Wahlwerbespots der Parteien auf dem Prüfstand

Politik als Servicegesellschaft

18:35 Minuten
Im Wahlwerbespot der CDU schaut Armin Laschet mit väterlichem Grinsen direkt in die Kamera.
"Mit Onkel Armin wird alles gut": Der CDU-Wahlclip denke "Angela Merkel männlich weiter", sagt der Drehbuchautor Stefan Stuckmann. © CDU / Screenshot via YouTube 18.9.2021
Stefan Stuckmann im Gespräch mit Patrick Wellinski · 18.09.2021
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Wir haben uns die Werbefilme von den Grünen, der CDU und der SPD angeschaut und festgestellt: Armin Laschet ähnelt dem "onkeligen" Francis Underwood in House of Cards, die Grünen greifen einen Zeitgeist auf und Olaf Scholz bewirbt sich.
Was haben uns die Wahlwerbespots der großen Parteien eigentlich aus filmkritscher Perspektive zu sagen? Welche Erzählungen werden entwickelt, welche Mittel werden dafür eingesetzt und welche Botschaften werden mal mehr mal weniger subtil an die Wähler und Wählerinnen gebracht? Darüber sprechen wir mit Stefan Stuckmann, den Drehbuchautor und Showrunner der Politiksatire "Eichwald, MdB" auf ZDFNeo.


Besonders viel Häme mussten ja Bündnis 90/Die Grünen für ihren Wahlwerbespot "Ein schöner Land" einstecken, in dem durchweg gesungen wird. Auch Stefan Stuckmann war zunächst peinlich berührt davon, nach mehrmaliger Betrachtung habe sich der Spot aber "in sein Herz geschlichen".

Die Menschen wollen keine Dystopien mehr

Zwei Aspekte findet er besonders interessant. So werden in den eineinhalb Minuten alle Bevölkerungsgruppen in Deutschland abgedeckt: "Der Paketzusteller, die Anwältin, die Grundschullehrerin, der Schreiner, der Bootsbauer. Hohes Handwerk, niedriges Handwerk. Wahnsinnig interessant und auch innerhalb der einzelnen Gruppenklischees in alle Richtungen noch einmal abgefedert."

Stefan Stuckmann bewundert auch den "Mut zum Kitsch" in dem Spot, in dem er auf eine "Wärme" gestoßen ist, die sich – ausgelöst durch Klimawandel, Trump-Wahl und Rechtsruck –, immer mehr in den Zeitgeist einschleiche. Das angesprochene Publikum sei der Dystopien wie in "The Walking Dead" überdrüssig geworden, sagt Stuckann, denn sie würden die "großen Probleme der Menschheit" immer mehr in ihrem eigenen Leben wiedererkennen.
Mittlerweile gebe es einen Drang hin zu versöhnlichen und kitschigen Stoffen. Diesen Zeitgeist hätten die Grünen sehr gut eingefangen.

Armin Laschet ist der "onkelige" Kümmerer

"Mein Vater war Bergmann", erzählt Armin Laschet im Wahlwerbespot der CDU. "Als Ministerpräsident habe ich die letzte Zeche geschlossen. Ich weiß, was Veränderungen bedeuten." Diese Ansprache erinnert Stefan Stuckmann an die TV-Serie "House of Cards", doch wohlgemerkt: nicht an den bösen US-Präsidenten Francis Underwood, sondern an den "väterlich-onkeligen" Francis Underwood, der nach Hause in seinen Wahlkreis fährt und sich supervolksnah gibt.
Den persönlichen Einstieg und der Bezug zum Wandel in den Spot findet Stuckmann sehr gut gemacht, aber zum weiteren Verlauf des Spots äußert er Kritik:
"Interessant ist, dass die beschworene Notwendigkeit zum Wandel überhaupt nicht konkret gemacht wird. Es ist als großes Thema an die Wand gemalt, aber wenn man guckt, wie es weitergeht, dann verliert es sich total schnell in Allgemeinplätzen."

Da geht einem das Herz auf

Der Spot sei "ein männliches Weiterdenken von Angela Merkel", meint Stuckmann. Und Armin Laschet wirke darin wie ein "onkeliger" Jugendtrainer oder Vertrauenslehrer, der einem sagt: "Kind bleib sitzen, nimm Dir ein Duplo. Wir kriegen das hin."
Auch am Ende des Spots würde Armin Laschet "wirklich gut spielen". Als Zuschauer geht Stuckmann hier das Herz auf:
"Er schaut in die Kamera und sagt: ´Ich bin Armin Laschet und ich weiß, dass wir das können.` Mir als in den 80ern und 90ern sozialisiertes, westdeutsches Lehrerkind geht das mitten ins Herz: 'Cool, ich brauche mir keine Sorgen machen, ich kann hier sitzen bleiben, gleich gibt es noch ein Eis. Der Onkel hat das im Griff.' Ein bisschen Politik als Servicegesellschaft."

Der Kanzler als erster Angestellter des Staats

Die SPD setzt am Anfang ihres Spots wiederum auf Altkanzler Helmut Schmidt: "Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber jedermann üben werde."
Der Rückblick in die Geschichte sei "genial eingetütet", meint Stefan Stuckmann. Auch der Verweis auf die Biografien sei gelungen: Kanzlerkandidat Olaf Scholz ist ebenfalls Hamburger, beide sind verwoben mit der Stadt, das sei ideal. Am meisten überzeuge Stuckmann aber das Narrativ des Spots: "Der Kanzler nicht als Boss, sondern als erster Angestellter des Staats."
So sei der Wahlwerbespot ein "Bewerbungsschreiben": Scholz sagt, warum er Kanzler werden will, und man erfährt, was er schon geleistet habe: "Er hat mit Wumms gegen Corona gekämpft." Das sei schon sehr geschickt formuliert, so Stuckmann.
Zum Schluss werde aufgezählt, was Scholz zukünftig besser machen wolle: Zwölf Euro Mindestlohn, 400.000 neue Wohnungen, stabile Renten, sagt Stuckmann. Markant an dem Spot sei, dass es im Gegensatz zum CDU-Clip bei den Inhalten weniger "wischi, waschi" zugehe und alles etwas konkreter sei.
(jde)
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