Abstimmung im PEN

    Wird Deniz Yücel abberufen?

    Der Journalist Deniz Yücel blickt in die Kamera. Er trägt ein dunkles Sakko und einen kurzen, graumelierten Bart.
    Schwer umstritten: der Journalist Deniz Yücel. © AFP / Die Welt / Marlene Gawrisch
    Von Stefan Ruwoldt · 12.05.2022
    Die Schriftstellervereinigung PEN streitet seit Wochen um ihren Präsidenten Deniz Yücel. Eine Gruppe erhebt schwere Vorwürfe und verlangt seine Abberufung. Andere Autoren dagegen stärken ihm den Rücken. Worum geht es?
    Das deutsche PEN-Zentrum ist gespalten. In der Kritik steht die Leitung der Schriftstellervereinigung. Derzeit füllt diese Aufgabe der Publizist und Autor Deniz Yücel aus. Doch müssen seine Unterstützer und er momentan mit heftigem Gegenwind kämpfen. Es ist ein Zerwürfnis, wie es schon lange keines mehr gab in der Geschichte des deutschen PEN.
    Gegner und Kritiker Yücels sprechen von Querelen, die ein Ende haben müssten, doch kommen beide Seiten zu ganz unterschiedlichen Vorschlägen für eine Lösung des Problems. Die einen wollen Yücel abberufen und einen Neuanfang wagen, die anderen Yücel stärken.

    Warum ist der Streit nun Thema?

    Die Mitglieder des deutschen PEN treffen sich am Freitag und Samstag im thüringischen Gotha zur Jahrestagung des Verbands. Die Tagung ist dabei zunächst eine Protokollveranstaltung mit einem Grußwort des thüringischen Ministerpräsidenten, Preisverleihungen, Empfängen und Podiumsdiskussionen. Eingebettet in die Jahrestagung ist die Mitgliederversammlung, die vor allem ein Thema hat: Soll die PEN-Führung weitermachen? Gestritten wird vor allem um PEN-Präsident Yücel, früher "taz"- und heute "Welt"-Journalist.

    Wie homogen will der Verband bleiben? Eine Einschätzung von Miriam Zeh

    12.05.2022
    06:25 Minuten
    Podcast: Lesart
    Podcast: Lesart
    Da das Treffen offen ist für Medienvertreter, ist den streitenden Parteien Publikum und Aufmerksamkeit sicher. Die Mitgliederversammlung selbst allerdings ist nicht öffentlich.

    Wer streitet worüber?

    Der Streit der Autoren und Publizisten dreht sich in erster Linie um Yücels Führungsstil und seinen Ton bei Auseinandersetzungen. Seine Gegner sehen ein unter den Mitgliedern deutlich geäußertes „Erschrecken über Umgangsstil, Sprache und Herrscherallüre“ und stellen einen Antrag auf Abberufung, der auf dem Treffen diskutiert und über den abgestimmt werden soll. Die Rede ist von einer „tiefgreifenden, systemischen Störung des Anstands und der Würde des PEN“. In der Kritik stehen neben Yücel auch weitere Mitglieder des Präsidiums, darunter Vizepräsident Ralf Nestmeyer und Schatzmeister Joachim Helfer. Die Spitzenriege ist erst seit Oktober 2021 im Amt.

    Wie viel Herrscher steckt in Deniz Yücel? Die Schriftstellerin Elke Schmitter im Gespräch

    12.05.2022
    04:49 Minuten
    Podcast: Studio 9 – Der Tag mit ...
    Podcast: Studio 9 – Der Tag mit ...
    Zu den 47 Antragstellern auf Abberufung gehören Klaus Modick, Christoph Peters, Tanja Kinkel, Werner Rügemer und Renan Demirkan. Einer der Kritiker Yücels in der Führungsriege des PEN ist der Generalsekretär des PEN Deutschland, Heinrich Peuckmann. Er wittert im Vorgehen Yücels eine Neuausrichtung des Verbands hin zu einer NGO und fürchtet den Verlust des „Markenzeichens des PEN“: ein Schriftstellerverband zu sein. Allerdings richtet sich ein Absetzungsantrag auch gegen Peuckmann.

    Was waren die Auslöser für die Forderungen nach Amtsaufgabe?

    Die Vorwürfe beziehen sich auf einen umfassenden Mailwechsel im Präsidium. Unter anderem hatten die früheren PEN-Präsidenten Gert Heidenreich, Christoph Hein, Johano Strasser, Josef Haslinger und Regula Venske Yücel zuletzt aufgefordert, sein Amt niederzulegen, nachdem er sich auf dem Literaturfestival lit.Cologne Mitte März für eine Flugverbotszone über der Ukraine ausgesprochen hatte. Die Autoren werteten Yücels Äußerung als nicht im Einklang mit der PEN-Charta. Nach Medienberichten werden ihm auch „Bösartigkeiten, widerwärtige Beleidigungen, Diskriminierungen und falsche Anschuldigungen“ in der internen Kommunikation vorgeworfen. 

    Gibt es auch Unterstützer Yücels?

    Auch beim deutschen PEN gilt: kein Antrag ohne Gegenantrag. Ein solcher wurde ebenfalls eingereicht und liegt auf dem Treffen zur Abstimmung vor. 61 Unterstützer wollen damit Yücel und zwei anderen Betroffenen der Abwahlanträge das Vertrauen aussprechen. Zu diesen Antragstellern gehören Konstantin Küspert, Christoph Links und Nikola Anne Mehlhorn. Sie wollen nach eigenen Angaben dafür sorgen, dass die „Querelen ein Ende haben“. Unterstützt wird dies mit einer Lagebeschreibung.

    Abwahlantrag gegen Deniz Yücel: ein Bericht von Ludger Fittkau

    05.04.2022
    04:23 Minuten
    Kultur heute - eine stilisierte Tänzerin
    Kultur heute - eine stilisierte Tänzerin
    Der deutsche PEN sei mit seinem Einsatz für die Freiheit des Wortes heute in der Öffentlichkeit so präsent wie schon sehr lange nicht mehr, heißt es. Und dabei arbeite das Präsidium in seiner Mehrheit harmonisch, demokratisch und erfolgreich zusammen - im Sinne der Charta des PEN für bedrohte Kollegen und Kolleginnen.

    Wie sind die Prognosen für die Auseinandersetzung auf dem Treffen?

    Laut PEN werden in Gotha mehr als 130 Mitglieder und Exil-Autoren unter anderem aus Afghanistan, Belarus und Uganda erwartet. Das PEN-Zentrum Deutschland allerdings hat nach eigenen Angaben rund 770 Mitglieder, die auch online ihr Votum abgeben können. Und genau das macht eine Prognose für den Ausgang dieses Machtkampfes schwierig. Nach PEN-Angaben reicht für die Anträge eine einfache Mehrheit.
    Die Heinrich-Heine-Bibliothek im Schlosspark von Gotha.
    Ein verträumt gelegener Schauplatz für eine Schlacht der Worte: Die Heinrich-Heine-Bibliothek im Schlosspark von Gotha ist Tagungsort des PEN-Treffens.© picture alliance / imagebroker / Wilfried Wirth

    Wie sehen PEN-Autoren, die nicht den Lagern angehören, den Streit?

    Eine genaue Einschätzung der Stimmungslage unter den Mitgliedern ist schwer. Die Autorin Elke Schmitter sagte im Deutschlandfunk Kultur, sie kenne Yücel als einen „wetterfesten Kameraden“, der nicht unbedingt Konsens brauche. Yücel sei eine Traumbesetzung für den PEN, denn er sei ein Mensch, der „durch das freie Wort, durch das Diskutieren seinen Aufstieg gemacht hat vom Gastarbeiterkind zum PEN-Präsidenten“. Und Schmitter meint: „Er hat durch ein Jahr verschärfte Einzelhaft aus politischen Gründen in der Türkei eine moralische Ausweisung, dass er dafür einsteht, die die allermeisten Menschen im PEN, die jetzt gegen ihn agieren, nicht für sich in Anspruch nehmen können.“

    Ging der nun möglichen Abwahl ein Schlichtungsversuch voraus?

    Anfang März baten nach Medienberichten Yücel und fünf seiner Unterstützer in einem Brief an die PEN-Mitglieder um Verzeihung. Sie erklärten darin, dass sie Fehler in der Kommunikation gemacht hätten und gestanden ein, sich im Ton vergriffen zu haben. In Zukunft werde man größere Sorgfalt walten lassen, hieß es. Doch eine weitere öffentliche Äußerung Yücels auf einer Veranstaltung der lit.Cologne sorgte dann für die Eskalation: Der Autor hatte ein mögliches Eingreifen der NATO im Ukraine-Krieg zur Debatte gestellt und die Schließung des Luftraums über dem Land befürwortet.
    Quelle: Stefan Ruwoldt

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