jan Philipp Gloger hat sehr, sehr viele Einfälle. Sehr viele gute. Weniger wären aber mehr gewesen.