Wasserknappheit

Wird Brandenburg zur Wüste?

09:09 Minuten
Vertrocknete Sonnenblumen stehen auf einem Feld bei Drebkau in der Lausitz. Anhaltend hihe Temperaturen und ausbleibender Regen haben die Felder austrocknen lassen, viele Landwirte rechnen mit Ernteausfaellen aufgrund der Dürre.
Immer größer werden in Brandenburg die Gebiete, in denen wegen des Wassermangels alles verdorrt. © picture alliance / Andreas Franke / Andreas Franke
Von Christoph Richter · 21.10.2022
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Wassermangel schien lange eine abstrakte Bedrohung zu sein. In diesem Jahr wurden wir durch den niedrigen Rheinpegel direkt mit dem Problem konfrontiert. Manche Gebiete Brandenburgs haben gar schon Wüstenstatus.
Gartenbauwissenschaftlerin Antje Balasus steht in einer Apfelplantage in der Obstbauversuchsanstalt Müncheberg, eine Autostunde östlich von Berlin entfernt. Hier will man herausfinden, welche Apfelsorten dem Klimawandel gewachsen sind. Denn Extremwetterereignisse – wie Hagel oder plötzliche Kälteeinbrüche – bedrohen Brandenburgs Apfelbauern.
Ein Riesen-Problem für Äpfel sind auch die extremen Hitzewellen. Durch die Sonneneinstrahlung entstehen auf dem Apfel bräunliche Flecken. Darunter ist das Fruchtfleisch dann weich und matschig. Wir können uns eincremen, der Apfel dagegen verfault.
Ein weiteres Problem für die Apfelbauern ist die Trockenheit: Ohne künstliche Bewässerung seien Äpfel nicht vermarktbar, erklärt Antje Balasus. Es würden nur mickrige, kleine Äpfel wachsen, die keiner kaufen würde. Wenn es dann – wie in einigen Regionen Brandenburgs in diesem Sommer geschehen – tagsüber verboten ist, aus Flüssen, Bächen und Seen Wasser zu entnehmen, dann stehe ein ganzer Berufszweig zur Disposition, sagt die Obstbau-Expertin.

Tesla verbraucht so viel Wasser wie eine Kleinstadt

Die Trockenheit stelle die Zukunft des Brandenburger Apfelanbaus komplett in Frage, wenn jetzt nicht gegengesteuert werde. Es müsse sorgsamerer mit Wasser umgegangen werden, meint Balasus:

"Letztendlich müssen wir uns gut überlegen, wofür wir unser Wasser einsetzen – ob wir damit Lebensmittel produzieren oder ob wir damit Autos bauen.“

Damit spricht die Wissenschaftlerin Balasus die Debatte um den US-Autobauer Tesla an, der in Ostbrandenburg, laut Umweltbundesamt eine der trockensten Regionen Deutschlands, ein Autowerk errichtet hat. Tesla benötigt pro Jahr 1,4 Millionen Kubikmeter Wasser – so viel wie eine 40.000 Einwohner große Stadt.
Die Folgen der Trockenheit sind in Brandenburg für jeden Laien zu sehen: Wenn aus den Seen die Stege plötzlich weit aus dem Wasser ragen, weil die Pegel sinken.
Das Land erlebe seit 2018 eine bisher nicht bekannte Trockenphase, die durch außerordentliche Niederschlagsknappheit und hohe Temperaturen geprägt sei, heißt es beim Brandenburger Umweltministerium. Seitdem sei „ein schnelleres Sinken der Wasserspiegel zu beobachten.“

Nur 10 Prozent des Wassers bleiben erhalten

Eine stabile Wasserversorgung werde daher zunehmend zu einem Problem, sagt auch Gewässerökologe Martin Pusch vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Er ist Mitautor einer Studie über die potenziellen Auswirkungen von Industrieprojekten in wasserarmen Gebieten:

„Von den 550 Millimeter Niederschlag, die wir hier in Ostdeutschland haben, stehen nur 50 Millimeter zur Verfügung. Also 90 Prozent verdunsten, 10 Prozent sind vorhanden. Und wir haben tatsächlich jetzt schon Perioden und Gebiete, wo wir einen Wüstenstatus haben. Das heißt, dass mehr Wasser verdunstet, als produziert wird.“

Eine Bestandsaufnahme, die auch der Klimareport des Deutschen Wetterdienst bestätigt. Die klimatischen Veränderungen in Brandenburg würden die „bereits heute kritische regionale Wasserverfügbarkeit weiter verschärfen“, heißt es da.
André Bähler ist der Verbandsvorsteher des Wasserverbands Strausberg-Erkner am östlichen Stadtrand von Berlin. Der versorgt rund 170.000 Menschen mit etwa 11 Millionen Kubikmeter Trinkwasser im Jahr.

Wasser muss rationinert werden

Jeder kann so viel Wasser verbrauchen, wie er benötigt – bis jetzt. Denn der Versorger hat wegen des Wassermangels zu einer drastischen und bundesweit einzigartigen Maßnahme gegriffen: Rationiertes Wasser für Privathaushalte. Erst sind davon zwar nur Neukunden betroffen, ab 2025 gilt das aber für alle. Menschen, die ein Haus bauen, einen neuen Wasseranschluss benötigen, dürfen dann nur noch 105 Liter Wasser pro Person und Tag verbrauchen.
Im Klartext: Alle müssen weniger Wasser verbrauchen, ansonsten werden die Menschen irgendwann auf dem Trockenen sitzen. Und das müsse um alles in der Welt verhindert werden, so Bähler weiter.
Ja, die Wassersituation in der Region sei angespannt, betont auch Hydrogeologin Irina Engelhardt von der Technischen Universität Berlin. Die Grundwasserneubildung sei mit 82 Millimeter im Jahr gering. Deutschlandweit sei die Situation nur in Sachsen-Anhalt noch angespannter.

Technische Lösungen sind möglich

Wissenschaftlerin Engelhardt sieht aber keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Man könne der Trockenheit künstlich entgegensteuern, meint sie: „Ich kann im Winter, im Herbst, Starkniederschlag auffangen und den gezielt in den Grundwasserleiter einleiten, um das Wasser dann im Sommer wieder abzupumpen.“
Engelhardt rät zudem, den Blick in andere Regionen der Welt wie etwa den Mittelmeer-Raum zu werfen, wo die Menschen schon länger mit Trockenheit und wenig Wasser kämpfen. Und wo sie Lösungen parat haben.
Ein Beispiel dafür ist der „National Water Carrier“ in Israel. Hier wird per Pipeline Wasser aus dem See Genezareth Richtung Tel Aviv und die Negev-Wüste gepumpt:
„Wir haben auch die Optionen des Abwasser-Recyclings, der Abwasser-Wieder-Verwertung, erläutert Engelhardt. "Wir haben die Option der künstlichen Grundwasseranreicherung, mit Abwasser, mit Starkniederschlag. Und wir haben auch die Option der Nutzung des Tiefengrundwasserleiters, der einen relativ hohen Salzgehalt hat, aber durch entsprechende Entsalzungstechnologien auch wieder Wasser zur Verfügung stellen könnte.“

Neue Ansiedlungspolitik in Brandenburg

Das ist aber Zukunftsmusik. Wegen der aktuellen Wasserkrise will das Land Brandenburg jetzt die Genehmigungspraxis gewerblicher Ansiedlungen erstmal ändern.
Wenn sich Unternehmen neu ansiedeln, soll künftig vorher geschaut werden, ob das Wasser reicht. Trinkwassersicherheit, Bedarf der Industrie und sozioökonomische Faktoren will man gegeneinander abwägen.
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