Zoff an Weihnachten

Schlimmer als im Sommerurlaub wird’s nicht

Szene aus der Sitcom "Kath and Kim": Zwei Männer und zwei Frauen streiten sich handgreiflich unter einem Weihnachtsbaum.
O du fröhliche, selige, friedliche Weihnachtszeit? Schön wär's. Die Realität sieht oft anders aus. © imago images / Everett Collection / NBC
14.12.2023
Entgegen den landläufigen Hoffnungen und Erwartungen wird um das Weihnachtsfest herum in Familien oft gestritten. Psychologen geben deswegen jede Menge gute Ratschläge. Taugen die was?
Weihnachten – draußen schneit’s, drinnen funkelt der perfekt geschmückte Tannenbaum. Ruhe und Besinnlichkeit, Frieden, glänzende Kinderaugen und der Geruch der Weihnachtsgans aus dem Backofen, die selbstverständlich perfekt gelingt: Schöner wird’s nimmer.
Merken Sie was? Irgendwas stimmt hier nicht. So wünschen wir uns das, zumindest viele von uns, nicht wahr? Aber hat das irgendjemand schon mal so erlebt? Dieses Bild von Weihnachten stammt aus den jedes Jahr mit schöner Regelmäßigkeit versendeten Christmas-Filmen, die für jede Menge Projektionen gut sind, aber eines sicher nicht tun: von der Realität erzählen. Schöne Grüße an den kleinen Lord.

Schlachtfeld der enttäuschten Hoffnungen

Fragen wir also mal nach, wie Weihnachten so läuft. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sagte jede(r) vierte Befragte, dass über Weihnachten in der Familie immer oder gelegentlich gestritten wird. Hinzu kommen möglicherweise noch viele, die streiten, das aber nicht zugeben wollen - auch nicht in einer anonymen Umfrage.
Streitgegner sind vor allem der Partner/die Partnerin (36 Prozent) und die eigenen Eltern (35 Prozent). Mit Geschwistern (18 Prozent) und den eigenen Kindern (16 Prozent) geht es auch hoch her. Auf dem Schlachtfeld der enttäuschten Hoffnungen wird dann der Ablauf der Weihnachtstage laut durchdebattiert, um das Weihnachtsessen gezankt und das gerade aktuelle Beziehungsproblem gewälzt.
Nun, können wir es uns denn wirklich niemals einfach nur schön machen? Nö, denn wir sind ja Menschen. Da der Glaube an die Unfehlbarkeit des eigenen Gefühls, wie die Dinge sein sollen, oft tief verankert ist, kann ein Fest wie Weihnachten in vielen Fällen nur im Zank enden. Und je höher die Erwartungen, desto größer die Fallhöhe.

Warum nur haben die anderen auch Wünsche?

Warum nur - verdammt noch mal - müssen die anderen immer, immer, immer andere Wünsche, Ideen und Vorstellungen haben? Erst zur Kirche und dann die Bescherung oder andersherum? Oder gar nicht zur Kirche? Wie viele Kerzen sollen auf den Tisch? Spaziergang – ja oder nein? Müssen wir unbedingt wieder das Besteck von Oma nehmen?
Wer die beiden Schlagwörter Weihnachten und Streit bei Google eingibt, erhält mal eben 7,83 Millionen Treffer in 0,28 Sekunden. Das Weihnachtsfest ist ein Fest für Psychologinnen und Lebensberater, die ihr profundes Wissen darüber, wie der Mensch so tickt, hier punktgenau unters Volk bringen können – und das auch unbedingt wollen. Journalistisch aufbereitet heißt es dann: „So vermeidet ihr Zoff an Weihnachten“. Oder: „Ist Familienstreit an Weihnachten unvermeidbar?“ Oder: „So übersteht eure Beziehung das Fest der Liebe“.
Uff. Die Empfehlungen sind im Grunde überall die gleichen: Man soll den Ablauf der Feiertage vorher besprechen, mit Traditionen auch mal brechen, keine zu hohen Erwartungen haben, Reizthemen (Politik!) vermeiden, bei sich bleiben, den Humor behalten, wenn nötig durchatmen - und wenn einem das nicht gelungen ist, sich notfalls entschuldigen und die Schwiegermutter verstehen.

Safewords wie beim BDSM

Origineller noch sind Ratschläge, ein Signalwort für Momente zu vereinbaren, in denen gar nichts mehr geht – wie das Safeword beim BDSM? Und bei einem Kontaktabbruch soll man festlegen, wie lange die Auszeit dauert: „Ich hasse Dich. Bin mal raus und in 20 Minuten wieder da.“ In etwa so?
Nun ja: Mit zumindest einigen der Empfehlungen dürften fast alle etwas anfangen können. Denn diese gelten ja auch für den Rest des Jahres – Weihnachten wirkt letztlich nur als Brennglas, unter dem alle unsere schrägen Beziehungen grell ausgeleuchtet werden.

Unser Rat zum Fest

Falsch sind gute Ratschläge nicht. Doch jetzt die Gretchenfrage: Warum sollten wir etwas gerade Weihnachten besser beherzigen können, wenn es doch sonst schon nur selten gelingt? Echt jetzt: Wem hat der Hinweis, dass locker zu bleiben uns nach vorne wirft, schon mal so richtig geholfen?
Deswegen hier unsere Empfehlung zum Fest: bedingungslose Akzeptanz. So ist das alles nun mal, macht was draus. Streitet und vertragt euch wieder. Schlimmer als im Sommerurlaub wird’s nicht.

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