"War Mongrels" von Destructive Creations

Versteckte Nazi-Codes in Computerspielen?

09:05 Minuten
Im Still aus "War Mongrels" sind aus einer Vogelperspektive aufmarschierende Wehrmachtssoldaten zu sehen.
Im Taktikspiel "War Mongrels" des polnischen Spieleentwicklers Destructive Creations lassen sich auf den zweiten Blick Geschichtsumdeutungen entdecken. © Destructive Creations
Piotr Franz im Gespräch mit Katja Bigalke und Martin Böttcher · 02.10.2021
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"War Mongrels" von Destructive Creations sorgt vor seiner Veröffentlichung für Aufregung: Das Zweite-Weltkrieg-Game propagiere Ideen von Rechtsextremen, kritisieren Experten. Seine Macher seien zudem am rechten Rand unterwegs.
Der polnische Spieleentwickler Destructive Creations wird schon seit Längerem wegen menschenverachtender Tendenzen kritisiert. In Deutschland gab es im Jahr 2014 eine Diskussion, als der Titel "Hatred" angekündigt wurde: ein Amoklauf-Simulator. Jetzt will die Firma ein neues Spiel herausbringen: "War Mongrels" ein Taktikspiel in der Kulisse des Zweiten Weltkriegs, bei dem sich auf den zweiten Blick Geschichtsumdeutungen entdecken lassen.
Und damit nicht genug: Expertinnen und Experten der Initiative "Kein Pixel den Faschisten" und der Organisation "Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland" haben das Verhalten der Macher in sozialen Netzwerken und die gesamte Spielehistorie analysiert und herausgearbeitet, dass die Macher sowohl am rechten Rand unterwegs sind als auch versteckte Codes und Ideen von Rechtsextremen in ihren Spielen propagieren und tradieren.

Das gängige Narrativ infrage stellen

So gibt es zum Beispiel in der begleitenden Werbekampagne zu "War Mongrels" verschiedene Youtube-Videos, sogenannte "War Diaries". In diesen Videos werde das gängige Narrativ über Verbrechen im Zweiten Weltkrieg immer wieder infrage gestellt, erklärt Piotr Franz, von "Gesicht Zeigen!", der auch Teil des Recherche-Teams war.
Die Art und Weise, wie Destructive Creations diese Narration von "War die Wehrmacht denn wirklich so böse?", "Gab es nicht ähnliche Bösewichte auf der anderen Seite in der Sowjetunion oder auch bei den Westalliierten?" darstelle, könne man so nicht stehen lassen kann, sagt der Kulturwissenschaftler.
Das Verhalten des Studios in sozialen Netzwerken bewertet Piotr Franz so: "Man wird nicht bis zum Schluss identifizieren können, wenn jemand vier, fünf, einschlägig rechtsextreme Organisationen likt und islamfeindliche Seiten likt, antisemitische Kommentare gibt, ob die Person tatsächlich auch rechtsextremen oder antisemitischen Ideologien anhängt. Aber der Verdacht liegt eben relativ nahe."

Likes zu rechtsextremen Organisationen

Besonders die Likes zu rechtsextremen Organisationen in Polen, die auch eine Historie in den 20er- und 30er-Jahren haben, seien aufschlussreich, sagt er.
"Heute sind sie die größten rechtsextremen Organisationen in Polen, die den großen Marsch der Unabhängigkeit am polnischen Jahrestag am 11. November organisieren." Dazu werden unter anderem auch deutsche rechtsextreme Gruppen wie die Identitäre Bewegung eingeladen, erklärt Piotr Franz.
Auch im Spiel "War Mongrels" selbst gehe es darum, eine gewisse Erinnerungskultur "wie wir sie pflegen" gegenüber der Shoah oder dem Zweiten Weltkrieg infrage zu stellen.
"Das knüpft auch an rechtsextreme Vorstellungen an, die weltweit praktiziert werden: In Deutschland zum Beispiel mit der Forderung rechter Parteien zu einer erinnerungspolitischen 180-Grad-Wende", sagt der Kulturwissenschaftler. "Da sehen wir eine Verknüpfung von Narrativen, die auch über solche Spiele verbreitet wird."

Das Phänomen nicht unterschätzen

Wie könnten Gegenmaßnahmen aussehen, die gegen die Verbreitung solcher Inhalte helfen? Piotr Franz sieht Vertriebsplattformen, Medien und Game-Community gleichermaßen in der Verantwortung. "Das ist im Gaming nicht anders als in der analogen oder in der Nicht-Gaming-Welt. Rechtsextremismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem."
Die Betreiberplattformen dürften rassistische, rechtsextreme und antisemitische Kommentare, die sich in den Communitys um diese Spiele herumentwickelten, nicht unkommentiert lassen, fordert er. Auch der Spiele-Journalismus sei gefragt, kritischer vorzugehen. "Weil das nicht so wahnsinnig gut klappt", gebe es Initiativen, die auf dieses Problem zumindest deutlich aufmerksam machten.
Piotr Franz warnt davor, das Phänomen zu unterschätzen. "Wir wissen, dass es verschiedene Versuche auch in Deutschland gibt, eine sogenannte 'patriotische Gegenkultur', auch im Gaming zu etablieren: Mit eigenen Spielen, um darüber zu rekrutieren oder auch subtil eigene Narrationen zu verbreiten."
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