Finnland

Samische Vorzeigedichterin

Ein idyllischer Waldsee im finnischen Lappland.
Ein idyllischer Waldsee im finnischen Lappland. © picture-alliance / dpa /Hinrich Bäsemann
Von Marten Hahn |
Im Ehrengastland der Frankfurter Buchmesse 2014 spricht und schreibt man Finnisch, Schwedisch und auch Samisch - die Sprache der Autorin Inger-Mari Aikio-Arianaick. Wir haben sie in ihrem Haus in Lappland getroffen.
"I will make myself a tea."
"Are you rather a tea person, than a coffee person?"
"Yes, I don’t drink coffee at all. That’s only for guests."
Und so rührt der Gast in seinem Kaffee und Inger-Mari Aikio-Arianaick in ihrem Tee. Dazu reicht Ima, wie die Autorin genannt wird, die Reste einer Muttertagstorte, Brot und Käse - und Moltebeeren: gelb und selten und typisch lappisch. Ein bisschen so wie Ima selbst. Die 53-Jährige ist so etwas wie die samische Vorzeigedichterin des finnischen Literaturbetriebs:
"Der finnische Literatur Austausch hat mich schon nach Paris geschickt, Johannesburg, Göteborg."
Toleranz, Interesse und Unwissen
Doch während man ihr im Ausland mit Toleranz und Interesse begegnet, behandeln manche Finnen sie wie ein süßes Haustier. Andere blicken auf sie herab, so Ima:
"Sie wissen so wenig über uns. Was sie wissen, haben sie aus TV-Sendungen. Da gab es eine Serie, wo Schauspieler Samen gespielt haben. Sie trugen dreckige Kleidung und so weiter. Im Tourismus ist es das Gleiche. Finnen spielen Samen, als wären wir alle hässlich und betrunken."
Doch auch an ihre Reisen hat Ima nicht nur gute Erinnerungen:
"Ich war in Ungarn und habe eines meiner Bücher vorgestellt. In Budapest. Ich hatte meine traditionelle samische Kleidung an und bin ins Hotel zurückgekommen. Und da saß ein Mann und schaute mich an und sagte: Was? Nunuka ist hier? Das war ein Finne. Und den Namen hatte er aus der TV-Serie: Nunuka nennen sie uns, weil das Joik – unser traditioneller Gesang - auch in der TV-Show so klingt."
Ima schreibt heute unter anderem Kinderlieder. Die Videos dazu dreht sie selbst. Daneben dreht sie Dokumentationen, schreibt Gedichte, wieder:
"Ich hatte lange das Gefühl, dass ich nichts mehr zu sagen hatte. Deswegen gab es da eine Pause. Ich war so müde. Vielleicht auch, weil ich für eine Radiostation gearbeitet habe. 20 Jahre lang – bevor ich mutig genug war, endlich zu kündigen."
Einer ihrer jüngeren Gedichtbände ist eigentlich ein Fotobuch. Inger-Mari Aikio-Arianaick hat Texte zu Naturaufnahmen geschrieben, die ein Freund von ihr gemacht hat. Es sind Gedichte über Vergänglichkeit, Wut und Hass und dem Umgang damit. Gefühle, die die Beziehung zwischen Samen und Finnen beschreiben? Der Streit um Landrechte erhitzt seit einiger Zeit die Gemüter:
"Es gibt da so viel Ärger. Die Finnen glauben, die Samen wollen ihnen im Norden alle Rechte aberkennen und sie aus Sami-Land verdrängen. Da gibt es so viel Hass. Sie glauben, wir wollen die Macht und haben Angst, wir würden sie dann genauso behandeln, wie sie uns. Rache."
Das Verhältnis von Mensch und Natur
Der finnische Staat würde gern frei über die Ressourcen, die Wälder auf traditionellem Sami-Gebiet verfügen. Die Sami hingegen pochen auf ihre Landrechte. Mensch und Natur - dieses Verhältnis spielt in der samischen Kultur eine große Rolle:
"Wahrscheinlich unterscheidet sich das von Same zu Same. Aber die samische Art zu Denken spürt man, wenn wir in Kontakt mit Natur kommen. Wir nehmen nicht mehr, als wir brauchen. Wir fangen nicht möglichst viele Fische und nehmen uns alles, was wir kriegen können. Wir sagen: Das ist jetzt genug für mich, und gehen."
Derzeit wohnt Ima in Ivalo in Nordlappland, der mit über 3000 Einwohnern größten Gemeinde der Gegend. Aber nur, weil ihr Sohn hier zur Schule geht:
"Wenn ich frei wählen könnte, würde ich nach Pulmankijärvi ziehen. Das ist im Norden. Dort bin ich aufgewachsen, habe alle meine Ferien dort verbracht. Wir sind dann immer auf den Berg dort gefahren. Von da hat man einen Blick auf den See."
Der Ort in der Wildnis Lapplands ist Imas kleines Paradies. Auch jetzt ist sie regelmäßig dort, fernab der Zivilisation, um dieses Gefühl loszuwerden.
"Dieses Gefühl, als wäre ich ein Ballon, aus dem die Luft raus ist. Aber wenn ich dann in Pulmankijärvi bin, spüre ich, wie die Luft zurückkommt. Ich bin wieder ich selbst. Das fühlt sich so gut an. Hier in Ivalo fühle ich mich oft deprimiert. Wenn ich dann dort bin, denke ich: Ich lebe wieder."
Gerade sitzt Ima an ihrem ersten Roman. Eine Herausforderung für jemanden, der es gewohnt ist, kurze Gedichte zu schreiben:
"Weil ich eine Person bin, die gern schnell fertig ist. Und jetzt dauert das und dauert und ich muss mich dazu zwingen, sitzen zu bleiben und die Geschichte weiter zu schreiben."
Mit 30 um die Welt
Es ist die Geschichte einer 18-Jährigen, die um die Welt reist. Und es ist Imas Geschichte. Nur war sie selbst bereits 30, als sie auf Weltreise ging. Thailand, Indonesien, Borneo, Papa-Neuguinea, Australien, Neu-Kaledonien, Tahiti, Neuseeland, Osterinseln, Chile, Bolivien, Peru, Ecuador, Jamaica.
"In der damaligen Zeit war es nicht normal für eine samische Frau, allein um die Welt zu reisen. Aber ich glaube ich war schon immer eine Person, die sich nicht dafür interessierte, was andere Menschen sagen oder denken."
Trotzdem lässt sie ihren neuen Roman gegenlesen. Von einer Vertreterin ihres potenziellen Zielpublikums.
"Ich habe mit einer 16-Jährigen gesprochen, die das Buch lesen wird, bevor es in den Druck geht. Ich will, dass es ein modernes Buch wird. Es soll nicht 30 Jahre alt wirken."
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